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MÄNNER
04.10.2016

Alexander Rosen - Vom Suchen & Finden

Alexander Rosen hat als Direktor Profifußball eine aufreibende Transferperiode hinter sich und den Spagat zwischen sportlichen und wirtschaftlichen Ansprüchen bewältigt. Nun verrät er, worauf der Klub dabei besonders achtet und erklärt das Hoffenheimer Selbstbewusstsein.

Die kleine Schale mit den Schoko-Täfelchen bleibt unangetastet. Alexander Rosen braucht keine Nervennahrung mehr. Der Direktor Profifußball hat die aufregende Transferperiode hinter sich gelassen – und am Ende dieser hektischen Phase lächelt der 37-Jährige entspannt: "Wir können sehr zufrieden sein mit diesem Transfersommer." Dem Team um den Sportdirektor ist es gelungen, den schwierigen Spagat hinzubekommen: Einen konkurrenzfähigen Kader zu bauen und gleichzeitig einen eklatanten Transferüberschuss zu erzielen, um den Klub dauerhaft auf finanziell kräftige wie gesunde Beine zu stellen. "Wir haben eine gute und gesunde Kadergröße", sagt Alexander Rosen, "und wir haben unsere eigenen wirtschaftlichen Vorgaben erfüllt."

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die TSG schließlich wie fast alle Bundesliga-Konkurrenten. Es geht ja nicht darum, einen absurden Wunschkader zu basteln wie auf der Playstation, sondern eine Mannschaft im Rahmen der eigenen, vor allem finanziellen Möglichkeiten zusammenzustellen. Die Kader-Planung ist ein äußerst diffiziles Unterfangen, gespickt mit Unwägbarkeiten und sich plötzlich ändernden externen Einflüssen. So gelang es Alexander Rosen, seine Neuverpflichtungen frühzeitig zu tätigen, und eine gemeinsame Vorbereitung zu ermöglichen. Immerhin sechs Spieler (Sandro Wagner, Lukas Rupp, Kevin Vogt, Kerem Demirbay, Marco Terrazzino, Benjamin Hübner) sind von anderen Klubs gekommen, dazu wurden Andrej Kramaric (zuvor ausgeliehen) sowie aus dem eigenen Nachwuchs Baris Atik, Dennis Geiger und Torwart Gregor Kobel fest in den Kader geholt.

"Ausdruck unseres Selbstbewussteins"

Überrascht hat einige neutrale Beobachter wohl eher, dass der Aderlass gering ausfiel. Aus der Stammelf verließen Kevin Volland (Bayer Leverkusen) sowie ablösefrei Tobias Strobl (Mönchengladbach) den Klub. Dabei gab es überaus lukrative Angebote für zahlreiche TSG-Profis. Der FC Chelsea etwa, so wurde es unwidersprochen kolportiert, bot rund 30 Millionen Euro Ablösesumme für Niklas Süle. "Der Transferüberschuss hätte deutlich, sehr deutlich höher ausfallen können, wenn wir es gewollt hätten", sagt Alexander Rosen lediglich. "Aber wir wollten eine qualitativ hochwertige, absolut konkurrenzfähige Mannschaft zusammenstellen, mit der wir angreifen können."

Die TSG verzichtete dabei auf eine hohe, zweistellige Millionensumme. "Bei den zahlreichen Angeboten für mehrere Spieler 'Nein' sagen zu können, auch 'Nein' sagen zu dürfen, tut schon gut", so Rosen. "Es ist auch Ausdruck unseres Selbstbewusstseins." Denn in der Klubführung weiß man: Der Kader hat Perspektive, gehört wieder zu den jüngsten der Liga, darunter befinden sich zahlreiche Spieler mit hohem Potenzial. Das wird dann belohnt durch die Anzahl und Höhe der Angebote anderer Vereine aus dem In- und Ausland. Rosen formuliert es bewusst pointiert: "Wenn zu uns einer käme und sagen würde, ihr müsst jetzt bitte zehn Millionen Euro Ablöse erzielen, dann haben wir sicher fünf, sechs Mann im Kader, für die sofort solche Summen gezahlt würden."

"Für die Zukunft gut aufgestellt"

Alexander Rosen hat in seiner Aufgabe als Direktor Profifußball gelernt, mit diesen großen Summen zu operieren, auch wenn es ihm als reflektierten Menschen ab und an Bauchschmerzen verursacht:"Persönlich musst du dich von den Summen freimachen, da muss man die Beträge rein als Nummern oder Tauscheinheiten im Kosmos Fußball betrachten."

Und die Spirale wird sich, etwa aufgrund der massiv gestiegenen TV-Gelder in der englischen Premier League oder auch dem neuen Verteilerschlüssel in der Champions League, weiter und schneller drehen. "Natürlich sehe ich die Gefahren der Geldverteilung", sagt Alexander Rosen. "Schon jetzt haben wir in Deutschland eine stabile Top 6, die nun noch zusätzlich profitieren wird." Aber: "Jammern ist da der falsche Ansatz, wir müssen es auch als Chance begreifen." Es werde immer noch genügend junge, talentierte Fußballer geben, die es zu finden und weiterzuentwickeln gelte: "Und auf dem Wege der erhöhten Transfererlöse holen wir uns dann etwas vom Kuchen zurück."

Schneller sein, besser sein, genauer hingucken als die Konkurrenz. Das ist die schwierige Aufgabe für Alexander Rosen und sein Team, denn elementarer Bestandteil der Klubstrategie ist es, "Spieler zu entwickeln, die wir im Optimalfall mit großem Gewinn verkaufen können". Und neben den jungen Talenten im derzeitigen TSG-Profikader gibt es ja noch viele hoch veranlagte Spieler, die im Zuge einer Ausleihe bei anderen Klubs Profi-Erfahrungen sammeln, wie etwa Kevin Akpoguma (Fortuna Düsseldorf), Marvin Schwäbe (Dynamo Dresden), Russell Canouse (VfL Bochum), Benedikt Gimber (SV Sandhausen) oder Nicolai Rapp (Spvgg Greuther Fürth). "Das sind ja alles unsere Jungs", sagt Rosen. Und sie entwickeln sich prächtig, sind Stammspieler in ihren Klubs, teilweise auch Junioren-Nationalspieler. "Da wächst vieles nach", sagt Rosen, der die Spieler als früherer Leiter des Nachwuchsleistungszentrums über Jahre begleitet hat. "Wir sind für die Zukunft sehr gut aufgestellt."

Klares Kriterien-Bündel für Neuzugänge

Für ein Urteil darüber, ob die aktuellen Neuzugänge die Hoffnungen der Gegenwart erfüllen, ist es dagegen noch zu früh – abseits der Frage, nach welchen Kriterien man ihren Wert bemisst. Es ist eines der Themen, bei denen Alexander Rosen leidenschaftlich argumentiert – und mal kurz in die Schale mit den Schoko-Leckereien langt: "Es ist immer wichtig, den gesamten Kader zu bewerten, nicht einzelne Spieler", sagt Rosen. "Jeder Neuzugang hat eine andere Rolle; manche sind Herausforderer, andere sollen Führungskräfte sein, der nächste ist aufgrund seiner Vielseitigkeit wichtig, ein anderer bringt charakterlich viel für das Team." Für mögliche Neuverpflichtungen hat Rosen ein klares Kriterien-Bündel geschnürt: "Passt es von der Altersstruktur her, von der Position, passt es zur Traineridee, entspricht es unserem finanziellen Rahmen und: Wie ist eigentlich der Charakter?"

Der Sportdirektor der TSG kann herzhaft lachen, wenn er etwa an die kritischen Anmerkungen denkt nach dem Transfer von Sandro Wagner. "Es gab ja schon einige Fragezeichen vor der Verpflichtung." Nun fühlt sich Rosen in seinem Eindruck bestätigt: "Sandro ist auf dem Rasen ein Tier. Und abseits des Platzes ein absolut angenehmer Mensch", sagt der 37-Jährige und erzählt zur Veranschaulichung eine kleine Anekdote: "Sandro ist der erste Neuzugang gewesen, der hier an seinem ersten Tag gleich durch alle Büros gegangen ist und sich überall vorgestellt hat: 'Hallo, ich bin Sandro, ich bin neu hier.'" Das ist die öffentlich unbekannte Seite. Und Unwissen führt schnell zu Urteilen, Vorurteilen, Fehlurteilen.

Alexander Rosen hat gelernt, geduldig zu sein – und er hat gelernt, dass öffentliche Ungeduld normal ist: "Ich weiß noch, was alles über Mark Uth geschrieben wurde: 'Fehleinkauf, Leichtgewicht, durchgefallen.' Und jetzt schreien die Gleichen: 'Halleluja, ist der gut.' Das ist mir alles zu extrem." Bedeutender ist Rosen das Urteil der Kollegen, etwa das jüngste von Rouven Schröder, Sportdirektor des FSV Mainz 05, der die TSG lobte: "Sie machen Transfers in beide Richtungen, setzen auf deutsche Spieler, haben einen Trainer aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum – alles sehr ordentlich, finde ich."

Besserer Ruf als in früheren Zeiten

Das profunde Lob, keine Frage, freut Alexander Rosen. "Ich habe das Gefühl, dass schon registriert wird: Wir tun, was wir sagen. Die Tat ist da, nicht nur das Wort." Nicht nur der TSG-Sportdirektor weiß: Es war nicht immer so. Die Vorgaben der Klubführung haben sich in den Jahren nicht verändert. Aber nicht zu allen Zeiten wurden sie befolgt. "Als ich 2013 anfing, war kein einziger Nachwuchsspieler im Kader. Jetzt ist es ein Drittel. Damals haben wir, mit Ausnahme einer Saison, nur Minus, Minus, Minus gemacht. Jetzt machen wir Gewinn, erwirtschaften hohe Transfererlöse, entwickeln und verkaufen Spieler."

Entsprechend sei auch das öffentliche Image der TSG Hoffenheim ein erheblich besseres als zu früheren Zeiten. Nicht zuletzt auch aufgrund der offensiven Spielweise und einem jungen, smarten Trainerteam um Julian Nagelsmann. "Auch neutrale Fußballfans können sich mit unserem Weg identifizieren", sagt Alexander Rosen. "Wir erreichen immer mehr Menschen." Und dann folgt der Satz, der auch etwas mit neuem Selbstbewusstsein zu tun hat: "Aber wir müssen auch nicht allen gefallen. Wir müssen nur von unserem Weg überzeugt sein."

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