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AKADEMIE
25.03.2022

Adem Karaca: Gestern TSG, heute Barra FC

Neun Jahre war Adem Karaca Trainer in der TSG-Akademie, ehe er einen Job beim Barra FC annahm und sich im Frühjahr 2020 in das Abenteuer Brasilien stürzte. Trotz Corona-Unterbrechung baute er mit den Kollegen vor Ort eine starke Jugendabteilung auf, deren U17 bei der Staatsmeisterschaft von sich reden machte. Jetzt war Karaca mit drei Barra-Talenten in Hoffenheim zu Besuch.

Eine gute Viertelstunde dauert die Autofahrt vom aktuellen Trainingsgelände des Barra FC bis in die von unzähligen Hochhäusern gesäumte Innenstadt von Balneário Camboriú. Adem Karaca gönnt sich in einem der vielen Sandwich-Läden gemeinsam mit dem deutschstämmigen Athletiktrainer Lucas Roesler aus São Paulo einen Salat und einen Vitaminsaft. Die beiden tauschen sich über die gerade absolvierte Einheit aus, auf Portugiesisch. Karaca ist nach pandemiebedingten Startschwierigkeiten im Süden Brasiliens angekommen.

Der gebürtige Weinheimer begann seine Trainerlaufbahn im Sommer 2011 bei der TSG, arbeitete zunächst im Kinderzentrum und sammelte später wertvolle Erfahrungen als Co-Trainer im Leistungszentrum. Unter anderem assistierte er den heutigen Profi-Trainern Domenico Tedesco, Pellegrino Matarazzo und Marcel Rapp, mit dem er die erfolgreiche Youth-League-Saison 2018/19 erlebte. Nach einem kurzen Intermezzo als U15-Chefcoach beim FC-Astoria Walldorf nahm Karaca das Angebot an, als sportlicher Koordinator die Jugendabteilung beim Barra FC mit aufzubauen – und reiste im Januar 2020 voller Tatendrang nach Brasilien.

Aus Straßenkickern eine Mannschaft geformt

Gemeinsam mit Frederico Falconi, der zuvor erfolgreich im Futsal gearbeitet hatte, und Lucas Roesler stellte er mit Talenten des Jahrgangs 2005 eine U15 zusammen. „Wir haben vier Wochen lang Sichtungsturniere besucht, mehrere Probetrainings veranstaltet und Mitte Februar 2020 angefangen, mit Jungs aus dem ganzen Land regelmäßig zu trainieren“, so Karaca. „80 Prozent der damals gescouteten Spieler sind immer noch beim Barra FC.“ Dann kam die Corona-Pandemie. Mitte März brach Karaca seine Zelte wieder ab und reiste vorerst in die Heimat. Über Videocalls hielt er während des Lockdowns den Kontakt zu den Spielern, und er nutzte die freie Zeit, um ein Fußballvokabular aufzubauen, perfekt Portugiesisch zu lernen und als Co-Trainer der U16 in Hoffenheim auszuhelfen.

Über ein Jahr blieb Karaca in Deutschland. Erst Anfang Juli 2021 ging es wieder zurück in den Bundesstaat Santa Catarina, um mit seinen Kollegen die Arbeit fortzusetzten. „Unser Auftrag ist es, TSG-Knowhow in Bezug auf Trainingsvorbereitung und -durchführung beim Barra FC zu implementieren und einen geeigneten Mix aus brasilianischem Talent und deutschen Tugenden herzustellen“, so der 31-Jährige. „Es geht darum, die TSG-Philosophie auf die brasilianische Realität runterzubrechen, weitere Talente zu sichten und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bestmöglich auszubilden.“ Aktuell kann der Barra FC auf eine für brasilianische Verhältnisse sehr ordentliche Infrastruktur zurückgreifen, künftig wird nahe der Stadt Itajaí ein neues Zentrum entstehen, das neue Maßstäbe setzen und den kleinen Klub für Top-Talente im ganzen Land interessant machen soll.

Karaca übernahm zum Saisonstart 2021 die U17, Falconi zeichnete für die U15 verantwortlich. „Zu Beginn hatten wir keine Mannschaft, sondern eine Ansammlung von Straßenkickern.“ Mit einer Sondergenehmigung durften beide Teams in der höchsten Staatsliga antreten und hielten sich gegen die etablierten Traditionsklubs schadlos. Die U17, die mit 2005er Jahrgängen gegen 2004er antrat, blieb in der regulären Saison ungeschlagen und ohne Gegentor, scheiterte dann aber im Halbfinale der Staatsmeisterschaft denkbar knapp an Criciúma (0:1, 1:1). „Das war eine sehr ordentliche erste Saison“, sagt Karaca – der deutsche Trainer mit türkischen Wurzeln, der den brasilianischen Jungs TSG-Fußball beibringt. Besonders in Erinnerung geblieben ist Karaca eine Auswärtsfahrt ins 450 Kilometer westlich gelegene Concórdia. „Wir haben mit unserem alten Bus satte elf Stunden gebraucht, das hat ziemlich geschlaucht.“ Immerhin nahm die Karaca-Truppe einen 2:0-Sieg mit auf die Heimfahrt, die dann sogar 13 Stunden dauerte.

Herausragende Erfahrung in Hoffenheim

„Wir haben sehr gute Bedingungen, das Wetter ist unfassbar gut, nur manchmal muss man hier eben mit Unwägbarkeiten rechnen“, sagt Karaca. „Was montags früh besprochen wird, kann schnell Geschichte sein, coronabedingt kam es zudem immer wieder zu kurzfristigen Absagen. Die Arbeitsmentalität unterscheidet sich etwas von der deutschen und die Jungs im U17-Alter befinden sich in der Hochphase der Pubertät, das macht es auch nicht immer einfach.“ Karaca kann Klischees bestätigen („Die Fußball-Leidenschaft der Brasilianer ist enorm“), aber auch mit Vorurteilen aufräumen: „Dass es hier übermäßig Disziplin-Probleme gibt, kann ich nicht bestätigen.“ Was ihm imponiert: „Wenn die Jungs vor einem Spiel den Kreis formen und der Kapitän das letzte Wort hat, ist das ein sehr emotionaler Moment, und eine unglaubliche Energie fließt durch die ganze Mannschaft.“

Karacas Arbeit trägt Früchte. Kürzlich war der ehemalige TSG-Trainer mit drei Talenten für zwei Wochen in der TSG-Akademie zu Gast. Stürmer Bruno Branco (16), Mittelfeldspieler Lucas Nunes (16) und Verteidiger Gabriel Jesus (U15) trainierten mit der Hoffenheimer U17, durchliefen leistungsdiagnostische sowie sportliche Tests und genossen ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm. „Für mich persönlich war es wie heimkommen und ein schönes Gefühl, mich in gewohnter Umgebung zu bewegen und viele bekannte Gesichter wiederzusehen“, so Karaca, der auch als Übersetzer fungierte. „Für die Jungs war es eine herausragende Erfahrung, über die sie in Brasilien voller Stolz berichten werden.“ Und für die TSG-Verantwortlichen war es ein erster Gradmesser, um sich ein Bild zu machen von dem, was beim Barra FC gerade entsteht.

Zwölf Stunden Flug nach São Paulo, im Anschluss ein einstündiger Inlandsflug nach Navegantes und noch einmal 30 Minuten Bustransfer – die vier Besucher sind wohlerhalten nach Balneário Camboriú zurückgekehrt. Für Adem Karaca beginnt jetzt wieder der brasilianische Alltag. Zur neuen Saison, die Ende April startet, übernimmt er die neu geschaffene U20 (eine U19 gibt es nicht), zu der auch Branco, Nunes und Jesus gehören werden. Dieses Trio hat den Auftakt gemacht, weitere Talente sollen in regelmäßigen Abständen folgen. Karaca arbeitet daran.

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