Alle Ergebnisse TSG eSPORTS TSG IST BEWEGUNG TSG Radio
MÄNNER
17.03.2020

„Ich möchte einfach wie ein normaler Mensch behandelt werden“

Die Coronavirus-Pandemie stellt das Land vor ungekannte Herausforderungen, auch der Fußball als Teil dieser Gesellschaft ist davon betroffen. Ohnehin hatte die Bundesliga zuletzt negative Schlagzeilen geschrieben, die Frage nach dem Ausmaß der Kommerzialisierung hatte die Debatte bestimmt, die zutiefst beleidigenden Anfeindungen einiger „Ultras“ zudem eine Diskussion über den Umgang und die Grenzen der Meinungsfreiheit entfacht. Im Interview nehmen Dietmar Hopp, Mehrheitsgesellschafter der TSG Hoffenheim, sowie TSG-Geschäftsführer Frank Briel Stellung zu diesen Fragen.

Die Fußball-Bundesliga pausiert nun aufgrund der Corona-Pandemie, zunächst bis zum 2. April. Wie bewerten Sie diese Entscheidung der DFL?

Dietmar Hopp: „Diese Pause ist absolut geboten, weil die Gesundheit der Menschen im Vordergrund stehen muss. Da kann und darf es keine zwei Meinungen geben. Der Fußball kann sich nicht abkoppeln von der Gesellschaft – und wir tun gut daran, in dieser absoluten Krisen- und Ausnahmesituation keine Sonderrolle zu beanspruchen.“

Frank Briel: „Alle andere Fragen müssen da hintenanstehen – und das sage ich auch bewusst in meiner Funktion als Geschäftsführer der unter anderem für die Finanzen verantwortlich ist. Gleichwohl ist es auch unsere Aufgabe, Szenarien zu entwickeln, wie es weitergehen kann. Dabei sind wir eng abgestimmt und agieren natürlich auch ein wenig ohne Netz, denn fast stündlich stehen wir vor einer veränderten Situation.“

Es hätte auch andere Szenarien als die sofortige Pause gegeben, erklärten zuletzt Klubvertreter mit Verweis auf die finanziellen Folgen. Der Bundesliga gehen pro Spieltag rund 75 Millionen Euro an TV-Einnahmen verloren. 

Briel: „Die aktuelle Corona-Krise ist für Gesellschaft und Wirtschaft eine noch nie dagewesene Herausforderung und damit auch für die Ansammlung der überwiegend mittelständischen Profiklubs. Die finanziellen Folgen sind für jeden einzelnen Lizenzverein leicht zu ermitteln. Die Abhängigkeit der Klubs von den Medien-, Sponsoring- und Zuschauereinnahmen ist immens. Der Spielbetrieb stellt unsere wirtschaftliche Grundlage dar. Die Fußballindustrie zeichnet als Arbeitgeber für rund 56.000 direkte und indirekt Beschäftigte verantwortlich. Ganz plakativ gesprochen, es geht schlichtweg für viele Klubs um ihre nackte Existenz. Von daher ist es aus meiner Sicht verständlich und zugleich die Verpflichtung der Deutschen Fußball Liga und aller Klubs sämtliche Szenarien für die Erhaltung des Profifußballs und den Tag X zu analysieren. Da gilt es nun, gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen.“

Hopp: „Vor diesen Problemen stehen zahllose kleine und mittlere Unternehmen in diesem Land, und viele Menschen müssen ungemeine Einschränkungen und Belastungen in Kauf nehmen. Dort gilt das Gleiche wie im Fußball: Es schlägt die Stunde der Solidarität. Der Starke hilft dem Schwachen. Ich würde mir wünschen, dass dieser sehr naheliegende Solidaritätsgedanke bei allen Protagonisten der Bundesliga Konsens ist. Für den professionellen Fußball heißt es: Wie müssen den Solidargedanken auch finanziell so unterfüttern, dass wir eine Lösung für die Klubs finden, die von den Einbußen existentieller betroffen sind als andere Vereine. Ich hege durchaus Sympathie für die Idee eines Solidarfonds, um dieser Ausnahmesituation zu begegnen. Da darf es keine Denkverbote geben. Wir bei der TSG werden ganz sicher eine Idee ausarbeiten, wie wir als Klub der Region unseren Beitrag in dieser Notsituation leisten können.“

Die durch die Ausbreitung des Coronavirus ausgelöste Krise erscheint als nicht beherrschbar. Das gesellschaftliche Leben kommt fast zum Erliegen, sämtliche Sport-Großereignisse bis hin zur Fußball-Europameisterschaft oder Olympia in Tokio stehen auf der Kippe.

Briel: „Niemand kann aufgrund der einzigartigen Dynamik bei der Ausbreitung des Virus guten Gewissens oder voller Überzeugung sagen, wie die Welt, auch die Sportwelt, in sechs Wochen aussieht. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Wir fahren alle auf Sicht.“

Hopp: „Wir werden, so viel scheint mir nach vielen Gesprächen mit Virologen, Forschern und Experten klar, sehr viel Geduld haben müssen. Eine Tugend, die nicht jedem gegeben ist.“

Sie selbst, Herr Hopp, haben viel Geduld bewiesen. Sie sind fast seit Gründung der Hauptinvestor der Firma CureVac, investierten dort seit 2006 mehr als 150 Millionen Euro. Nun ist das Tübinger Unternehmen plötzlich weltweit bekannt, weil es an der Herstellung eines Impfstoffs für den Coronavirus Sars-CoV-2 forscht.

Hopp: „Mein privates finanzielles Engagement im Biotech-Sektor ist den meisten Menschen gar nicht so präsent, obwohl ich in diesem Segment bei vielen Start-ups insgesamt bereits rund 1,5 Milliarden Euro investiert habe. Ich habe in dieses damals sehr junge Unternehmen CureVac investiert, weil es innovative Ideen und Forschungsansätze in der Impfstoff-Entwicklung hatte und hat. Die Hoffnung war damals, dass wir ein Mittel gegen den Krebs finden können. Wir wollten gemeinsam helfen, so eine schlimme Krankheit stoppen zu können. Das war und ist mein Antrieb.“

US-Präsident Donald Trump wollte nun die Forscher von CureVac mit viel Geld aus Tübingen in die Vereinigten Staaten locken.

Hopp: „Wir wollen einen Impfstoff für die ganze Welt entwickeln, nicht für ein Land, nicht für bestimmte Schichten, nicht für bestimmte Teile der Erde. Dieser Impfstoff, so er denn erfolgreich entwickelt und getestet wird, soll kein Spekulations- oder Machtinstrument sein, sondern helfen, eine globale Krise helfen einzudämmen. Das wünsche ich mir.“

Umso mehr, und so schließt sich der Kreis förmlich, müssen Sie die Vorwürfe treffen, die zuletzt in Fußballstadien erhoben wurden, wo Sie für bestimmte Ultra-Gruppen als das „Gesicht der Kommerzialisierung“ für deren Protest missbraucht wurden.

Hopp: „Ich habe 1954, nach dem ‚Wunder von Bern’, als 14-jähriger Bub angefangen, bei der TSG Hoffenheim, meinem Heimatklub, zu kicken. Ich durfte dann dank ärztlicher Sondergenehmigung als 17-Jähriger für die 1. Herren der TSG spielen, war sogar noch während meines Studiums in Karlsruhe dabei. Es bedarf schon einer blühenden Fantasie, an meiner Person die Kommerzialisierung des Fußballs festzumachen.“

Sie haben den Klub dann später, als Sie Vorstandsvorsitzender der SAP waren, gefördert.

Hopp: „Ich habe 1989 begonnen, meinen Heimatverein, der soeben in die A-Klasse abgestiegen war, finanziell zu unterstützen – zuvorderst, um die Jugendarbeit zu fördern. Das war meine Bedingung. Noch einmal zu Erinnerung: Wir schrieben das Jahr 1989, da existierte noch die DDR.“

Von Bundesliga war noch keine Rede.

Hopp: „Das Traumziel hieß Oberliga, wo seinerzeit auch der SV Sandhausen spielte. Diesen Traum erfüllte die TSG nach elf Jahren, und mit dem Trainer Hansi Flick aus dem Nachbarort Bammental gelang dann 2001 überraschend der Aufstieg in die Regionalliga. Aber wichtig: Die Jugendarbeit war vorbildlich, die U19 der TSG stieg schon 2005 in die Bundesliga auf, die U17 spielte ebenfalls in der höchsten Spielklasse und wurde 2008 Deutscher B-Juniorenmeister. Zu dieser vorbildlichen Jugendarbeit gehört bei der TSG seit 2001 mehr als nur Fußball. Gleichberechtigt mit dem Sport erhalten alle jungen Spielerinnen und Spieler eine systematische Unterstützung für ihre schulische und berufliche Ausbildung. Der Mensch, nicht der Fußballer steht im Mittelpunkt.“

Die TSG, dieser Eindruck wurde bei den Protesten von interessierter Seite erweckt, sei eine Art persönliches Spielzeug.

Hopp: „Die Ursprungsidee, in der sportbegeisterten Metropolregion Rhein-Neckar wieder einen Bundesligisten zu haben, war ein lang gehegter Wunsch des dortigen Sportarbeitskreises. Ich habe mich bereiterklärt, diese Idee aktiv mitzutragen und zu unterstützen. Die TSG war zu dieser Zeit als Regionalligist sportlich am höchsten qualifiziert und verfügte über eine vorbildliche Nachwuchsförderung. Da lag es auf der Hand, diese Vision für die gesamte Sportregion mit der TSG Hoffenheim anzustreben. Mit der Verpflichtung von Ralf Rangnick 2006 reiften dann die Pläne, es der Jugend nachzumachen und auch die Seniorenmannschaft Richtung Bundesliga zu bewegen.“

Briel: „2006 begann die Phase, das kann ich als Zeitzeuge bestätigen, in der Herr Hopp gezielt investierte, aber immer unter der klaren Vorgabe: Die TSG muss sich so schnell als möglich selbst tragen. Seit 2011, also seit knapp einem Jahrzehnt, hat Herr Hopp keine weitere Einlage in die TSG getätigt.“

Lässt sich das finanzielle Engagement von Herrn Hopp denn konkret beziffern?

Briel: „Dietmar Hopp hat für den Aufbau einer konkurrenzfähigen Mannschaft, einschließlich des Funktionsteams, der medizinischen Abteilung, des Scoutings sowie den Aufbau einer funktionierenden Unternehmensorganisation zwischen 2006 und 2011 rund 230 Millionen Euro investiert. Zudem hat Herr Hopp die notwendige Infrastruktur wie die Arena und das Trainingszentrum samt Geschäftsstelle gebaut und an die TSG vermietet – übrigens für rund fünf Millionen Euro im Jahr.“

Hopp: „Diese Infrastruktur wurde komplett privat, ohne einen einzigen Cent Steuergeld, finanziert. Deshalb ärgert mich die These von der angeblichen Wettbewerbsverzerrung: Wer spricht von den Vereinen, deren Stadien vom Steuerzahler bezahlt wurden? Wer von Klubs, die ein großes Einzugsgebiet und eine fantastische öffentliche, kostenlose Infrastruktur mit Flughäfen und Bahnhöfen haben? Wer debattiert über die Investoren und Großsponsoren anderer Vereine? Wo ziehen wir die Grenze?“

Bei der TSG Hoffenheim ist dafür die SAP Hauptsponsor, jenes Softwareunternehmen, das Sie 1972 mitbegründet haben.

Hopp: „Dessen Aufsichtsrat habe ich 2005, also vor 15 Jahren, verlassen. Natürlich gibt es eine große regionale wie persönliche, vor allem aber auch inhaltliche Nähe zur SAP. Der Partner passt dank unserer gemeinsamen Expertise auf dem Feld der Innovation einfach außerordentlich gut zur TSG Hoffenheim.“

Der Verein steht wirtschaftlich aber glänzend da.

Briel: „Trotz der von Herrn Hopp beschriebenen Fakten gibt es aber eben keinen Automatismus für die Partnerschaft. Das Sponsoring der SAP beläuft sich auf weniger als sechs Millionen Euro im Jahr und liegt damit im Mittelfeld der Liga. Wir sind unserem Partner SAP für die Treue sehr dankbar. Gleichwohl hat die SAP zugleich einen zurecht hohen Anspruch an uns als Partner. Wir bekommen keinen Blankoscheck ausgestellt, wie der ein oder andere unterstellt, der von der TSG als Werksklub fabuliert. Der Klub hat seit 2015 sukzessive Überschüsse erwirtschaftet, insgesamt liegen die Gewinne der vergangenen vier Spielzeiten kumuliert bei mehr als 60 Millionen Euro und auch das laufende Jahr werden wir mit einem fantastischen Ergebnis abschließen. Wir haben gut gewirtschaftet, wie es sich für ein mittelständisches Unternehmen gehört. Denn Profiklubs sind allein aufgrund ihrer Umsatzgröße wie ihrer Beschäftigtenzahl heute genau das – mittelgroße Wirtschaftsbetriebe. Gerade in dieser aktuellen Krise kommt es und zugute, dass wir mit Augenmaß gewirtschaftet haben.“

Hopp: „Aber wirtschaftlich zu denken, ökonomisch vernünftig zu agieren, das bedeutet eben nicht zwangsläufig, Werte wie Solidarität oder Fairness zu missachten. Das ist überhaupt kein Widerspruch. Für mich galt immer der abgewandelte Grundgesetz-Paragraf 14: ‚Eigentum verpflichtet. Reichtum noch viel mehr.‘ So habe ich das privat gehalten und werde mit meiner Stiftung in etwa zwei Jahren die Gesamtsumme von einer Milliarde Euro der Gesellschaft zur Verfügung gestellt haben. Und so verstehe ich auch mein Engagement im Fußball, auch wenn viele das leider nicht verstehen wollen.“

Verstehen Sie beide denn, um quasi den Kreis zum Beginn dieses Gesprächs zu schließen, die Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs?

Briel: „Wir sind uns, denke ich, ja alle einig, dass eine Debatte, gern auch eine lebhafte Diskussion über Grenzen und Ausmaß von Entwicklungen im Fußball angezeigt ist. Wer Ablösesummen und Beratervergütungen betrachtet oder die Gehaltsstruktur bei manchen Klubs, der erkennt, dass der Fußball zunehmend isoliert in einer Blase schwebt. Das muss man thematisieren, dass darf man übrigens auch kritisieren, im Zweifel lautstark. In unserem Fall ging es einzig und allein darum, dass ausgerechnet Herr Hopp in übelster, nicht zu tolerierender Weise beleidigt wird. In diesem Kontext dann auch noch zu sagen, Dietmar Hopp sei ja bloß eine ‚Symbolfigur’ und eigentlich sei das gar nicht so gemeint, ist grotesk.“

Hopp: „Wenn um das Thema Kommerzialisierung im Fußball geht, empfehle ich einen Blick zurück: Die Borussia Dortmund KGaA ist bis dato die einzige börsennotierte Fußballkapitalgesellschaft, der Börsengang im Jahr 2000, zu Zeiten der vermeintlichen ‚New- Economy‘, spülte einen dreistelligen Millionenbetrag in die Kasse. Zu diesem Zeitpunkt spielte die TSG Hoffenheim in der Oberliga gegen den FC Teningen. Vier Jahre später, als der BVB vor dem Ruin stand, stieg dann ein gelinde ausgedrückt dubioser Finanzjongleur mit einem 25%-Anteil sowie 20 Millionen Euro bei der Borussia ein.“

Briel: „Umso irritierender ist es doch, dass die massiven Anfeindungen ausgerechnet aus diesen Reihen begannen. Schon 2008 beim ersten Gastspiel der Dortmunder bei der TSG wurde das widerliche Fadenkreuz-Plakat mit dem ‚Hasta la vista Hopp!‘-Spruchband in die Stadien getragen.“

Herr Hopp, fast drei Wochen sind seit den jüngsten Angriffen gegen Ihre Person vergangen. Wie geht es Ihnen und was wünschen Sie sich denn insgesamt für die Zukunft des Fußballs?

Hopp: „Erst einmal wünschen wir uns alle, völlig unabhängig vom Fußball, dass die Weltgemeinschaft der Corona-Pandemie wirkungsvoll entgegentritt und wir gemeinsam diese große Herausforderung bestehen. Das hat oberste Priorität. Was meine Person betrifft: Natürlich weiß ich, dass es in Fußballarenen bisweilen derbe zugeht. Aber es geht doch nicht um eine emotionale Beleidigung im Fußballstadion. Die muss und die kann ich aushalten. Es geht um konzertierte, vorbereitete Aktionen, Plakate und Drohungen. Den Rat, die Ohren auf Durchzug zu stellen, habe ich übrigens viele Jahre beherzigt. Aber nichts hat sich geändert, im Gegenteil. Es wurde massiver. Aber all‘ das wird nicht dazu führen, dass ich meinen Weg des gesellschaftlichen wie sportlichen Engagements verlasse. Ich möchte nur eins betonen: Wir haben ja im Fußball gemeinsame Regeln, auf dem Rasen und abseits davon. Wir als TSG Hoffenheim ebenso wie ich als Person haben uns, etwa im Fall der 50+1-Vorgaben, strikt darangehalten. Wenn ich nun aber, wie offenbar Teile der Ultras, gegen diese Regeln protestiere, dann muss ich auch über diese Regeln sprechen. Stattdessen aber einen Verein oder eine einzelne Person zu attackieren, die sich an alle Regeln gehalten hat, geht vollkommen am Thema vorbei. Ich habe in den vergangenen Wochen öfter lesen müssen: ‚Der alte, weiße Mann, der Milliardär, wird besonders geschützt.‘ Da sage ich Ihnen: Nein, ich will keine Sonderbehandlung. Aber ich möchte auch keinen Malus bekommen, weil ich nun fast 80 Jahre alt und wohlhabend bin. Ich möchte einfach wie ein normaler Mensch behandelt werden.“

Jetzt Downloaden!
Seite Drucken nach oben