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SPIELFELD
18.10.2021

Geiger: „Ich habe ans Aufhören gedacht“

Hinter Dennis Geiger liegt eine schwierige Zeit, in der er sich mit sich selbst auseinandergesetzt hat. Mehrere Verletzungen warfen den 23-Jährigen immer wieder zurück und sorgten dafür, dass der Mittelfeldspieler oftmals nur zuschauen konnte, anstatt der Mannschaft auf dem Platz helfen zu können. Im großen SPIELFELD-Interview spricht Hoffenheims Nummer acht über die schwierigste Zeit seiner bisherigen Karriere, Selbstzweifel sowie die Vertragsverlängerung bei der TSG und neue Angriffslust.

Dennis, die ersten acht Spieltage sind absolviert. Wie hat Dein Körper die Belastung verkraftet?

„Ich fühle mich gut und bin zum Glück endlich fit und gesund. Das war für mich nicht selbstverständlich in den vergangenen Jahren. Es klingt immer etwas doof, wenn ein Spieler sagt, dass es das Wichtigste ist, gesund zu sein. Aber bei mir ist es wirklich der Fall. Die aktuelle Lage gibt mir mental Kraft.“

Machst Du Dir auf dem Platz noch Gedanken über die Verletzung oder kannst Du das komplett ausblenden?

„Das belastet mich überhaupt nicht mehr. Wenn ich auf dem Rasen stehe, konzentriere ich mich nur auf das Spiel oder das Training. Alles andere ist dann unwichtig. Ich verhalte mich genauso wie vor meiner ersten Verletzung und habe keine Angst, dass etwas passieren könnte.“

Würdest Du sagen, dass Du schon wieder bei Deiner kompletten Leistungsfähigkeit bist?

„Es ist im Moment schwer zu sagen, was hundert Prozent bei mir sind. Das kann ich selbst nicht einschätzen. Dafür war ich einfach zu lange raus. Nur weil ich im Training komplett mitziehen kann, heißt es nicht, dass ich die nötige Matchhärte habe. Ich glaube im Moment ehrlich gesagt nicht, dass ich bereits drei Partien nacheinander durchspielen kann. Das wird noch etwas dauern. Aber ich bin auf einem guten Weg und zuversichtlich, dass ich das alte Level schon bald erreichen werde.“

Entsprechend nimmt Dich auch Cheftrainer Sebastian Hoeneß immer wieder an einem Spieltag aus der Startelf. Wie gehst Du damit um?

„Es ist aus meiner Sicht normal, dass man sich nach so einer langen Zeit in einem Spiel besser fühlt und in der nächsten Woche das Gefühl hat, dass es nicht so gut läuft. Natürlich will ich immer spielen und sitze nicht gern auf der Ersatzbank. Das weiß jeder, der mich kennt. Dafür bin ich viel zu ehrgeizig. Aber ich kann die Situation mittlerweile deutlich besser einschätzen. Es ist nicht so wie vor den Verletzungen. Insgesamt fühle ich mich gut und bin einfach nur dankbar, dass ich wieder auf dem Rasen stehen darf. Wenn ich gebraucht werde, bin ich bereit. Und ich bin in einem guten Austausch mit dem Trainerteam.“

Auf dem Platz bist Du ein Lautsprecher und gehst voran. Willst Du in Zukunft noch mehr Verantwortung übernehmen?

„Ich denke, dass das mit meiner Art Fußball zu spielen automatisch geschieht. Ich will immer gewinnen und kann damit vielleicht auch den ein oder anderen Kollegen mitreißen. Ich gehe gern voran. Aber nach so einer langen Verletzungspause guckt man erstmal auf sich selbst. Das dauert dann wieder, bis man bereit ist, die anderen mitzuziehen und auch mal aufzuwecken.“

Deine Körpersprache war immer sehr gut, Dein Körper hat aber öfter mal Probleme bereitet, zuletzt im Winter 2020, als Du Dich schwer am Oberschenkel verletzt hast. Wie hast Du die erneute Enttäuschung verkraftet?

„Viele denken, dass es leichter zu verarbeiten ist, wenn man die Situation kennt, aber für mich war es sogar schlimmer als bei den vorherigen Verletzungen. Es war wieder die gleiche Stelle am Oberschenkel und ich wusste sofort, wie schlimm es ist. Beim ersten Mal im März 2018 dachte ich: Okay, das ist meine erste Muskelverletzung. Das wird schon wieder. Aber dieses Mal wusste ich von Anfang an, was es bedeutet. Natürlich habe ich mir danach Gedanken gemacht. Warum ich? Warum jetzt? Warum zum dritten Mal ich? Aber wenn es passiert ist, kann man es nicht mehr ändern. Die ersten drei bis vier Wochen waren extrem schlimm. Ich war nur zu Hause, habe mir viele Gedanken über mich gemacht und gefragt, ob es überhaupt noch Sinn ergibt, weiterhin Fußball zu spielen. Da habe ich ans Aufhören gedacht. Das war der bisher schlimmste Monat meines Lebens.“

Du meinst die Zeit nach der Diagnose?

„Ja, als es im Dezember diagnostiziert wurde. Ähnlich schlimm war es dann im Februar, als klar war, dass ich operiert werden muss, weil es einfach keinen Sinn mehr ergeben hat. Mit einer konservativen Behandlung konnte die Verletzung nicht mehr heilen. Meine Karriere wäre dann vorbei gewesen. Es ist dann, glaube ich, auch normal, dass man sich viele Gedanken über sich selbst macht. Über die eigene Leidenschaft, die man eigentlich als Beruf ausüben will. Ob weitermachen noch sinnvoll ist, weil es schon der dritte, vierte Rückschlag war.“

Hast Du mal an der fußballerischen Zukunft gezweifelt?

„Ich bin ehrlich mit der Situation umgegangen und wusste, was die Verletzung für mich bedeutet. Ich spiele erst seit vier Saisons in der Bundesliga und habe davon zusammengerechnet zwei Jahre verletzt gefehlt. Und zwar nicht mit irgendwelchen kleinen Blessuren, sondern mit zwei schweren Oberschenkelverletzungen und einer Schambeinentzündung. Dann ist es aus meiner Sicht normal, dass man als Spieler auch solche Gedanken hat oder vor allem als Mensch. Die Zweifel an einem selbst sind dann einfach menschlich.“

Was hat Dir in der Zeit Mut gegeben?

„Ich wurde super unterstützt vom Verein, meiner Familie und meiner Freundin. Sie haben immer wieder zu mir gesagt: ‚Du hast es schon zweimal geschafft, das klappt auch noch ein drittes Mal!‘ Sie standen immer zu mir und waren eine starke Schulter an schlechten Tagen. Sie haben mich dazu motiviert, die Reha auch in dunklen Momenten durchzuziehen. Das hat mir viel Kraft gegeben. Aber ich wusste natürlich auch selbst, nachdem dann die ersten zwei, drei Wochen vorbei waren, dass ich es schon mal geschafft habe, auf das Level zu kommen. Und ich wusste auch, dass mir eigentlich nichts anderes übrigbleibt, als jeden Tag in der Reha alles zu geben und an das Gefühl zu denken, wieder mit den Jungs auf dem Platz zu stehen. Ich glaube, dass mir das am meisten Kraft gegeben hat. Ich bin froh und dankbar, dass ich jetzt wieder zurück bin und machen darf, was ich am meisten liebe.“

Hast Du dieses Mal etwas anders in der Reha gemacht?

„Ich war auch mal fünf Wochen raus aus der Region, nach München, damit ich den Kopf freibekomme. Nach Absprache mit der TSG sollte ich nicht jeden Tag vor Ort in Zuzenhausen sein und die Jungs beim Training sehen, sondern einfach mal auf andere Gedanken kommen. Es tat mir unglaublich weh, die Mannschaft beim Training zu beobachten und selbst nicht dabei sein zu können. Das war ein schlimmes Gefühl.“

Wie war das bei den Spielen? Hast Du manchmal den Fernseher ausgeschaltet, weil Du Dich hilflos gefühlt hast?

„Ja, das habe ich dann zum ersten Mal gemacht. In den ersten vier Wochen konnte ich überhaupt kein Fußball gucken. Nicht im Stadion und nicht am Fernseher. Weder Hoffenheim noch irgendein anderes Spiel. Es ging einfach nicht. Es hat in mir etwas Negatives ausgelöst und das Gefühl wollte ich nicht mit dem Fußball verbinden. Und deswegen habe ich es einfach gelassen. Aber nach einem Monat ging es wieder. Dann war der erste große Frust vorbei.“

So eine Zeit ist sehr prägend. Hast Du Dich dadurch verändert?

„Auf jeden Fall. Bei jedem Training merke ich, wie froh ich bin, dass ich Fußball spielen kann und mit den Jungs auf dem Platz stehen darf. Ich bin viel dankbarer für alles, was ich erleben darf. Ich habe es zu schätzen gelernt, das machen zu dürfen, was einem Spaß macht. Vor allem, wenn man es in der Vergangenheit nicht ausführen durfte. Und das ist bei mir Fußball spielen. Viel mehr brauche ich nicht, um glücklich zu sein.“

Du hast nicht nur die gesamte Rückrunde bei der TSG, sondern auch die U21-EM verpasst. Wie hast Du das verkraftet?

„Das war das Schlimmste. Es tat unglaublich weh, die Rückrunde zu verpassen in Hoffenheim. Aber auf die Europameisterschaft habe ich jahrelang hingearbeitet. Es war meine letzte Chance bei einer Junioren-EM dabei zu sein. Im Dezember lautete das Ziel noch, dass ich für die EM fit sein will. Aber nachdem im Februar klar wurde, dass ich operiert werden musste, stand fest, dass ich das Turnier verpassen werde. Ich habe die Mannschaft in der Qualifikation als Kapitän aufs Feld geführt und hätte, glaube ich, auch bei der EM eine gute Rolle gespielt. Wenn man dann sieht, dass die Jungs den Titel holen, wäre man natürlich gern dabei gewesen. Ich habe es den Jungs total gegönnt und freue mich immer noch für sie, aber für mich war es eine harte Zeit, weil ich so gern dabei gewesen wäre.“

Bei der U21-Nationalmannschaft warst Du bereits Kapitän. Stefan Kuntz hat in Dir einen Führungsspieler gesehen. Nun bist Du endlich wieder fit und greifst bei der TSG wieder an. Würdest Du Dir das Amt perspektivisch auch in der Bundesliga zutrauen?

„Es ist natürlich etwas anderes, wenn man mit Gleichaltrigen spielt oder im Verein mit Spielern, die teilweise sieben oder acht Jahre älter sind. Ich habe mit Stefan Kuntz (ehemaliger Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft, Anm. d. Red.) darüber gesprochen, ob ich das Kapitänsamt will. Die Erfahrungen werden mir mit Sicherheit auch in meiner Entwicklung im Verein helfen. Es bringt aber nichts, darüber zu reden. Wichtiger ist es, die geforderten Eigenschaften auf dem Platz und auch in der Kabine zu zeigen. Du musst nicht immer 90 Minuten mit dem Schiedsrichter reden, aber die Körpersprache muss die anderen mitreißen. Und das traue ich mir auf jeden Fall zu und will diese Rolle auch einnehmen.“

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