Jürgen Ehrmann: „Ich schlafe definitiv ruhiger“
Hallo Jürgen, herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag. Hast du Wünsche für dein neues Lebensjahr?
„Ja, die habe ich. Vor allem hoffe ich natürlich, dass wir die schwierige Zeit, in der wir uns gerade befinden, schnell hinter uns bringen. Ich habe in den vergangenen Monaten viele Kleinigkeiten zu schätzen gelernt, auf die wir momentan verzichten müssen. Dazu zählt beispielsweise, sich einfach mal mit Freunden zu treffen. Ich bin jedenfalls voller Tatendrang und habe noch zahlreiche Ideen, die ich in Zukunft umsetzen will, zum Beispiel Fliegenfischen oder ein bisschen in der Bergen herumkraxeln.“
Das vergangene Jahr hielt für dich eine große Veränderung bereit: Nach zwölf Jahren als Chef-Trainer hast du dein Amt niedergelegt und bist nun als sportlicher Leiter tätig. Wie hast du diesen Übergang erlebt?
„Am Anfang war für mich erstmal Erholung angesagt und ich habe den Sommer für mehrere Urlaube genutzt. Da habe ich mich schon gefragt, wie das vorher laufen konnte, als diese Zeit durch die vielen Termine in der Vorbereitung immer verplant war. Von der Mannschaft habe ich mich dann in den ersten Wochen bewusst distanziert, um beim Neuanfang nicht dazwischenzufunken. Das war aber alles ganz entspannt. Es hat sich in den vergangenen Monaten auch gerade aufgrund der Corona-Pandemie einmal mehr gezeigt, dass die Konstellation, gleichzeitig als Lehrer und als Chef-Trainer tätig zu sein, kaum mehr haltbar gewesen wäre. Der Online-Unterricht ist deutlich zeitaufwendiger, durch Präsenz-Unterricht lassen sich die Kontakte kaum einschränken.“
Mit welchen neuen Aufgaben beschäftigst du dich nun als sportlicher Leiter?
„Im Sommer habe ich damit begonnen, mir einen Überblick zu verschaffen: Ich habe vor allem unsere Juniorinnen-Mannschaften beim Training und den Spielen besucht und so die Trainerinnen und Trainer und auch die Spielerinnen aller Altersklassen kennengelernt. Diesen Prozess musste ich dann leider Corona-bedingt unterbrechen. Es ist auf jeden Fall schön, mal neue Sichtweisen kennenzulernen. Im Jugendbereich sind die Schwerpunkte einfach anders. Es geht nicht nur darum, die Spielerinnen sportlich auszubilden, sondern sie auch mental zu stärken. Wir haben dazu viele sehr motivierte und junge Trainerinnen und Trainer, die mit unglaublich viel Spaß bei der Sache sind.“
Welche weiteren Ziele hast du die für deine Arbeit gesetzt?
„Zum einen steht im Fokus, die Spielerinnen im Verein bestmöglich auszubilden. In der Frauenmannschaft gibt es eine sehr klare Spielphilosophie, die sich in Zukunft auch in den Jugendteams wiederfinden soll. Das Ziel ist es, den Spielerinnen schon im jungen Alter einige Prinzipien näherzubringen, die Übergänge zwischen den Mannschaften sollen so noch fließender sein. Zum anderen geht es aber auch darum, Talente von außerhalb kennenzulernen, deren Entwicklung zu verfolgen und Kontakte zu knüpfen. Leider ist es ja gerade nicht möglich, selbst direkt vor Ort zu sichten. Durch meine lange Arbeit im Frauenfußball habe ich aber schon ein großes Netzwerk, das will ich weiter pflegen und ausbauen. Das geht nicht von heute auf morgen und bedarf großer Sorgfalt. Es muss viel organisiert und dokumentiert werden.“
Derzeit bist du außerdem sehr intensiv in den Trainingsbetrieb der U20 eingebunden. Wie kam es dazu?
„Es war sowieso geplant, dass ich in den Trainingsbetrieb der Nachwuchsteams eingreife, aber natürlich nicht in dem Umfang, wie es derzeit der Fall ist. Krankheitsbedingt fehlt Co-Trainer Rüdiger Stober unserer U20 nun schon seit Längerem und für mich ist es selbstverständlich, dass ich dann unterstütze. Ich hatte so die Möglichkeit, umfangreich Eindrücke von der Mannschaft zu sammeln. Es sind viele sehr ehrgeizige Spielerinnen dabei, die auch supergut kicken können. Natürlich werden es nicht alle bis in die Bundesliga schaffen. Bei manchen reicht es am Ende aufgrund ihrer sportlichen Perspektive nicht, anderen fehlt vielleicht die richtige Einstellung.“
Die TSG belegt in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga nach 14 Spieltagen den dritten Tabellenplatz. Wie beurteilst du den bisherigen Saisonverlauf?
„Die Mannschaft hat zunächst ein bisschen gebraucht, um sich zu finden. Hinzu kamen anfangs ein paar verletzungsbedingte Ausfälle, sodass der Start in die Spielzeit etwas holprig lief. Ich bin sehr glücklich, dass sich nun alles eingespielt hat und die Leistungen und die Ergebnisse wirklich gut sind. Ich fiebere bei jedem Spiel mit und juble, wenn wir ein Tor schießen. Aber die Anspannung ist schon eine andere. Ich schlafe definitiv ruhiger.“
Fast genau acht Monate liegt das letzte Spiel der vergangenen Saison zurück, bei dem du noch als Trainer an der Seitenlinie standest. Wie sehr fehlt dir das noch?
„Wie man merkt, bin ich sehr gut eingebunden. Es gibt viel zu tun und zu organisieren und ich versuche mich bestmöglich in allen Bereichen einzubringen. Zum Beispiel bin ich auch Teil einer Arbeitsgruppe im Rahmen des DFB-Projekts „Zukunft Fußball – weiblich“, bei dem die Vereine ins Boot geholt werden, um die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland voranzutreiben. Ich bin sehr zufrieden, so wie es ist.“
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