Die TSG zu Gast bei Freunden
Der 13. Juli 2014 ist ein historisches Datum. Für die meisten Fußballbegeisterten, da sich die deutsche Nationalmannschaft an diesem Tag im Maracana gegen Argentinien den vierten WM-Titel sicherte. Doch auch einige etwas weniger talentierte Fußballer aus dem beschaulichen Lauffen erlebten an diesem Sonntag den größten Moment ihrer sportlichen Laufbahn: Sie trafen mit den in der Bezirksliga beheimateten Sportfreunden auf die TSG Hoffenheim. Und obwohl die Partie 0:8 ausging und kein Lauffener dem Trainer zeigen konnte, dass er besser ist als Mario Götze oder zumindest Sebastian Rudy, genossen die Lauffener das für sie historische Duell, wie der Erste Vorsitzende Steffen Baumann betont: „Das war der größte Tag in der Geschichte der Sportfreunde.“
Das Testspiel zwischen dem Bezirks- und Bundesligisten vor rund 1.200 Zuschauern schaffte es sogar in die überregionalen Medien. Allerdings aus einem Grund, den die Gastgeber gern vermieden hätten. Denn in der 53. Minute zeigte Lukas Losch seinem Coach, dass er zwar nicht besser als Sebastian Rudy ist, aber deutlich langsamer. Ein missglücktes Tackling endete auf dem Sprunggelenk des Hoffenheimers, der im Anschluss ausgewechselt werden musste. „Rudy verletzt sich beim ersten Test“ titelte die BILD-Zeitung danach – und Losch erhielt eine lokale Prominenz, auf die er gern verzichtet hätte.
Elf Jahre später. Die Sportfreunde stehen erneut vor einem Duell mit der TSG. Die in direkter Nähe zum Neckar gelegene Anlage hat sich ein wenig verändert. Neben der urigen hölzernen Haupttribüne ist ein „VIP-Block“ entstanden, ansonsten sieht vieles noch aus wie an jenem 13. Juli 2014. Im Kabinentrakt hängt sogar ein Relikt aus der Partie, das die Sportfreunde vor jedem Training an das Duell mit dem Bundesligisten um die damaligen Stars Roberto Firmino und Niklas Süle erinnert: ein Foto, fein säuberlich angepinnt. Es zeigt das Foul von Losch an Rudy. Dass die Szene noch immer nicht vergessen ist und mittlerweile als Anekdote bei jeder Feierlichkeit hervorgekramt wird, hat dabei durchaus Konsequenzen: Der mittlerweile nur noch in der zweiten Mannschaft aktive Losch, der im Sommer seine aktive Laufbahn beendet und im März 2026 Erster Vorsitzender des Klubs wird, wurde intern für das Traumspiel „gesperrt“, wie Baumann augenzwinkernd erzählt: „Dieses Risiko wollen wir nicht eingehen. Das haben wir schon geklärt.“
Eine elfjährige Sperre für Duelle mit der TSG – Losch nimmt die Rekordstrafe gelassen: „Es ist wohl für alle besser, wenn ich nicht dabei bin“, sagt er und lacht laut. Und fügt an: „Ich freue mich trotzdem auf das Spiel, das wird ein großer Tag für den Verein.“ Das sieht auch Baumann so. Und er muss es wissen. Sein Vater spielte bereits für die Sportfreunde, er selbst engagiert sich seit Jahrzehnten für den Klub. Vor der Sportanlage steht ein Schild mit der Aufschrift: „Parkplatz reserviert für 1. Vorstand Steffen Baumann“. Der frühere Spieler hat den Klub nicht nur abseits des Feldes für die Zukunft aufgestellt: Sohn Zino ist Kapitän und Leistungsträger des Teams. Drei Generationen Sportfreunde.
Mai 2025, rund zwei Monate sind es noch bis zum großen Duell. Das Team trainiert. Zino Baumann betritt den Rasen im TSG-Trikot. Es gibt einige Hoffenheim-Fans im Lauffener Kader, bei ihm verhält es sich anders. Und zwar maximal anders: Seine Leidenschaft gilt dem VfB Stuttgart. Einen Interessenskonflikt sieht er nicht, zumal Lauffen eng mit der TSG vernetzt ist. Zum einen durch die Kooperation im AOK-Campus, aber auch durch den früheren Hoffenheimer Sponsoring-Leiter Arnfried Lemmle, der in Lauffen erst Spieler und dann Trainer war. Und zudem durch Ex-Spieler Damir Sunijc, der mittlerweile mit dem HOFFEXPRESS durch die Region tourt und die Sportfreunde immer mal wieder mit Trikots versorgt. So auch Zino Baumann, der 2014 noch Einlaufkind war. Doch nun wird auch sein Traum vom Duell mit den Profis wahr: „Für Jungs wie uns ist das wohl das Spiel des Lebens. Die Chance zu haben, gegen Stars zu spielen, die man ansonsten nur aus dem Stadion oder Fernsehen kennt, ist unglaublich.“
Lauffen ist als Außenseiter laut Baumann Junior darauf bedacht, „nicht zweistellig zu verlieren“, aber der Klub geht immerhin mit dem Selbstbewusstsein ins Spiel, Spitzenreiter der „Ewigen Tabelle der Bezirksliga Franken“ zu sein. Dass die Sportfreunde, die ihre besten Zeiten dank der Tore des in Lauffen als „Bomber“ bekannten Stürmers Marco Herbst in den 90er Jahren hatten, als der Klub erstmals in die Landesliga aufstieg, ein stetes Mitglied der Bezirksliga sind, liegt zu kleinen Teilen auch an Mallorca: Als die Sportfreunde vor zwei Jahren endlich mal wieder die Aufstiegsrelegation erreicht hatten, stand die Rückkehr in die Landesliga kurz bevor. Nach dem 4:0-Sieg gegen Schornbach fehlte nur ein Erfolg für den Sprung nach oben – doch dann kam das Urlaubsparadies ins Spiel. Das Team hatte schon vor langer Zeit eine Mannschaftsfahrt auf die Baleareninsel geplant – und trat diese pflichtbewusst zwischen den mittwochs und sonntags ausgetragenen Relegationsspielen an. Wie es sich für Lauffen gehört, wurde sich auch auf Mallorca nicht geschont. Mit dem Nebeneffekt, dass die Mannschaft gegen Pleidelsheim beim 0:2 im Endspiel um den Aufstieg die Kräfte verließen. „Tja, das ist ein bisschen blöd gelaufen“, sagt auch Zino Baumann und lacht.
Eine passende Anekdote für einen Verein, dessen Slogan „Koi normale Mannschaft“ ist. Das Motto steht auch für Zusammenhalt, worunter theoretisch auch die Mallorca-Reise fällt. Doch eigentlich soll es andere Dinge hervorheben, wie der Kapitän erklärt: „Ich glaube, wir sind ein Klub, der sehr viel über die Mentalität kommt, sehr viel Teamgeist hat und bei dem sich die Spieler sehr mit dem Verein identifizieren. Da es bei uns im Gegensatz zu einigen Konkurrenten nicht viel zu verdienen gibt, spielen wir nur erfolgreich Fußball, wenn alle zu 100 Prozent dabei sind und vollen Einsatz zeigen. Das zeichnet uns aus, und darum spielen andere Teams nie gern gegen uns.“
André Winkler fördert diese Einstellung. Der Spielertrainer, für den das Duell mit der TSG das Karriereende als Aktiver bedeutet, will sich gegen den Bundesligisten so teuer wie möglich verkaufen. Darum hat er zu außergewöhnlichen Methoden gegriffen: „Wir nehmen das Spiel so ernst, dass wir zehn Tage vorher mit der Vorbereitung beginnen. Ganz ohne Training in so eine Partie zu gehen, wäre ja brutal.“ Zwar gilt der Vorsatz des 32-Jährigen, „es gibt keine Freundschaftsspiele, es gibt nur Testspiele“, gegen Hoffenheim nur bedingt, dennoch sagt er: „Wir wollen uns nicht abschießen lassen und nach 40 Minuten Krämpfe haben. In der vergangenen Saison standen wir defensiv sehr gut und hatten in der Offensive eher Probleme. Aber die stabile Abwehr ist gegen die TSG wohl wichtiger.“ Eine zweite Causa Losch soll aber unbedingt vermieden werden: „Wir wollen natürlich niemanden verletzen. Auch für mich ist das ein ganz besonderes Spiel und der perfekte Abschied als Spieler. Was kann es Schöneres geben? Alle sollen den Tag genießen.“
Um den bestmöglichen Rahmen zu bieten, hat der Kooperationspartner der TSG bereits mit den Vorbereitungen auf den Höhepunkt des Sommers begonnen. Die Holztribüne soll im besten Fall noch gestrichen, das dahintergelegene Sportheim umfunktioniert werden. Abteilungsleiter Marc Strohmaier erhofft sich durch die Partie neben einem besonderen Tag auch besondere Einnahmen. „Das erste Spiel gegen die TSG hat den Klub sicherlich geprägt. So ein Tag spült natürlich Geld in die Kassen, das ist für einen kleinen Verein wie uns sehr wichtig. Wir erwarten wieder mehr als 1.000 Zuschauer. Die Wirtschaft hat einen Hintereingang, wir werden sie mit der angrenzenden Tribüne als VIP-Zone nutzen. Hier werden nach dem Spiel auch Interviews gegeben.“
Dass die in die Jahre gekommene Tribüne noch immer steht, liegt an fehlenden finanziellen Mitteln – hat aber auch nostalgische Gründe, wie der seit Jahrzehnten im Klub tätige Strohmaier erklärt: „Wir hatten vor langer Zeit mal überlegt, die Gaststätte zu erweitern und eine große Glaswand hin zum Platz einzubauen. Aber zum einen fehlte ein Sponsor – und zum anderen ist die Tribüne wirklich schön. Sie bietet bei schlechtem Wetter Schutz und es hallt auch richtig, wenn ein bisschen was los ist. Wir konnten uns nicht von ihr trennen.“
Dort, mit bestem Blick auf den Rasen, wird auch Lukas Losch das Spiel verfolgen. Neben einem schönen Nachmittag, einem akzeptablen Ergebnis für die Sportfreunde und einer netten Feier im Anschluss hat er noch einen weiteren Wunsch: „Sebastian Rudy ist ja als Scout zur TSG zurückgekehrt. Vielleicht kommt er ja auch – dann kann ich mich endlich für das Foul von damals entschuldigen.“

