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AKADEMIE
19.11.2020

Mein TSG-Moment (8): Martin Schenk und der Balljungenwirbel

Der Fußball steckt voller Emotionen, vor allem, wenn der eigene Verein beteiligt ist. In unserer Serie „Mein TSG-Moment“ blicken aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, Trainer und Spieler der Akademie auf ihre ganz besonderen Momente mit der TSG zurück – ob als aktiv Beteiligte oder als Zuschauer. Heute: Martin Schenk. Der ehemalige Schulkoordinator der TSG-Akademie hatte ein nervenaufreibendes Erlebnis bei einem denkwürdigen Sieg gegen die Bayern.

»Diesen Bundesliga-Abend in der Arena werde ich nicht mehr vergessen! Nicht nur, weil es gegen den großen FC Bayern München ging. Nicht nur, weil die TSG dieses Spiel auch noch 2:0 gewann. Sondern weil etwas Außergewöhnliches an diesem Abend passiert ist – und ich war irgendwie mittendrin. Aber der Reihe nach.

Neben meinem damals eigentlichen Job bei Anpfiff ins Leben als Leiter Laufbahnbegleitung in der TSG-Akademie habe ich gemeinsam mit René Ottinger die Balljungen bei den Bundesliga-Spielen der Profis betreut. René hat das schon ein paar Jahre hauptverantwortlich gemacht und wollte etwas kürzertreten. Da habe ich mich gerne bereit erklärt, ihn dabei zu unterstützen. Es würde ja nicht weiter spektakulär sein, dachte ich. Ich sollte mich irren.

René war so nett, mir sogleich auch die großen Spiele zu überlassen. Gegen Dortmund, so seine Argumentation, habe die TSG immer verloren, wenn er sich um die Balljungs gekümmert habe, und sein Aberglaube sollte sich tatsächlich auszahlen, denn „ich“ punktete regelmäßig gegen den BVB. Und so durfte ich auch gegen den FC Bayern ran.

Es war die Samstagabend-Partie des dritten Spieltags 2017/18, und die Vorbereitung darauf Routine. Eine Stunde vor Anpfiff Treffen mit den Jungs, Umziehen, kurze Besprechung: „Immer aufmerksam sein, fair bleiben, kein Zeitspiel, keine Auffälligkeiten.“ Wenn wir unbemerkt wieder aus der Arena rauslaufen, so mein Kredo, dann bin ich zufrieden. An jenem Abend war unsere U14 an der Reihe. Und eine gewisse Anspannung war natürlich da: Mehr Zuschauer, mehr Medienvertreter, mehr Gewusel in den Katakomben, angespannte Mitarbeiter. Das hat sich auf die Jungs übertragen. Und auf mich. Als Balljungenbetreuer hat man die Verantwortung für zwölf bis 20 Kids, aber während des Spiels steht man am Eingang zu den Katakomben und kann nicht alle Eventualitäten ausschließen.

Ich habe die Jungs dann rausgeschickt auf ihre Positionen, sie haben dem Warm-up zugesehen und dem Anpfiff entgegengefiebert. Im Spielertunnel legte sich die Anspannung. Nach dem Anpfiff sowieso. Die Bayern erspielten sich die eine oder andere Torchance und es versprach, ein interessanter Abend zu werden. Fußballerisch. Die Balljungen machten ihren Job gut, ich konnte die Partie also in Ruhe verfolgen.

Bis zur 27. Minute. Dann köpfte Mats Hummels die Kugel erst in Richtung Seitenaus, um sie dann, obwohl sie schon klar die Linie überschritten hatte, nach vorne und sogar wieder zurück ins Feld zu dreschen. Das diente natürlich nur dem Zweck, Zeit zu gewinnen, damit sich die aufgerückten Defensivspieler wieder nach hinten orientieren und formieren konnten. Hummels bemerkte jedoch, während er gemächlich ins Zentrum zurücktrabte, nicht, dass Andrej Kramarić einem Balljungen zurief, ihm schnell ein neues Spielgerät zuzuwerfen.

Dieser Balljunge, das war Umut Tohumcu. Bis dahin ein unbekannter U14-Spieler, doch eine Stunde später lief sein Name landesweit über den Ticker in die Sportredaktionen. Umut ist ein waches Kerlchen und warf Kramarić geistesgegenwärtig den Ball zu. Der brachte ihn schnell ins Spiel zu Mark Uth – und ehe die Bayern-Defensive realisierte, was los war, ertönte bereits die Tormelodie.

Als sich der Jubel gelegt hatte, wurde es hektisch. Die Redaktionen riefen ihre Fotografen am Spielfeldrand an und beauftragten sie, Namen und Telefonnummer des Balljungen rauszukriegen. Ich verstehe das durchaus: Für die Medien war das die Geschichte des Abends, sie wollten ihren Lesern oder Zuschauern das gewisse Extra anbieten, das über einen drögen Spielbericht hinausgeht. Für einen 13-Jährigen, der die Mechanismen der Medienwelt nicht kennt, war das aber eine schwierige Situation.

In der Halbzeit haben wir uns dann in der Kabine kurz besprochen und die Medienabteilung der TSG hat die Anfragen an den Jungen abgeblockt, um Umut, der das alles souverän weggesteckt hat, zu schützen. Dennoch war das alles ziemlich aufreibend für alle Beteiligten. Kurz nach der Pause traf erneut Uth zum 2:0. Dabei blieb es. Der Abend hatte drei Gewinner: Die TSG, Uth und Umut.

Ein paar Tage noch gehörten dem „Hoffenheimer Balljungen“ die Schlagzeilen, dann beruhigte sich die Lage wieder. Aber ich musste die Geschichte seitdem ganz oft erzählen! Der Abend des 9. September 2017 hat für Umut und auch für mich eine prägende Lebenserfahrung bereitgehalten – und dafür gesorgt, dass wir fortan beim Balljungen-Briefing neben den Ansagen „kein Zeitspiel“ usw. eine Regel hinzugefügt haben: „Gebt niemandem eure Telefonnummer!“

Im Sommer 2019 habe ich eine neue berufliche Herausforderung angenommen, bin aber der TSG immer noch sehr verbunden. Und auch zu Umut habe ich noch Kontakt. Ich freue mich sehr, dass er immer noch in der TSG-Akademie ist und als U17-Spieler bereits zum U19-Kader gehört. Dieser Bayern-Abend verbindet uns.«

Ein Blick zurück: 9. September 2017 | 2:0-Sieg gegen den FC Bayern

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