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15.10.2021

Marc Kienle: Deutscher Meister und Teamplayer

Auf mehr als 30 Jahre im Leistungsfußball kann der neue U19-Chefcoach Marc Kienle zurückblicken. Den größten Erfolg feierte der 48-jährige Fußballlehrer dabei ganz zu Beginn seiner Profi-Laufbahn. Doch auch als Trainer hat Kienle einiges vorzuweisen – und einst den einen oder anderen heutigen Nationalspieler geformt.

Als der VfB Stuttgart am 16. Mai 1992 in einem der spannendsten Titelkämpfe der Bundesligageschichte Deutscher Meister wurde, saß auch der 19-jährige Marc Kienle auf der Stuttgarter Bank im Leverkusener Ulrich-Haberland-Stadion. Nach Guido Buchwalds Siegtreffer in der 88. Minute, durch den der VfB aufgrund des besseren Torverhältnisses vor den punktgleichen Borussen aus Dortmund Meister wurde, fand sich natürlich auch der Youngster Kienle inmitten der Jubeltraube wieder. „Da sind alle Dämme gebrochen. Wir sind dann zurück nach Stuttgart geflogen und erst mal nicht mehr vom Flughafen weggekommen, weil uns so viele Menschen empfangen haben“, erinnert sich Kienle mit leuchtenden Augen.

Dass der heutige U19-Cheftrainer schon in seiner ersten Profisaison 1991/92 zehn Bundesligaspiele absolvierte, war zu jener Zeit alles andere als normal. „Als 18- oder 19-Jähriger hatte man es damals deutlich schwerer, zu Einsätzen zu kommen als heute. Von daher wusste ich schon, dass es etwas Besonderes ist.“ In einer Mannschaft mit Spielern wie Matthias Sammer, Fritz Walter oder Guido Buchwald, der zwei Jahre zuvor Weltmeister geworden war, hielt sich Kienle als Jungspund zunächst zurück. Doch nach und nach behauptete er seinen Platz. „Es gab eine klare Hackordnung und da hat man sich als junger Spieler erst einmal zurückgehalten und aufmerksam beobachtet.“

Als Stürmer angefangen, als Innenverteidiger aufgehört

Von seinen ersten Schritten im Profifußball könnte Kienle jetzt auch seinen neuen Schützlingen bei der U19 erzählen, doch der neue Chefcoach der A-Junioren geht dosiert mit den Geschichten von früher um. „Die Vita eines Trainers sollte für die Spieler nicht so wichtig sein. Entscheidend ist das Hier und Jetzt und wie man mit den Spielern arbeitet“, sagt Kienle, der es nach seiner Meister-Debütsaison noch auf 62 weitere Bundesligaeinsätze für den VfB und den MSV Duisburg sowie auf 143 Zweitligaspiele für Duisburg, den Karlsruher SC und Alemannia Aachen brachte.

Einst war Kienle – so wie seine Jungs bei der TSG heute – aber auch einfach nur ein hoffnungsvoller Nachwuchsspieler. Technisch stark, schnell und vielseitig einsetzbar. Anfangs vor allem als Stürmer eingesetzt, spielte der in Ruit auf den Fildern geborene Kienle später auch im rechten Mittelfeld sowie als Rechts- und zum Schluss sogar als Innenverteidiger. „Beim MSV Duisburg habe ich es in einer Saison in der Zweiten Liga sogar geschafft, alle Positionen bis auf Torwart einmal gespielt zu haben.“

Als Jungstürmer ging es für Kienle über die Stuttgarter Kickers 1988 in die B-Jugend des VfB. Auch zu den Jugend-Nationalmannschaften des DFB war der talentierte Angreifer regelmäßig eingeladen. Für Furore sorgte Kienle mit dem VfB dann in der A-Jugend, als er mit seinen Teamkollegen zweimal hintereinander die Deutsche A-Jugendmeisterschaft gewann. Im zweiten Jahr unter dem damals 32 Jahre jungen Trainer Ralf Rangnick. „Wir waren damals nicht die talentierteste Mannschaft, aber wir hatten das beste Kollektiv“, erinnert sich Kienle, dem vor allem das Achtelfinale gegen Bayern München in Erinnerung geblieben ist: „Das war damals die absolute Übermannschaft mit Spielern wie Markus Babbel, Didi Hamann, Max Eberl oder Christian Nerlinger. Aber wir haben einfach als Team funktioniert.“

Schwere Verletzung bei Hallenturnier

Nach Rangnick hatte Kienle auch im Profibereich eine ganze Reihe namhafter Trainer. Christoph Daum, Jürgen Röber, Hannes Bongartz, Joachim Löw – von jedem hat sich Kienle etwas für seine eigene Art, ein Team zu führen und zu trainieren, mitgenommen. Diese Art beschreibt der 48-Jährige so: „Ich habe einen sehr hohen Anspruch an Fußball, weil ich durch die Trainer, die ich als Aktiver erlebt habe, und durch die Spieler, die ich später trainieren durfte, etwas verwöhnt bin. Ich bin aber auch Teamplayer und ein kommunikativer Trainer, der auch schwierige Entscheidungen ehrlich rüberbringen möchte.“

Solch schwierige Entscheidungen oder Karriererückschläge musste Kienle auch zu seiner aktiven Zeit hinnehmen. Nachdem er zum MSV Duisburg gewechselt war und mit den „Zebras“ den direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga geschafft hatte, brach er sich in der Winterpause 1996/97 bei einem Hallenturnier das Schien- und Wadenbein. Die 13-monatige Zwangspause bedeutete mit 24 Jahren das Ende seiner Bundesligakarriere.

Kienle wechselte zum Karlsruher SC in die Zweite Liga, wo er in seiner ersten Saison knapp den Aufstieg verpasste und im zweiten Jahr in die Regionalliga abstieg. Es folgten drei weitere Jahre in der Zweiten Liga: zunächst eine Saison bei Alemannia Aachen und dann zweieinhalb Jahre erneut beim MSV Duisburg, ehe es noch einmal für zwei Spielzeiten in die zweite niederländische Liga zu MVV Maastricht ging. Nach einem kurzen Gastspiel beim Oberligisten Wormatia Worms beendete Kienle 2006 mit 33 Jahren seine Karriere. Zu bereuen hat Kienle in Bezug auf seine aktive Laufbahn nichts: „Ich hatte immer die Möglichkeit, interessante Trainer zu erleben und mit herausragenden Spielern zusammenspielen zu dürfen. Wenn ich da an Giovane Elber, Matthias Sammer, Ludwig Kögl, Guido Buchwald oder Carlos Dunga denke: Das war schon etwas Besonderes, solche Spieler an seiner Seite zu haben.“

Trainer von Kimmich, Gnabry, Werner & Co.

Relativ schnell war für den Ex-Profi nach der aktiven Zeit klar, dass er Trainerscheine machen und seine Erfahrung weitergeben wollte. Bei seinem Jugendverein, dem VfB Stuttgart, durfte er 2007 als Co-Trainer der U19 anfangen und hatte gleich Spieler wie Julian Schieber, Daniel Didavi oder die späteren TSG-Profis Sebastian Rudy, Ermin Bičakčić und Boris Vukčević zu betreuen. Bereits ein Jahr später wurde Kienle die U17 des VfB als Cheftrainer anvertraut, mit der er direkt Deutscher B-Jugend-Meister wurde. Später war er auch für die U19 hauptverantwortlich und trainierte unter anderem die heutigen Nationalspieler Serge Gnabry, Joshua Kimmich, Timo Werner und Bernd Leno.

„Wenn ich mir die Bilder von damals anschaue, ist es schon Wahnsinn, welche Spieler dabei waren. Darunter auch viele, die heute zumindest Zweite Liga spielen“, sagt Kienle, der mit seinen Mannschaften Jahr für Jahr um die Deutsche Meisterschaft konkurrierte und dessen Erfolge auch dem FC Bayern München nicht entgingen. Zur Saison 2012/13 wechselte er als U19-Cheftrainer an die Säbener Straße. In der Zwischenzeit hatte Kienle 2011 gemeinsam mit Trainern wie Markus Gisdol, Tayfun Korkut, Roger Schmidt oder Markus Weinzierl seine Fußballlehrer-Lizenz erworben.

Auch mit den Bayern wurde Kienle Süddeutscher A-Jugend-Meister, wodurch im Oktober 2013 der Drittligist SV Wehen Wiesbaden auf den Erfolgstrainer aufmerksam wurde. „Es hat mich zu dem Zeitpunkt gereizt, in den Erwachsenenfußball zu wechseln“, sagt Kienle. Nachdem der Fußballlehrer in seiner ersten Saison in Wiesbaden knapp am Aufstieg in die Zweite Liga vorbeigeschrammt war, gab es 2014 nach dem Abschied von Hansi Flick als Co-Trainer der Nationalmannschaft die Chance für Kienle, Flicks Nachfolger und somit Assistent von Joachim Löw zu werden. Doch es kam zu keiner Einigung zwischen dem DFB und dem SVWW. „Für mich war es natürlich bedauerlich, dass es nicht geklappt hat“, sagt Kienle heute. Zumal er ein paar Monate später nach zwei Niederlagen in Folge in Wiesbaden freigestellt wurde.

„Stehe sehr gerne auf dem Platz“

Es folgte die Rückkehr zum VfB Stuttgart, wo Kienle in verschiedenen Funktionen im Profi- und Nachwuchsbereich tätig war, ehe er im vergangenen Sommer den Schritt zur TSG machte. „Ich hatte hier von Anfang ein sehr gutes Gefühl und habe mich schnell sehr wohlgefühlt“, sagt Kienle, der mit seiner Frau und den 17 und elf Jahre alten Töchtern seinen Lebensmittelpunkt in der Nähe von Böblingen hat, wo die Familie auch ein Landhotel betreibt.

Eigentlich war Kienle als Koordinator für die U19- und U17-Bundesligamannschaft nach Hoffenheim gekommen. Eine Aufgabe, für die der Ex-Profi brannte, doch nach dem Abgang von Marcel Rapp zum Zweitligisten Holstein Kiel hat Kienle nun mit genauso viel Eifer den Cheftrainerposten bei der U19 übernommen. „Meine Rolle als Koordinator fand ich sehr interessant, aber ich stehe einfach auch sehr gerne auf dem Platz, um tagtächlich mit einer Mannschaft zu arbeiten.“ Seine Spieler kennt er dank der vorherigen Tätigkeit natürlich schon etwas. Somit kann es Kienle auch beurteilen, wenn er sagt: „Wir haben in dieser Saison eine sehr spannende U19 mit richtig guten Einzelspielern und einer hervorragenden Einstellung.“

Und auch wenn er nicht darauf aus ist, allzu viel von früher und seiner Zeit als Bundesligaprofi und Deutscher Meister zu erzählen, möchte er seinen Jungs doch eines mit auf den Weg geben: „Die Zeit als Spieler muss man genießen. Das Miteinander in der Kabine, gemeinsam als Mannschaft zu gewinnen und sich zu verbessern. Aber auch Niederlagen und Rückschläge zu verarbeiten. Das sind die besonderen Dinge im Fußball.“

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