Munas Dabbur: Mit Hand und Fuß
Die Zeit des Stillstands bedeutete für Munas Dabbur einen großen Fortschritt. Der 27-Jährige nutzte die Zwangspause in der Bundesliga für einen ungewöhnlichen Biathlon: Tagsüber arbeitete er an seiner Reha, abends begeisterte er Fans und Experten als E-Sportler an der Playstation. Ein ungewöhnliches, aber sehr erfolgreiches Doppelleben. Die übrigen Profis versuchten in den eigenen vier Wänden ihr Fitnesslevel zu halten, Dabbur holte in der Reha mächtig auf. Nach seinem am 23. Spieltag erlittenen Riss der Bizepssehne des rechten Knies war ein vorzeitiges Saisonende befürchtet worden – nun ist eine Rückkehr in der aktuellen Spielzeit fest eingeplant. Für Dabbur fühlte es sich an, als habe jemand die Zeit angehalten – nur nicht für ihn: „Das Gefühl, Boden gutzumachen, hat mich sehr motiviert. Ich habe viel aufgeholt und trainiere schon wieder mit dem Ball. Ich werde sicher in dieser Saison noch zur Verfügung stehen.“
Wenn die Beine während der Reha-Phase endlich Pause hatten, rückten die Hände in den Fokus des Geschehens. An der Konsole lieferte der Angreifer überragende Leistungen und sorgte für Erstaunen und Bewunderung in der digitalen Fachwelt. Der Hobby-Gamer gewann gegen E-Sport-Profis und feierte internationale Triumphe – all das mit einer attraktiven Spielausrichtung. Das spektakuläre Kurzpass-Feuerwerk beeindruckte auch die Kommentatoren: „Perfect“, „brilliant“ und „best player in this tournament“ jubilierten die englischen Experten etwa, als Dabbur im Halbfinale des Plan-B-Cups den Arsenal-Keeper Bernd Leno bezwang – der immerhin Inhaber eines E-Sports-Teams ist.
Neben dem Sieg beim internationalen Turnier, bei dem auch Profis wie Patrick Schick (Leipzig), Krzysztof Piątek (Hertha BSC), Romelu Lukaku (Inter Mailand), Granit Xhaka (FC Arsenal), Timothy Fosu-Mensah (Manchester United), Dejan Lovren (FC Liverpool) und Michael Gregoritsch (FC Schalke 04) antraten, gelang ihm im April sein Meisterstück: Der TSG-Angreifer besiegte FIFA-Weltmeister Mohammed Harkous, in der Szene bekannt als „MoAuba“. Ein unglaublicher Erfolg im mittlerweile hochprofessionellen E-Sport. Von einem Amateur auf der Konsole besiegt worden zu sein, veranlasste den Profi, der das Duell auf seinem YouTube-Kanal zeigte, zu einer Huldigung: „Das ist definitiv der beste Fußballer auf der Konsole“, postete MoAuba – und dazu ein Bild von seinem WM-Sieg, in das er Dabburs Gesicht auf seinen Körper setzte.
Gründung eines eigenen E-Sports-Teams
Ein Fußballprofi, der an der Konsole die E-Sport-Profis schlägt – andersherum ein unvorstellbares Szenario. Nur für Munas Dabbur kam die vermeintliche Sensation gar nicht so überraschend. Er kennt die Branche bestens, hat mit seinem Bruder jüngst das E-Sports-Team MD9ESPORTS in Israel gegründet und hatte bereits im Vorjahr Platz 22 der FIFA-Weltrangliste der Weekend-League erreicht. Das Selbstvertrauen war also schon vor den erfolgreichen Wochen groß: „Ich spiele seit mittlerweile rund 20 Jahren FIFA und weiß, dass ich in einem Spiel jeden schlagen kann und ich nicht weit weg von der Spitze bin. Aber ich muss schon zugeben, dass professionelle E-Sportler auf einem ganz anderen Level unterwegs sind. Den Weltmeister zu schlagen, war deshalb etwas ganz Besonderes. Mir haben danach auch unglaublich viele Menschen geschrieben, weil er in der Szene ein absoluter Star ist. MoAuba ist ein cooler Typ.“
Auch Marcel Schwarz sah den Triumph. Dabburs Partner, der in der von der Deutschen Fußball Liga ausgerichteten „Bundesliga Home Challenge“ im gemeinsamen TSG-Team ebenfalls auftrumpft, zollt seinem prominenten Mitspieler Respekt: „Dass er schon mehrere professionelle E-Sportler geschlagen hat, sagt einiges über seine Qualität aus. Er ist einer der stärksten Spieler in der Home Challenge, wenn nicht sogar der stärkste. Er wirkt sehr konzentriert und spielt unglaublich dominant. Er zieht seinen Spielstil komplett durch. Das finde ich sehr beeindruckend.“Neben seiner Erfahrung macht auch das derzeit besonders intensive Training Dabbur so stark. „Sechs bis sieben Stunden“ spielt er momentan an den Wochenenden und „drei bis vier“ an den übrigen Tagen, sagt er. Sorgen vor Rückenproblemen hat er aufgrund seines „speziellen Sessels“ nicht. Er betont aber: „Wenn das Training wieder richtig losgeht, werde ich wieder weniger spielen. Da wir im nächsten Monat ein Baby erwarten und meine Frau gerade extrem viel für ihr Medizinstudium lernt, passt es einfach derzeit. Sie ist froh, wenn sie ihre Ruhe hat“, sagt er und lacht.
Lob von den Mitspielern
Mannschaftsintern werden die virtuellen Glanzleistungen ebenfalls registriert. In der WhatsApp-Gruppe gibt es Lob, viele Mitspieler schauen sich die Spiele live an. Ein Umstand, der für Dabbur einen Haken hat, wie er augenzwinkernd erzählt: „Sie wissen natürlich, wie gut ich bin und trauen sich nicht, gegen mich anzutreten.“ Dafür wird teamintern über Aufstellungen und Torschützen gewitzelt – besonders mit Kumpel Andrej Kramarić. „Er ist mein bester Torschütze und trifft leider häufiger als mein eigener Spieler. Das ärgert mich schon ein wenig. Wenn ich höher führe, versuche ich deshalb immer, mit mir zu treffen. Dass macht auch nach all den Jahren noch am meisten Spaß.“
Die allergrößte Freude bereitet aber noch immer das reale Toreschießen. Mit seiner bisherigen Ausbeute bei der TSG hadert der zweifache Torschützenkönig der österreichischen Liga, der nach seiner sehr erfolgreichen Zeit bei Red Bull Salzburg nur ein halbes Jahr für den FC Sevilla spielte. Zwei Pokal-Treffern gegen den FC Bayern stehen null Tore in der Bundesliga gegenüber. Die Saison-Verlängerung bietet nun die unverhoffte Chance, die Bilanz noch in dieser Saison zu verbessern: „Ich habe zwar gute Spiele gehabt, aber die Ausbeute reicht mir natürlich nicht. Ich hoffe, dass ich nach meiner Verletzung schnell in Form komme und im Endspurt noch mit Toren dazu beitragen kann, dass wir den Europapokal erreichen.“ Denn daran lässt er keinen Zweifel: Entscheidend ist auf dem Platz. Und zwar auf dem echten.