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SPIELFELD
12.02.2019

Cesar Thier: Ein sehr bewegtes Leben

Es war ein Zufall, dass Cesar Thier von seinem Heimatklub FC Santa Cruz vor 25 Jahren nach Deutschland kam. Es folgte für den damaligen Torwart ein steiniger Weg, um im deutschen Fußball Fuß zu fassen. Mittlerweile ist der 51-Jährige schon elf Jahre in Hoffenheim. Als einer der Teambetreuer wird der stets gut gelaunte Brasilianer von den TSG-Profis sehr geschätzt.

Es war eine kleine Odyssee durch Deutschland, Fulda, Kiel, Offenbach und schließlich Hoffenheim. Er erlitt als Torwart sportliche Rückschläge, beim furchtbaren Busunfall der U23 der TSG Hoffenheim in Namibia im Februar 2012 wurde er schwer verletzt. Doch Cesar Thier sagt voller Überzeugung und mit einem Strahlen im Gesicht: "Ich bin sehr glücklich heute. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich zum Trainingszentrum nach Zuzenhausen komme." Bei der TSG Hoffenheim erfuhr er nach dem Unfall große Solidarität und umfassende Hilfe. "Der Verein hat sehr viel für mich getan. Ich werde der TSG immer dankbar sein", sagt Thier.

Heute ist er, nach fast zwei Jahren Rehabilitation wegen der Verletzung an der unteren Wirbelsäule, wieder gesund und bei den Profis als gute Seele im Einsatz, offizieller Titel: "Teammanagement & Player Service". Im Betreuerstab der TSG übernimmt Cesar Thier die Übersetzungen für portugiesisch oder spanisch sprechende Profis – und hilft ihnen, in Deutschland mit den unbekannten Gepflogenheiten zurecht zu kommen. "Ich erkläre ihnen, was hier gang und gäbe ist, dass man pünktlich ist und wie die Sitten sind", sagt Thier. Es ist praktische Lebenshilfe. Und so bringt er den Südamerikanern etwa bei, welche deutschen Produkte sie im Supermarkt kaufen müssen, um ihre heimatlichen Gerichte auch in Deutschland kochen zu können. Aber auch allen anderen Spielern hilft er bei Formalien wie Mietverträgen, Wohnungssuche und Amtsgeschäften.

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Seinen Landsmann Joelinton führte er so ein, als dieser 2015 ankam, seit dessen Rückkehr aus Wien im vorigen Sommer braucht "Joe" keinen Dolmetscher mehr. Thier suchte aber für ihn eine Wohnung und assistiert ihm ab und an noch bei Interviews. Cesar Thier weiß, wie schwer der Anfang sein kann, wenn man aus einem anderen Kulturkreis kommt. 1993 traf er in Deutschland ein. Angefangen hatte alles damit, dass Thier beim Training von Santa Cruz FC immer mal wieder ein Wort auf Deutsch gerufen hatte. Seine Eltern sprachen zu Hause untereinander deutsch, aufgewachsen ist er in einem Viertel deutscher Einwanderer. Cesar selbst sprach portugiesisch und hatte nur einige deutsche Brocken aufgeschnappt. Da er sie beim Training manchmal zum Besten gab, glaubte sein Trainer wohl, dass Thier eine Fremdsprache beherrschte.

Eines Tages kam der Coach zu seinem Torwart und erklärte ihm, er könne ihn bei einem deutschen Klub unterbringen. "Das habe ich erst gar nicht ernst genommen, doch wenig später kam der Trainer wieder und sagte: 'Mache deinen Reisepass fertig, wir fliegen nach Deutschland'." So begann für den damals 25-Jährigen ein Abenteuer, plötzlich und nicht geplant. "Der Einstieg war sehr schwierig, denn ich habe erst hier erfahren, dass in jedem Kader nur drei Nicht-EU-Ausländer erlaubt waren", schildert Thier die Startphase. Über den Kontakt mit Joachim Leukel, Spielerberater von Anthony Yeboah, landete er bei Borussia Fulda. Ein Einzeltraining mit Gladbachs Ex-Torwart Uli Sude sollte entscheiden, ob er bleiben durfte. "Da sah ich das erste Mal Schnee", erzählt Thier. Wie er auf dem rutschigen Boden bestehen sollte, war ihm schleierhaft. Doch er meisterte den Zwei-Tage-Test und erhielt einen Vertrag.

Über Fulda, Kiel und Offenbach zur TSG

Obwohl es gut lief in Fulda, wollte ihn der Spielervermittler nach einem halben Jahr nach Kiel schicken. Holstein geriet jedoch gleich in finanzielle Probleme, der Vermittler kümmerte sich nun nicht mehr um ihn. Thier kehrte nach drei Regionalligaspielen nach Hessen zurück, trainierte um sich fit zu halten in der 5. Liga beim SV Asbach, arbeitete in der Firma seines heutigen Schwagers und lernte an der Volkshochschule Deutsch, was ihm nicht schwer fiel. Zu Beginn der Saison 1995/96 erhielt er einen neuen Vertrag bei Borussia Fulda, blieb dort fünf Jahre und machte 110 Spiele in der Regionalliga.

Seinen fußballerischen Höhepunkt erlebte Thier erst im fortgeschrittenen Torwart-Alter bei Kickers Offenbach. Ab dem Jahr 2000 spielte er am Bieberer Berg noch acht Jahre, bestritt in der Regionalliga 164, in der Zweiten Liga 67 und im DFB-Pokal 10 Partien für die Kickers, ehe er mit 40 Jahren aufhörte. "Am Ende war ich doch stolz auf meine Profikarriere, auch wenn ich es nicht in die erste Liga geschafft habe. Deutschland ist ein Torwartland, da gab es damals für ausländische Keeper nicht viele Plätze." Zwischenzeitlich war er sogar einmal auf dem Sprung zum VfB Stuttgart, als dort ein zweiter Mann hinter Timo Hildebrand gesucht wurde. Ralf Rangnick wollte ihm zur deutschen Staatsbürgerschaft verhelfen, weil die erlaubten Ausländerplätze für die Feldspieler reserviert bleiben sollten. "Ich habe drei Tage mittrainiert, aber dann habe ich erfahren, dass es nicht klappt", erinnert sich Thier.

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Aber Rangnick vergaß ihn nicht. Als Kickers Offenbach 2008 in die Regionalliga Süd abstieg und parallel die TSG Hoffenheim – auch wegen eines 1:1 gegen die Kickers am vorletzten Spieltag – den Sprung in die Bundesliga schaffte, meldete sich Rangnick wieder bei Thier. Er suchte einen Torwarttrainer und einen Dolmetscher für Carlos Eduardo und Luiz Gustavo. Nach einem Probetraining während der Vorbereitung in Wiesensee bekam Thier einen Zweijahresvertrag. "Das war für mich eine tolle Chance", sagte Thier. Zwei Jahre später fungierte er dann nur noch als Übersetzer, weil der Job mit inzwischen vier Brasilianern im Kader zu zeitraubend geworden war.

Schwerer Unfall mit der U23

Ab 2011 wurde der Südamerikaner dann zusätzlich Torwarttrainer beim U23-Team. Mit ihm erlebte er den Horror des Unfalls am Ende des Trainingslagers in Namibia. Der 17. Februar 2012 wurde, nicht nur für ihn, zu einem brutalen Einschnitt im Leben. Die beiden anderen Schwerverletzten – Physiotherapeutin Karolin Kieffer und Abwehrspieler Philipp Klingmann – waren bereits wieder in Deutschland, während er noch in Afrika im Krankenhaus lag, aber keine klare Diagnose erhielt. "Frank Kramer und Otmar Rösch sind bei mir geblieben. Sie haben gesagt: 'Wir gehen erst, wenn der Letzte hier raus ist.' Das werde ich nicht vergessen", sagt Cesar Thier.

Weil er keine sinnvolle Behandlung erhielt, holte ihn Teamarzt Dr. Henning Ott ab. In Deutschland erkannten die Ärzte, dass Cesar Thier nur haarscharf einer Lähmung entgangen war und operierten ihn am Rücken. Nicht nur deshalb ist die Verbindung des gebürtigen Brasilianers, der inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, eng zu diesem Land. Zwar fliegt Cesar Thier noch mindestens einmal im Jahr nach Brasilien und besucht dort seine Eltern, aber für ihn ist längst klar: "Ich bin sehr froh, dass mich meine Frau damals überredet hat, in Deutschland zu bleiben."

Denn als seine Torwart-Karriere in Fulda schon nach einem Jahr zu Ende zu gehen schien, bat sie ihn, doch zu bleiben. 2001 heirateten Cesar und Ulrike. Mit Sohn Carlos (16) und Tochter Luana (10) leben sie in Sinsheim-Dühren. Vor einem halben Leben ist Cesar Thier aufgebrochen in Brasilien, nach 25 bewegten Jahren sagt er: "Der Kraichgau und die TSG sind meine Heimat geworden."

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