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SPIELFELD
18.12.2016

Sandro Wagner über Image

TSG-Stürmer Sandro Wagner steht im Ruf, ein besonderer Profi zu sein. Im SPIELFELD Interview spricht der 29-Jährige über seine Erziehung, veränderte Spieler-Persönlichkeiten und Gefahren der Profi-Branche.

Sandro, es wird oft über dein Image gesprochen. Was bedeutet es dir?

Sandro Wagner: Image bedeutet ja, wie die Leute jemanden beurteilen. Und das ist mir egal, also ist mir mein Image ziemlich wurscht. Von diesen Leuten kennt mich niemand, da ich privat ganz anders bin als auf dem Spielfeld. Ich möchte gar nicht, dass mich jeder kennt und alles von mir weiß. Die Leute können denken, was sie wollen. Mir ist wichtig, dass meine Familie und Freunde wissen, wie ich ticke. Kunstnamen wie #SW14 oder so etwas sind nicht mein Ding.

Hier bei der TSG Hoffenheim waren alle beeindruckt, als du am ersten Tag nach deiner Verpflichtung durch die Abteilungen gegangen bist und alle Mitarbeiter begrüßt hast…

Wagner: Das ist für mich selbstverständlich und wichtig. Ich habe mich vorgestellt, man sieht sich ja hier immer und arbeitet und lebt hier mit den Leuten aus allen Bereichen zusammen. Und hier in Zuzenhausen ist ja auf der Geschäftsstelle alles vereint. Bei vielen Vereinen sind die Räumlichkeiten getrennt, die Profis werden ausgegliedert und man sieht die Menschen gar nicht. Hier isst man mittags zusammen, das ist schön und schon etwas anderes.

Wie gefällt es dir denn insgesamt bei der TSG?

Wagner: Wirklich gut. Es ist für mich eine komplett andere Welt. Ich habe bislang nur bei so genannten Traditionsvereinen gespielt, wenn man diesen blöden Begriff verwenden will. Hier ist es anders, man hat viel mehr Ruhe. Man fährt aufs Gelände und weiß, es geht nur um Fußball. Das ist ein sehr konzentriertes Arbeiten. Man wird ja auch hier in der Stadt nicht andauernd angesprochen. Dazu sind die Möglichkeiten phänomenal, hier fehlt es einem als Profi an gar nichts. Ich muss echt sagen, was hier hingestellt wurde, ist nicht nur mit Geld hingestellt worden, sondern mit Köpfchen. Alles hat Hand und Fuß, und das beeindruckt mich. Allerdings sage ich auch: Im Fußball kommt es am Ende immer nur darauf an, am Samstag um 15.30 Uhr auf dem Feld bereit zu sein, ein gutes Spiel zu machen und die Schlacht zu gewinnen.

Du stehst für klare Aussagen. Ist es dir wichtig, dich öffentlich zu positionieren?

Wagner: Überhaupt nicht, ich verstehe den Eindruck auch nicht. Wenn ich gefragt werde, sage ich den Leuten meine ehrliche Meinung. Aber deswegen verfolge ich ja keine Strategie oder will ständig Botschaften vermitteln. Wenn ich das machen wollte, würde ich doch die anderen Kanäle viel mehr nutzen, mir einen lustigen Twitter-Account zulegen und ständig Sprüche raushauen.

Glaubst du, dass du polarisierst, weil heutzutage die meisten Fußballer bemüht sind, nichts mehr zu sagen?

Wagner: Das glaube ich schon. Es gibt dafür viele Spieler, die sich bei Social Media als coole Typen mit dicken Autos präsentieren und auf dem Platz weiche Knie bekommen. Das ist mir suspekt. Aber so leben wir jetzt. Bei mir ist es halt eher andersrum. Ich war schon in meiner Jugend eher forsch und habe mich nicht großartig verändert. Aber das hat was mit meiner Erziehung zu tun, in meiner bayerischen Heimatregion sind viele so wie ich. Es ist Teil der Erziehung, dass man sich nicht verstellt. Ich mache mir keine Gedanken, wie es ankommt. Wenn ich von morgens bis abends über die Meinungen anderer nachdenken und hoffen würde, überall gut anzukommen, wäre ich nicht mehr derselbe.

Ist die mediale Entwicklung mit den zunehmenden Einflüssen von außen auch gefährlich?

Wagner: Wenn du in der Öffentlichkeit stehst und jede Meinung wichtig ist, dann zerfleischt es dich. Und es gibt auch viele Profis, die sich das sehr zu Herzen nehmen und damit nicht zurechtkommen. Man merkt in der Bundesliga: Da sind viele, die stehen auf dem Feld im Rampenlicht und man denkt: Denen geht es super. Aber privat haben sie einen Knacks. So war ich aber nie und darum bin ich froh, dass ich meinen Weg so gehe.

Bist du froh, dass es in deinen ersten Profi-Jahre die sozialen Netzwerke noch nicht gab? Sie bergen ja auch eine gewisse Fallhöhe…

Wagner: Auf jeden Fall, ich war nie der Typ dafür. Das soll nicht heißen, dass ich altmodisch bin. Aber die ganze Zeit Sachen von mir zu posten und fremden Menschen zu zeigen, was ich tue, ist nicht meins. Außerdem habe ich eine Familie und zwei Kinder. Ich würde auch nie Fotos von ihnen machen und sie veröffentlichen, ohne dass sie es wollen. Das müssen sie später für sich selbst entscheiden, ich finde diese Entwicklung grenzwertig. Aber ich respektiere auch, dass andere Spaß daran haben und sage dazu nur meine Meinung, wenn ich gefragt werde. So wie jetzt. (lacht)

Du hast die Bayern-Jugend durchlaufen und es in den Profikader geschafft. Erinnerst du dich an die Zeit?

Wagner: In meinem ersten Bundesligaspiel wurde ich für Miroslav Klose eingewechselt. Das war großartig, die ganzen Erfahrungen der Wahnsinn. Aber mittlerweile sehe ich, dass das alles auch nur Menschen sind – auch wenn man im Fernsehen ist und vor 50.000 Fans spielt. Man denkt immer, die wären besonders, aber sie sind ganz normal.

War es für dich damals schwer, die Bodenhaftung zu behalten?

Wagner: Das war schwierig, dass muss man schon ehrlich sagen. Wenn man es nicht selbst erlebt hat, ist es schwer nachzuvollziehen: Man verdient plötzlich viel Geld, das ist gar nicht einfach, damit klarzukommen. Es ist zwar positiv, aber für viele schwer, es zu verarbeiten. Und dazu dieses ganze öffentliche Interesse, das von einem Moment auf den anderen dein Leben verändert. Mittlerweile ist es für mich normal. Aber im jungen Alter kommen plötzlich viele Menschen in dein Leben, die alle was von dir wollen, das muss man erstmals einordnen können, weil man ja menschlich noch gar nicht so gefestigt ist, dass man genau weiß, mit wem man es da zu tun hat und wie man damit umgeht. Aber am Anfang ist natürlich alles toll und schön.

Und dann siehst du deine Rolle mittlerweile schon als Mahner?

Wagner: Es ist schon so, dass junge Spieler oftmals Berater und ein Umfeld haben, das ihnen einflüstert, wie gut sie sind. Das ist auch okay, aber ich war immer der Typ, der in der Kabine auch mal einen zurechtgewiesen hat, wenn er mal nicht weiß, wie er sich richtig zu benehmen hat und der darauf achtet, dass die Jungs Bälle und Tore tragen. Ich bin ja auch Familienvater, vielleicht habe ich das von zu Hause so drin (lacht).

Auch an der Seitenlinie hat sich viel verändert, die junge Trainergeneration übernimmt immer mehr Klubs. Wie beurteilst du die Entwicklung?

Wagner: Ich finde das sehr interessant. Man sieht nun, dass man kein Profi gewesen sein muss, um ein guter Trainer zu sein. Ich bin kein Freund von Trainern, die nur schematisch denken und bloß ihre Taktik im Kopf haben. Darum ist Julian so ein guter Trainer: Er hat taktisch alles drauf, moderne Spielzüge und alle Entwicklungen, auf der anderen Seite sind für ihn Leidenschaft und Kampf aber mindestens genauso wichtig. Das ist eine super Kombination, die ich jedem Trainer empfehle. Mit Emotion, Leidenschaft und Kampf gewinnst du Spiele, nur über Taktik funktioniert das nicht. Julian verbindet das perfekt.

Glaubst du, dass die ältere Generation die jungen Spieler nicht mehr erreicht?

Wagner: Klar, das kann man vergessen. Sie bekommen keine Bindung mehr zu den Spielern. Es gibt natürlich Leute wie Carlo Ancelotti, die mit der Zeit gehen und sich immer weiterentwickeln. Aber die, die wie früher mit harter Hand regieren wollen, funktionieren nicht mehr. Spieler sind heutzutage viel mehr zu motivieren und mitzureißen, wenn man auch mal frei gibt oder was mit der Mannschaft macht. Mit Straftraining und runtermachen geht nichts mehr, heutzutage muss ein Trainer anders arbeiten.

Du hast in deiner Laufbahn schon viel erlebt, lange ist die Karriere wellenförmig verlaufen. Bei der TSG hast du dich auf Anhieb durchgesetzt und triffst auf Top-Niveau. Was denkst du über deine sportliche Entwicklung?

Wagner: Ich bin kein Freund davon, zu sagen, dass es bei mir in Bremen oder Berlin nicht gut lief. Ich hatte dort auch gute Phasen, habe in der Champions League gespielt und einen großen Anteil daran, dass Werder nicht abgestiegen ist. Der Unterschied zu den vergangenen eineinhalb Jahren ist aber, dass ich mein Können nun konstant zeige und zeigen darf. Ich spiele regelmäßig und bin beschwerdefrei, das ist für mich das A und O. Ich brauche meine volle Fitness, da ich ja ständig in Zweikämpfe verwickelt bin. Seitdem ich fit bin und spiele, ist die Statistik auch besser.

Sind deine momentanen Leistungen nur eine Genugtuung für dich selbst oder denkst du auch an frühere Kritiker?

Wagner: So denke ich nicht. Klar freue ich mich, weil ich immer wusste, dass ich viele Tore mache, wenn ich eine Saison durchspiele. Es gibt immer noch viele, die mich kritisch sehen. Aber die gibt es bei jedem Spieler, bei mir vielleicht noch mehr, weil ich polarisiere und durch meine Länge mehr auffalle. Aber ich nehme das niemandem übel, stehe über den Dingen und finde es auch völlig in Ordnung, wenn mich einer schlecht findet – so lange das auf normalem Niveau bleibt. Deswegen verspüre ich auch keine Genugtuung, weil mich Meinungen außerhalb meines Umfeldes nicht interessieren.

Bei der TSG läuft es ausgezeichnet – für die Mannschaft und dich persönlich. Was macht dich so stark?

Wagner: Bislang lief es gut, und ich versuche, mein Puzzlestück dazu beizutragen. Ich möchte insgesamt als Stürmer wahrgenommen werden, der nicht nur an der Torquote gemessen wird. Ich arbeite vor allem viel fürs Team, und das ist mir wichtig, dass das honoriert wird. Ich mache viele Laufwege frei für die Mitspieler, gehe entgegen und helfe statt vorne zu warten, weil ich nur die Tore machen möchte. Das sieht man im Spiel auch bei uns. Und die, die Ahnung vom Fußball haben, honorieren das.

Dein extremer Wille, Tore zu schießen, ist dennoch auf dem Platz gut sichtbar – und für die Mitspieler auch manchmal hörbar.

Wagner: Ich will immer so viele Tore machen, wie es geht und ärgere mich auch, wenn ich die Bälle nicht bekomme. Aber das ist nie böse gemeint und das wissen die Jungs mittlerweile auch. Die kennen mich nun ein bisschen besser und nehmen mich so, wie ich bin. Wenn ich mich im Fernsehen sehe, dann denke ich schon manchmal: 'Das war jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben. Was hast du da wieder gemacht?' Aber das sind halt Emotionen im Spiel. Ich versuche ja nur, das Maximum für mein Team rauszuholen. Auch provokante Gesten gehören da mal dazu. Das macht den Reiz des Fußballs ja auch ein bisschen aus. (lacht)

Dadurch stehst du vor allem in fremden Stadien oftmals im Zentrum negativer Emotionen. Wie gehst du damit um?

Wagner: Das stört mich nicht, ganz im Gegenteil. Beim Spiel in Mainz etwa haben die Leute ihre ganze Energie dafür verwendet, mich auszupfeifen, und nicht mehr die eigene Mannschaft angefeuert. Das muss man sich mal überlegen, wie wenig schlau das ist. Aber manchmal habe ich in Deutschland ohnehin das Gefühl, dass Menschen in ein Stadion gehen und ihre sozialen Kompetenzen komplett draußen lassen. Es ist Wahnsinn, wie sich Familienväter neben ihren Kindern benehmen. Es wird immer schlimmer, die Beschimpfungen gehen immer weiter unter die Gürtellinie. Fußball wird leider immer öfter als Plattform von Verrückten missbraucht. Das ist schade, weil Fußball in Deutschland die Sportart Nummer eins ist. Deswegen bin ich echt froh, dass hier bei den Heimspielen der TSG normale Leute im Stadion sind.

Zum Spielerprofil von Sandro Wagner >>

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