Jan Schindelmeiser im Interview Teil 1
Herr Schindelmeiser, Hoffenheim hatte mit den Top-Teams Bayern München und Bayer Leverkusen sowie mit der Partie gegen Schalke 04 am Samstag ein schwieriges Auftaktprogramm. Lastet durch die beiden Niederlagen zu Beginn der Rückrunde bereits jetzt ein erhöhter Druck auf der Mannschaft?
Der Saisonauftakt mit Bayern, Leverkusen und Schalke kann schon als anspruchsvoll bezeichnet werden. Wir müssen diese Aufgaben als Herausforderung begreifen. Vor diesem Hintergrund haben sie schon wieder einen besonderen Reiz. Ein gewisser Druck begleitet uns permanent. Das ist im Hochleistungssport völlig normal.
Eines der gestellten Ziele von 1899 ist es, sich in der Bundesliga langfristig einen festen Platz zu sichern. Bereits in dieser Saison räumten viele Medien Hoffenheim eine gute Rolle im Kampf um das internationale Geschäft ein. Stimmen Sie dieser Einschätzung (noch) zu?
Eines der elementaren Themen im Profifußball ist die Erwartungshaltung. Die Mannschaft hat die Messlatte durch die erfolgreiche erste Bundesliga-Saison sehr hoch gelegt. Wir haben dem Kader im Sommer von außen weiter Substanz zugeführt. Dass sich daraus Fragen nach höheren Saisonzielen ergeben, kann ich grundsätzlich verstehen. Dieser verständliche Anspruch darf uns aber nicht den Blick trüben für unsere eigentliche, von den Aufgeregtheiten des Tagesgeschäfts losgelösten Zielen: den Klub langfristig fest in der Bundesliga zu etablieren. Sportlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich.
In wieweit hat der kurzfristige sportliche Erfolg Einfluss auf das Bleiben von Leistungsträgern wie z.B. Carlos Eduardo nach Saisonende?
Wir haben gerade eine Reihe von Verträgen langfristig verlängert. Dies ist auch ein Bekenntnis der Spieler zum Klub. Ihre Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Die Entscheidung, einem Transfer zuzustimmen liegt bei uns. Dafür müssten schon ausgesprochen attraktive Angebote vorliegen. Klar ist aber auch: je erfolgreicher wir die Saison abschließen, desto geringer wird die Anfälligkeit für Anfragen von außen sein.
Auf der einen Seite gilt es junge, talentierte Spieler zu entwickeln, auf der anderen Seite steht dem der sportliche Erfolg gegenüber. Wie schwer ist dieser Spagat?
Dies muss kein grundsätzlicher Widerspruch sein, wie die letzten Jahre gezeigt haben. Es ist eine der schwierigsten Aufgaben, mit den kurzfristigen sportlichen Ansprüchen und den eher langfristigen sportlichen und wirtschaftlichen Zielen zu balancieren. Kurzfristig den internationalen Wettbewerb zu postulieren und gleichzeitig weiterhin Spieler zu verpflichten, die nicht älter als 22 Jahre sind, wird schwer deckungsgleich zu bekommen sein.
Wie beurteilen Sie die Situation der eigenen Nachwuchskräfte, die bereits im Kader stehen, aber auch der aktuellen U23 und U19? Gibt es Grund zur Hoffnung, dass Talente wie jüngst Andreas Ludwig den Sprung schaffen können?
Die Jungs haben sich kontinuierlich weiterentwickelt. Je höher unser Niveau im Profikader, desto schwieriger für den Nachwuchs, sich einen Platz im Kader zu erkämpfen. Durch die vielen angeschlagenen Spieler haben sie im Augenblick die Chance, auf sich aufmerksam zu machen.
Seit Anfang Januar trainiert die Mannschaft im neuen Trainings- und Geschäftsstellenzentrum in Zuzenhausen. Zusätzlich wird dort die U23 untergebracht sein. Was bedeutet dieser Schritt für die Zukunft von 1899 Hoffenheim?
Ein bedeutender Schritt für den Klub. In Zuzenhausen ist das gesamte „Fußball-Unternehmen" erstmals unter einem Dach vereint. Mehr als 120 Mitarbeiter einschließlich Spieler und Funktionsteams halten sich beinahe täglich auf dem Gelände auf. Die Bedingungen für Profis und U23 sind top. Die hier geschaffene Infrastruktur wird die Arbeit im Klub für lange Zeit prägen. Der ganzheitliche Charakter wird durch den Umstand unterstrichen, dass unser ehemaliges Trainingsgelände in Hoffenheim nach dem Umbau neue Heimat für unsere U16, U17 und U19 nebst Internat wird.
Hoffenheim machte viele positive Schlagzeilen in den vergangenen drei Jahren. Es kamen aber auch Geschichten hinzu, die man vermutlich gerne vermieden hätte, wie die verspätete Doping-Kontrolle von Christoph Janker und Andreas Ibertsberger, das Sommertheater um Demba Ba oder zuletzt die Ungewissheit im Fall Prince Tagoe. Ärgern Sie sich über diese Themen oder sehen Sie in gewisser Weise auch einen (Lern-)Prozess für Hoffenheim darin?
Selbstverständlich. Auch dies ist Teil unserer Entwicklung. Überall wo engagiert gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht. Wir sehen uns als lernendes System. Das heißt, wir sollten die einmal gemachten Fehler nicht regelmäßig wiederholen. Dass wir zukünftig keine neuen machen werden, kann ich nicht versprechen.
Den zweiten Teil des Interview finden Sie hier:
Interview Jan Schindelmeiser Teil 2 »
Erschienen im achtzehn99-Stadionmagazin am 24. Januar 2010.