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SPIELFELD
19.05.2021

Voll auf die Zwölf

Im Sommer 2019 kam Philipp Pentke in den Kraichgau. Obwohl der Torwart noch nicht einmal zwei Jahre bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag steht, macht es den Eindruck, als gehöre er schon seit Jahren zur Mannschaft. Der Stellvertreter von Oliver Baumann ist viel mehr als nur der zwölfte Mann, der diese Nummer auch auf dem Trikot trägt. Der 36-Jährige ist mit seinem selbstbewussten Auftreten zu einem Führungsspieler geworden – und eine lebende Motivationshilfe für die Kollegen.

Es ist erst etwas mehr als ein Jahr her, dass Philipp Pentke zum beliebtesten Spieler der TSG Hoffenheim bestimmt wurde. Es war zwar nur eine spielerische Einstufung des Online-Mediums „ran“, das zum TV-Sender Sat.1 gehört, in der für alle 18 Bundesligisten der Fan-Liebling ausgesucht worden war. Tatsächlich war Pentke kurz zuvor, beim 2:1-Sieg gegen Bayer 04 Leverkusen, vom TSG-Anhang frenetisch gefeiert worden. Es sei sein „schönstes Spiel“ bisher im TSG-Trikot gewesen, sagt Pentke. „Da habe ich am meisten zu tun gehabt, konnte mich ein bisschen auszeichnen und dadurch der Mannschaft helfen.“ Aber deswegen gleich in den Status des beliebtesten Spielers gehoben zu werden? Nein, das ist nicht die Sache des gebürtigen Sachsen. „Ich mag das nicht so. Ich war mal eine Zeit lang beim Chemnitzer FC ein echt großer Publikumsliebling. Da musste ich immer auf den Zaun. Damals habe ich schon gesagt: Naja, das reicht mir jetzt langsam“, erzählt Pentke lachend.

Unabhängig von seiner Position auf der Beliebtheitsskala in Medien-Bewertungen oder bei den Fans kennt er seinen Wert fürs Team. „Ich weiß mein Standing bei der TSG zu schätzen, ich fühle mich hier auch generell wohl in meiner Rolle“, sagt Pentke. „Ich versuche, so viel wie möglich von meinen Erfahrungen und von meiner Leidenschaft in die Mannschaft reinzubringen, die Kollegen und allen voran Oli Baumann zu pushen.“ Und Leidenschaft und Energie strahlt Pentke aus. Er ist kein zweiter Torwart, der mit seinem Status des Reservisten hadert, der mehr oder weniger darunter leidet, dass er nur selten zum Zug kommt und dann – wie gegen Leverkusen und bisher sieben weiteren TSG-Pflichtspielen – in den Mittelpunkt rücken kann. „Ich weiß natürlich, dass ich der Ersatztorwart bin. Deswegen wurde ich geholt und das wurde mir auch so gesagt. In diese Rolle bin ich gut reingewachsen. Nur zu Beginn habe ich ein paar Wochen gebraucht, weil ich ja 14 Jahre vorher bei allen Vereinen fast immer durchgespielt habe. Das war schon eine Umstellung“, erklärt Pentke.

Der in Freiberg in der Nähe von Dresden geborene Torhüter hat sich bei seinen bisherigen Einsätzen als die Zuverlässigkeit in Person bewiesen. Neun Partien (sechs Bundesliga-Spiele, zwei DFB-Pokal-Spiele und ein Europa-League-Spiel) hat er seit seiner Ankunft im Kraichgau im Sommer 2019 bestritten, fast 70 Mal saß er auf der Bank: „Ich bereite mich immer trotzdem genauso vor, als würde ich spielen. Ich bin genauso heiß, als würde ich wirklich im Tor stehen.“

Voll unter Strom steht Pentke allerdings immer, wenn es um Fußball geht. Das ist sein Naturell, er kann nicht anders. Seine laute Stimme ist bei den Spielen von der Bank respektive der Tribüne, wo die Ersatzspieler seit dem Beginn der Corona-Pandemie sitzen, im leeren Rund deutlich vernehmbar: „Ich habe das schon immer gemacht. Es ist wichtig, dass von außen ein bisschen was kommt, vor allen Dingen in dieser Saison, weil wir ziemliche Probleme haben, in eine konstante Spur zu finden“, sagt „Penne“, wie er genannt wird. Auch bei den Trainingseinheiten in Zuzenhausen ist seine markante Stimme oft zu hören. „Einige Jungs brauchen es, dass man sie etwas mitzieht. Ich bin ein Torwart, der auch im Training gewinnen will und versuche, über die Charakterschiene auf mein Team einzuwirken. Schließlich verlange ich es auch von mir selbst, dass ich immer das Bestmögliche aus mir raushole“, beschreibt Pentke sein Verhalten, das er bewusst an den Tag legt: „Ich will damit auch meine Stellung untermauern.“

Der älteste Spieler im Kader

Dank seiner Präsenz und seiner Erfahrung – er ist mit 36 Jahren der älteste Spieler im Kader – hat der charismatische Schlussmann in der teaminternen Hierarchie eine Spitzenstellung. Als Kassenwart treibt er mit seiner Autorität auch Strafen für die Mannschaftskasse ein. Pentke weiß eben, was er will, ist zugleich aber auch ein kooperativer Typ, was vor allem Oliver Baumann zu schätzen weiß. „Ich versuche täglich im Training dazu beizutragen, dass Oli sich auf ein gutes Level bringen kann. Ich glaube, wir machen es echt gut, wie wir uns gegenseitig unterstützen“, sagt Pentke. „Wir tauschen uns gut aus und reden über die Spiele, wie sie aus Torhüter-Sicht gelaufen sind.“ Der Mann mit der Nummer 12 auf dem Trikot beschreibt das Verhältnis zu Baumann nach 17 Jahren Erfahrung als Profi als „relativ erstaunlich und nicht gewöhnlich für unser Business, vor allem für die Torhüter-Position“. Er habe auf seinen früheren Stationen meist einen harten Konkurrenzkampf erlebt. „Da hat man sich mit dem Kollegen in der Kabine nicht eine halbe Stunde unterhalten.“ Doch mit Oliver Baumann, dessen Wohnung in der Heidelberger Bahnstadt er auch kürzlich übernommen hat, ist alles anders. „Zu Oli habe ich ein überragendes sportliches und privates Verhältnis. Er hat mich in der Zeit unterstützt, in der er verletzt war und ich gespielt habe. Und er hat sich auch für mich gefreut, wie die Spiele gelaufen sind. Das rechne ich ihm sehr hoch an“, sagt Pentke und betont, „dass wir generell im Torwartteam ein richtig gutes Verhältnis und auch eine gute Stimmung haben.“

Lob von Michael Rechner

Auch Torwart-Trainer Michael Rechner ist voll des Lobes für den Keeper. „Philipp beweist in unserer täglichen gemeinsamen Arbeit seinen außergewöhnlichen Charakter“, sagt Rechner. „Er ist ein absoluter Teamplayer, der eine nicht immer dankbare Aufgabe mit großem Ehrgeiz annimmt.“ Seit er als 16-Jähriger ins Nachwuchsleistungszentrum von Dynamo Dresden kam, war Pentke meist die Nummer eins im Kasten seiner Mannschaften, so auch bei Jahn Regensburg, das auch wegen seiner Topleistungen den Sprung von der Regionalliga bis in die zweite Liga schaffte. Als das TSG-Angebot vor zwei Jahren kam, packte er zu, wohlwissend, dass er nun zum Bankdrücker würde. „Bis dahin war es mein persönlicher Traum gewesen, einmal zweite Bundesliga zu spielen. Und wenn dann ein Klub aus der ersten Bundesliga kommt, überlegt man nicht zweimal. Damit ging noch mehr als mein Traum in Erfüllung. Ich bin noch immer dabei, ihn zu genießen.“

Als sich Stammtorwart Baumann im Januar 2020 am Meniskus verletzte und wochenlang pausieren musste, schlug die große Stunde von Ersatzmann Pentke. Im reifen Alter von 34 Jahren durfte er nach 151 Regionalliga-, 174 Drittliga- und 58 Zweitliga-Partien endlich seine ersten vier Spiele im deutschen Oberhaus bestreiten. Endlich erlebte er es live, was er zuvor nur im Fernsehen sah. „Die ersten vier Spiele in der Bundesliga und auch in dieser Saison die weitere Partie in Bremen sowie gegen Gent in der Europa League waren super Ereignisse für mich persönlich“, sagt Pentke. Das Achtelfinale im DFB-Pokal im vorigen Jahr in der Allianz Arena gegen den FC Bayern (3:4) war ein weiteres Highlight.

Eine solche Karriere hatte er nicht erwartet, als er als kleiner Junge dem BSV Freiberg beitrat. „Meine Mama wollte nicht mehr, dass ich hinter dem Haus bolze und steckte mich in den Verein. So ging meine Reise los“, erinnert er sich. Einige Jahre später wurde sein Talent bei einem großen Hallenturnier in Dresden entdeckt. 1998 wechselte er zu Dynamo Dresden, mit 15 kam er dort ins Fußball-Internat. Dort machte er eine für Torhüter ungewöhnliche Erfahrung. „In der B-Jugend-Bundesliga bin ich einige Zeit Stürmer gewesen, weil ich mir den kleinen Finger gebrochen hatte. Ich habe dann einige Tore gemacht und zum Beispiel auch gegen René Adler getroffen“, erzählt Pentke. „Dann aber musste ich wieder ins Tor zurück und da bin ich halt geblieben. Aber ich bin mir echt sicher, dass ich auch ein guter Stürmer geworden wäre.“

Ins Tor gestellt wurde er von seinem ersten Trainer in Freiberg, „weil ich immer den weitesten Schuss hatte“. Damals waren noch möglichst lange Abstöße und Abschläge gefragt, den spielerisch anspruchsvolleren Passaufbau von hinten raus lernte Pentke erst später. Vieles habe sich seit dem Beginn der 2000er Jahre verändert, sagt der TSG-Schlussmann, besonders auch die jungen Spieler. „Sie sind nicht mehr so, wie wir früher waren, als wir die Älteren um Rat gefragt haben. Heute müssen wir eher auf die Jugend zugehen als andersherum“, sagt der „Oldie“ des TSG-Teams. „Ich sehe mich nicht in der Rolle der Vaterfigur, aber ich glaube, man muss die Jungs manchmal ein bisschen mit der harten Hand anfassen. Tipps gebe ich ihnen immer gern, denn ich will ja auch, dass sie besser werden“, erklärt Pentke und lobt Luca Philipp, den 20 Jahre alten dritten TSG-Keeper: „Luca hat einen echten Sprung im vergangenen Jahr gemacht. Ich traue ihm viel zu.“ Mindestens bis zum 30. Juni 2022 wird Philipp Pentke dem Profikader der TSG Hoffenheim noch angehören, nachdem sein Vertrag Anfang Dezember um ein Jahr verlängert wurde. Dass im Sommer des nächsten Jahres mit dann 37 Jahren Schluss sein soll, möchte sich der Goalie nicht vorstellen. „Erstens fühle ich mich im Moment nicht wie 36 und zweitens liebe ich meinen Sport. Ich will ihn so lang wie möglich machen“, sagt Pentke und fügt lachend hinzu: „Gianluigi Buffon war schon immer mein Vorbild.“ Und der Italiener ist mit 43 noch immer aktiv.

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