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SPIELFELD
16.05.2023

Kramarić: „Die TSG ist mein Zuhause“

Andrej Kramarić ist der Rekordtorjäger der TSG Hoffenheim. Auch in dieser Saison hat der Angreifer, der kurz vor seinem 100. Bundesligator steht, dem Klub durch wichtige Treffer sehr geholfen und die TSG in der Rückserie von Rang 18 auf einen Nichtabstiegsplatz geführt. Im SPIELFELD-Interview spricht der zweimalige WM-Medaillengewinner gewohnt meinungsstark über die Vorliebe für Drucksituationen, prägende Gespräche mit seinem Vater sowie die Erziehung seines Sohnes.

Pellegrino Matarazzo hat Dich nach dem 1:2 in Freiburg explizit hervorgehoben und gesagt, dass Du der Spieler bist, der die TSG zum Klassenerhalt schießen kann. Was bedeutet Dir so eine Aussage, ist sie auch ein Beleg für Deine Verdienste im TSG-Trikot?

„So etwas von deinem Trainer zu hören, ist natürlich ein gutes Zeichen und ein schönes Lob. Aber es wäre ja auch nicht das erste Mal. Auch 2016, als ich nach Hoffenheim kam, waren wir in einer schwierigen Situation, ich habe starke Leistungen gebracht und auch dank meiner Tore haben wir den Abstieg verhindert. In der Champions League und Europa League habe ich ebenfalls getroffen und viele gute Spiele gemacht. Ich denke, die Menschen bei der TSG wissen, dass sie sich auf mich verlassen können.“

Hast Du in diesem Jahr an Deine erste Spielzeit und den damaligen Kampf um den Klassenerhalt gedacht?

„Klar, diese Erinnerungen kommen zurück. Aber wenn du in die Spiele gehst, hast du keine Zeit für Erinnerungen. Du musst fokussiert sein und alles dafür geben, zu gewinnen. Auch aufgrund der Erfahrungen hatte ich nie Angst, dass wir absteigen. Die darf man auch nicht haben, denn dann versteckt man sich. Man muss den Druck nutzen, um noch fokussierter zu sein. Es gibt im Abstiegskampf keine Zeit für Trauer und Sorge.“

Vor der Aussage des Trainers wurdest Du in Freiburg nicht eingesetzt – obwohl Du schon zum Wechsel gerufen worden warst. Dann aber kam die Rote Karte für Ozan Kabak dazwischen und Du bist draußen geblieben. Was geht in so einem Moment in Dir vor?

„Ich war sauer, das ist aber glaube ich ganz normal und muss auch so sein. Es gab zwar Gründe für die Entscheidung, aber ich bin ehrlich und denke, dass ich spielen muss. Das geht aber nicht nur mir so, sondern jedem Fußballer. Vor zehn Jahren ist mir das in Kroatien schon einmal passiert – und auch damals war ich wütend. Der Fußball hält positive und negative Emotionen bereit und ist dadurch eine gute Schule für das Leben.“

Wie kann ein Trainer Dich nach so einer Situation wieder mental zurückholen?

„Das ist dann erstmal schwierig. Es ist auch keine einfache Situation, weil ich in so einem Moment auch an all die guten Spiele und wichtigen Tore denke, die ich für die TSG gemacht habe. Der Trainer musste nach der Roten Karte umdenken, hat eine Entscheidung getroffen und ich war sauer. Aber im Fußball hat man keine Zeit, sich lange zu ärgern und muss sich sofort auf das nächste Spiel vorbereiten. Das habe ich gemacht.“

Im nächsten Spiel gegen Hertha hast Du in der Startelf gestanden und zwei Elfmeter verwertet. Du hast in einer schwierigen Situation als Tabellenletzter gegen einen direkten Kontrahenten Verantwortung übernommen…

„Das war genau das, was ich mir vorgenommen hatte. Vorangehen und dem Druck standhalten. Man muss in so einer schwierigen Situation, sorry, Eier zeigen und mir war es wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Ich möchte generell viele Mitspieler sehen, die selbstbewusst sind und Stärke zeigen – das fordere ich von den Jungs und habe das nach dem Spiel gesagt. Darum wollte ich unbedingt schießen. Wir mussten gewinnen, der Druck war hoch, doch ich habe ihm zweimal standgehalten.“

Du hast Dich zu einem absoluten Führungsspieler entwickelt, bist stellvertretender Kapitän. Ist es Dir wichtig, voranzugehen?

„Ich brauche keine Kapitänsbinde. Das ist auch ohne das Amt mein Anspruch, schon durch mein Alter und meine Erfahrung. Ich glaube, dass mich die Spieler auch ohne Binde akzeptieren, aber dennoch ist es schön, das Vertrauen zu spüren. Vor und nach den Spielen sowie Trainingseinheiten spreche ich viel mit den Jungs, gebe ihnen Tipps und rede mit ihnen auch mal über die Erfolge und Erlebnisse mit der Nationalmannschaft. Da merke ich, dass die Jungs mich nochmal mit anderen Augen sehen.“ (lacht)

Wenn es mal nicht lief bei der TSG, hast Du nie kritische Töne gescheut, ehrlich und offen Kritik geäußert. Möchtest Du damit die Mannschaft und den Verein manchmal wachrütteln?

„Definitiv. Von einem Führungsspieler werden klare Ansagen verlangt. Und ich habe das so gelernt. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu meinem Vater, er war in meiner gesamten Laufbahn – insbesondere früher – immer sehr ehrlich und direkt. Das hat mich immer nach vorn gebracht und mir geholfen, auch wenn er manchmal vielleicht ein bisschen zu streng war. Es war nicht immer einfach, aber ich fand das gut. Er hat Kritik geäußert und stets Disziplin gefordert.“

Jeder junge Fußballer kennt, dass die Eltern draußen stehen und viel verlangen…

„Mein Vater hat mich immer gefördert und weiß mehr über Fußball als 80 Prozent der Trainer, die ich hatte. Er hat mir viele wichtige Tipps gegeben und ein sehr gutes Gespür für den Umgang mit Menschen – und speziell mit mir. Wenn man Leistungssportler werden will, dann benötigt man einen gewissen Druck. Und den habe ich durch meinen Vater immer gespürt. Es ist auch sein Verdienst, dass ich nun so charakterstark bin und eine gute Mentalität habe. Auch in wichtigen Spielen belastet mich der Druck nie, oft beflügelt er mich sogar. Ich liebe Situationen, in denen du gewinnen musst, in denen es um alles geht. Dann weiß jeder: Du musst alles zeigen, du kannst dich nicht verstecken, wenn du am Ende nicht heulend auf dem Boden liegen möchtest. Dass ich diese Situationen so mag, liegt sicher auch am mentalen Training durch meinen Vater. Wir sprechen immer noch nach den Spielen und er gibt mir Tipps. Auch nach zwei WM-Medaillen und fast 100 Bundesliga- Toren predigt er mir die gleichen Dinge: Du musst auf dem Boden bleiben, realistisch sein. Man weiß nie, was in der Zukunft passiert.“

Inwiefern ist das noch immer eine Hilfe?

„Du musst als Fußballprofi stets die Augen offenhalten und deine Ziele anvisieren. Und manchmal, wenn es zu gut oder zu schlecht läuft, ist der Blick ein wenig vernebelt. Ich glaube, deshalb haben auch viele junge talentierte Spieler ihre Karrieren ruiniert. Sie haben den Boden unter den Füßen verloren oder waren nicht bereit für das, was sie erwartet. Deshalb versuche ich immer, realistisch und ehrlich zu sein – lebe das vor und fordere das auch ein. Ich hasse Alibi-Verhalten. Das gilt auch fürs Privatleben. Wenn es um Freunde oder die Familie geht, möchte ich, dass alles offen angesprochen wird und bin überzeugt davon, dass das viel besser ist. Deswegen ist mir das auch im Fußball sehr wichtig – auch wenn viele Psychologen das vielleicht anders sehen.“

Mittlerweile bist Du selbst Vater eines Sohnes. Nimmst Du die Rolle Deines Vaters ein, hast Du vor, ebenfalls sehr streng zu sein?

„Ich bin eigentlich ganz weich. (lacht) Ich muss ganz ehrlich sagen, dass das für mich schwierig wird, wenn mein Sohn mal im Verein spielt. Ich würde auch ehrlich zu ihm sein, aber noch ist es so, dass ich nicht streng sein kann. Und manchmal war es trotz guter Absichten meines Vaters auch zu viel. Aber er hat es aus Liebe getan und wollte mir immer nur helfen. Mein Sohn ist nun eineinhalb Jahre alt, sehr süß und wir spielen die ganze Zeit zusammen. Stand jetzt werde ich ihn beim Fußball nicht so kritisieren, das bringe ich nicht übers Herz. Vielleicht wird das dann die Aufgabe meiner Frau.“ (lacht)

Ihr habt nach 14 Bundesliga-Spielen ohne Sieg dreimal nacheinander gewonnen. Was ist in den Köpfen der Spieler passiert?

„Warum es erst in die eine Richtung und dann in die andere Richtung ging, kann ich nicht wirklich erklären, da wir auch vorher gut trainiert haben. Wir haben uns dafür aber lange nicht belohnt. Manchmal, das sage ich immer, benötigt man im Leben einfach Glück. Und nun sind wir auf dem richtigen Weg. Wenn man zehn Punkte aus vier Spielen holt und darunter ein 1:1 beim FC Bayern München ist, gibt dir das einfach ein geiles Gefühl. Und wenn man sich gut fühlt, kommen auch gute Ergebnisse.“

Ihr habt in der schwierigen Phase auch einige Teamaktivitäten und Mannschaftsabende gehabt. Hat das geholfen, um Euch als Gruppe nochmal zusammenzuschweißen?

„Das war definitiv sehr hilfreich. Im Abstiegskampf benötigt man positive Energie und eine gute Atmosphäre. Aber wenn man immer nur verliert, ist das natürlich schwierig. Darum tut es gerade in so einer Situation mal gut, gemeinsam abzuschalten, zusammen Spaß zu haben oder auch mal einen zusammen zu trinken. (lacht) Manchmal muss man sich ablenken und neue Kraft tanken, indem man nicht nur über Fußball redet.“

Hat es Euch geholfen, dass Ihr eine verhältnismäßig reife Mannschaft seid?

„Ich glaube schon, aber am Ende geht es nicht um das Alter, sondern um den Einsatz. Wenn du mutig, furchtlos und motiviert bist, marschierst du. Das muss man hervorkitzeln. Denn dass wir eine gute Mannschaft sind, wussten wir immer. Aber man muss es vor allem im Abstiegskampf zeigen, das ist uns zum Glück in den vergangenen Wochen gelungen.“

Mit vielen Spielern wie Oliver Baumann, Pavel Kadeřábek, Ermin Bičakčić oder Kevin Vogt hast Du nun viele gemeinsame Jahre verbracht, fast wie damals mit den Jungs in der Schule. Ihr seid in der Zeit gemeinsam gereift, habt viel erlebt, einige sind Väter geworden.

„Dass so viele Spieler schon so lange hier sind, sagt alles über die TSG Hoffenheim aus. Das ist kein Zufall. Wir sind dem Verein so lange treu, weil wir uns hier sehr wohlfühlen, wie eine Familie zusammengewachsen und Freunde geworden sind. Das ist fast das größte Kompliment, das man der TSG Hoffenheim als Spieler machen kann. Viele Menschen von außerhalb verstehen den Klub vielleicht nicht und auch nicht, warum man als Spieler hierher wechselt und nicht mehr weg möchte. Es gibt hier wie überall Vor- und Nachteile, aber für mich, für uns Spieler, muss man sagen: Die TSG ist eine Top-Adresse und ein wirklich toller Klub.“

Hat es Dich geärgert, dass einige Experten Dich zwischendurch schon abgeschrieben haben?

„Ich lese keine Berichte. Ich halte diese Diskussionen aber für falsch. Wenn man sieht, was Spieler wie Messi, Modrić oder Benzema mit weit über 30 noch leisten, sollte man nicht so viel über das Alter diskutieren. Im Laufe der Karriere verändert man seine Spielweise ein wenig – und passt sie an die körperlichen Entwicklungen an. Vielleicht agiere ich auch deshalb momentan öfter mal ein wenig mehr als zentraler Mittelfeldspieler. Mein Ziel ist es, immer Top-Leistungen zu bringen.“

Du hast mit Kroatien zwei WM-Medaillen gewonnen und mit der TSG in der Champions League gespielt. Im Vergleich zu den Top-Torjägern der Bundesliga hattest Du weniger internationale Top-Duelle, hast dafür aber konstant für die TSG getroffen. Wie bewertest Du die vergangenen Jahre?

„Natürlich können andere Spieler behaupten, dass sie bei erfolgreicheren Vereinen spielen und dort mehr Möglichkeiten haben, Tore zu schießen und Titel zu gewinnen. Aber ich habe mich bei der TSG immer super gefühlt. Es ist wie mein Zuhause, mit der Familie, mit Freunden, den Mitarbeitern und auch Menschen wie Alexander Rosen und Dietmar Hopp. Ich muss mich bei allen bedanken, mir geht es sehr gut in Hoffenheim.“

Hättest Du es damals für möglich gehalten, so lange zu bleiben?

„Ich hätte es mir nie erträumt, so eine lange Reise mit einem Klub zu erleben. Das ist etwas ganz Besonderes und wird mir irgendwann im Rückblick auf meine Karriere immer in bester Erinnerung bleiben. Ich habe auch besondere Beziehungen zu meinem Heimatklub Dinamo Zagreb, aber die TSG ist für mich nochmal spezieller, weil ich hier in der Bundesliga spiele, in ein fremdes Land gekommen bin und unheimlich viele tolle Dinge erlebt habe. Darauf werde ich einmal sehr stolz sein. Es gab in den vergangenen Jahren ja auch zwei-, dreimal konkrete Gespräche mit dem FC Bayern. Aber am Ende bin ich immer in Hoffenheim geblieben und hier glücklich.“

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