Happy auf der Überholspur
Bei der Ortseinfahrt in Zuzenhausen auf dem Weg zum Trainingszentrum der TSG Hoffenheim ist Vorsicht geboten, schließlich werden die Autofahrer sowohl aus Richtung Hoffenheim als auch von Meckesheim aus von Blitzersäulen in einer Tempo-30-Zone begrüßt. Bazoumana Touré hätte mit seinem gelaufenen Top-Speed die Sensoren ausgelöst, mehr als 36,2 km/h im Spiel bei Borussia Mönchengladbach bedeuten den Geschwindigkeitsrekord für einen TSG-Spieler – nicht nur in dieser Saison, sondern allgemein. Der 19-Jährige löst ein, was sich die Verantwortlichen von ihm versprochen haben. Tempo, Tiefgang – und in der Zukunft hoffentlich zahlreiche Tore.
Denn der Ivorer gilt als Top-Talent, das im vergangenen Jahr in Schweden für Aufsehen sorgte. Für Hammarby IF sammelte er in 23 Spielen 13 Torbeteiligungen – auf seiner ersten Station in Europa. Raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer Skandinavien. „Ich war gerade 18 Jahre alt, als ich nach Schweden gewechselt bin“, sagt Touré im Rückblick. „Ich musste mich vor allem an das Wetter gewöhnen, das hat mich zu Beginn sehr müde gemacht. Im Sommer ist es den ganzen Tag hell, im Winter dafür fast gar nicht. Und wenn es in Schweden kalt ist, ist es richtig kalt“, sagt der mittlerweile 19-Jährige mit einem schüchternen Lächeln.
Denn so richtig aus sich raus kommt der in der Nähe der ivorischen Hauptstadt Abidjan geborene Offensivakteur nur auf dem Fußballplatz. Abseits des Rasens wirkt er zurückhaltend, dann merkt man, wie jung er noch ist. Gleichzeitig ist er aber eine Frohnatur, sein breites Lächeln ist gewinnend. Dementsprechend wurde er sehr schnell nach seiner Ankunft im Kraichgau im vergangenen Winter aufgenommen – von Mannschaft und Staff gleichermaßen.
„Das ist ein toller Junge, es macht Spaß, mit ihm zu spielen“
Andrej Kramarić über Bazoumana Touré
Einer, der große Stücke auf den temporeichen Ivorer hält, ist Andrej Kramarić. Der TSG-Rekordtorschütze, der beim Spiel gegen den 1. FSV Mainz 05 (2:0) zwei Vorlagen von Touré verwertete, ist voll des Lobes für das Top-Talent: „Das ist ein toller Junge, es macht Spaß, mit ihm zu spielen“, sagte der Kroate über seinen neuen Teamkollegen, der aber nicht nur öffentlich von der TSG-Legende gestärkt wird. „Andrej achtet sehr auf mich, auch im Training“, sagt Touré, der einen Mentor in Kramarić gefunden hat: „Er versucht, mir viel zu zeigen und zu erklären, wie ich ein noch besserer Spieler werden kann.“ Seine eigene Leistung stellt Touré aber nicht in den Vordergrund, ihm geht es um das Team. „Es ist schön, wenn Leute wie Andrej das sehen und mich dafür loben.“
Mit seinem Wechsel nach Europa im März 2024 hat Touré seine Heimat und Familie verlassen, einzig sein Berater hat ihn aus Afrika nach Europa begleitet. Der Kontakt ist jedoch intensiver denn je: „Ich telefoniere jeden Tag mit meinen Eltern, auch mit meinen Geschwistern habe ich so gut wie täglich Kontakt.“ Das kann für Touré durchaus eine abendfüllende Aufgabe sein, schließlich hat er fünf Schwestern und einen Bruder, der ebenfalls Fußball spielt und vom Sprung nach Europa träumt. Bazoumana ist das mittlere Kind, er hat drei ältere und drei jüngere Geschwister. Seine Eltern gaben ihm den Glauben mit, der ihn auch bis nach Hoffenheim begleitet hat. „Sie haben mir gesagt, dass es immer hilft, an Gott zu glauben und dass man durch das Beten im Leben vorankommt“, sagt Touré.
Aufgewachsen in einem kleinen Dorf unweit von der Hauptstadt Abidjan, gemessen an der Einwohnerzahl die fünftgrößte Stadt Afrikas, begann er früh mit dem Fußballspielen. Er schaute auf zu Yaya Touré, dem ivorischen Top-Star, trotz gleichem Nachnamen weder verwandt noch verschwägert mit ihm. „Der Nachname ist sehr geläufig in der Elfenbeinküste“, sagt er und lacht, als er darauf angesprochen wird.
Seinem gleichnamigen Vorbild folgend hofft auch der 19-Jährige auf große Momente in seiner Karriere. „Wenn man aus der Elfenbeinküste kommt, ist die WM-Teilnahme immer ein Traum, aber gleichwertig ist für mich auch der Wunsch, einmal in der Champions League zu spielen.“ Sein Lieblingsverein ist der FC Barcelona, nachdem er als Kind ein Trikot von den Katalanen bekam. „Aber ohne Beflockung, in der Elfenbeinküste ist man froh, überhaupt so ein Trikot aus Europa zu bekommen.“
________________________
Faible für Fernost-Filme
Eine große Leidenschaft von Bazoumana Touré lässt sich schon auf den ersten Blick auf sein Instagram-Profil erahnen. Auf seinem Profilbild ist der Ivorer als Zeichentrickfigur zu sehen, der „Ghibli“-Style ist nicht nur ein aktueller Trend auf Social Media, sondern auch Teil von Tourés Alltag. Der 19-Jährige ist großer Fan von japanischen Anime-Serien und -Filmen, die charakteristisch für ihre Zeichnungen mit großen Augen und umfangreichen Farbpaletten sind. „Mittlerweile ist es ein Ritual von mir geworden, dass ich sowohl vor als auch nach dem Spiel immer eine Folge von einer Anime-Serie schaue“, berichtet Touré, der zugleich eine Empfehlung ausspricht. „Mein Lieblings-Anime ist Naruto, aber das ist ja ein großer Klassiker und weltweit bekannt. Aktuell schaue ich aber auch gern Solo Leveling, eine Verfilmung eines ursprünglich aus Südkorea stammenden Romans.“
________________________
Bei Duellen mit den Top-Akademien des Landes stach er heraus, im Alter von zwölf Jahren wechselte er in die Akademie des Rekordmeisters ASEC Mimosas, der fast alle Top-Stars aus der Elfenbeinküste entwickelt hat. Schon mit 16 Jahren war er gut genug für die erste Mannschaft, avancierte dort schnell zum Stammspieler und sicherte sich auch den Meistertitel. Die Anfragen aus Europa häuften sich. „Mir wurde nahegelegt, dass ein Wechsel nach Schweden der richtige Schritt für mich ist“, sagt Touré, der dafür auch Angebote von vermeintlich größeren Namen ausschlug. „RB Salzburg wollte mich auch verpflichten und gerade in Afrika hat der Klub einen herausragenden Ruf für den ersten Schritt in Europa, doch bei Hammarby hatte ich die größere Aussicht auf sofortige Spielzeit, das war das Entscheidende für mich.“
Also ging es nach Stockholm, wo er sich nicht nur an die neuen klimatischen Bedingungen gewöhnen musste, sondern auch an einen ihm bisher nur wenig bekannten Zustand: Ruhe. „In Abidjan ist immer Hektik, immer Trubel. Schweden hingegen ist ruhig und entspannt. Es war ein gutes Umfeld für meine erste Station außerhalb Afrikas.“
Nun will er also in Hoffenheim die nächsten Schritte gehen. Das Niveau sei „viel, viel höher“ als in Schweden, aber sein Durchbruch verlief genauso schnell wie in Schweden, wie zuvor in der Elfenbeinküste. Zuerst als Joker im Einsatz, an den Spieltagen 27 bis 33 dann stets in der Startelf. Die Rückrunde war nicht einfach für die TSG, auch nicht für einen jungen Spieler zum Hineinfinden. Doch in der neuen Saison will er angreifen. Natürlich wieder mit höchstmöglicher Geschwindigkeit.

