Nicole Billa - Kickbox-Königin mit Torriecher
Als Kind war Nicole Billa brav. Zu brav. Beim Spielen mit anderen Kindern konnte sie sich nicht durchsetzen, ließ sich allzu oft das Spielzeug wegnehmen. Da fasste ihre Mutter einen Entschluss. Sie schickte die kleine Nicole zum Kickboxen. Und dort wurde aus dem schüchternen Mädchen eine selbstbewusste junge Frau. Und in der Sportart, die ihr dabei half, sich selbst zu behaupten, gelangte sie sogar an die absolute Spitze. Denn heute ist Billa mit 19 Jahren dreimalige Welt- und Europameisterin. Und auch im Fußball ist sie ihren Weg gegangen.
Über das nationale Förderzentrum in St. Pölten schaffte sie den Sprung in die A-Nationalmannschaft, war österreichische Meisterin, Pokalsiegerin und Torschützenkönigin. Seit Juli ist sie in Hoffenheim unter Vertrag und lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich auch hier "durchboxen" will. Denn "heute nimmt mir keiner mehr das Spielzeug weg", sagt Nicole.
"Bin nie k.o. gegangen"
Nicole Billa kommt aus einer Gegend, in der andere Urlaub machen. "Kennst Du die Berge, die Berge Tirols", heißt es im berühmten Kufstein-Lied. In Kufstein ist Nicole Billa geboren, hat die ersten acht Lebensjahre in Kundl verbracht, dann in Angerberg, einem kleinen Dorf mit 1.600 Einwohnern. "Es ist sehr schön dort, es gibt viele Berge, es erinnert auch mich an Urlaub", beschreibt Nicole ihre Heimat. Da verwundert es nicht, dass sie auch Ski gefahren ist. Und sie war gar nicht schlecht, nahm auch an Wettkämpfen im Riesenslalom teil. Doch auf die Dauer wurde ihr diese Sportart zu teuer, und "für die Wettkämpfe musste man immer so früh aufstehen".
Nicole Billa ist ein sportliches Multitalent. In der Hauptschule war sie im Volleyballteam, auch Basketball hat sie gespielt. "Ich war bei vielen Sportarten dabei, aktiv und als Zuschauerin", erzählt sie. Doch das lief immer nebenher. Ihre Leidenschaft gehörte dem Fußball – ihr Bruder hat gespielt, ihre Schwester auch, ihr Vater war Trainer – und dem Kickboxen. Diese Sportart veränderte sie grundlegend. Semi- und Leichtkontakt hat sie gemacht, wobei Leichtkontakt nicht heißt, dass es da gemächlich zugeht. "Da wird scho gscheit zugschlagen", meint Nicole Billa im besten Tiroler Dialekt, um grinsend anzufügen: "Ich bin nie k.o. gegangen, die anderen schon." Anfangs kämpfte sie nur gegen "Burschen, weil es keine Madeln gab", später dann nur gegen Mädchen. Billa war sechs Jahre lang ungeschlagen, wurde unzählige Male österreichische Meisterin und je drei Mal Welt- und Europameisterin bei den Juniorinnen.
Ohne Angst in den Kampf
Vor den Wettkämpfen hatte sie ihr festes Ritual. Sie wärmte sich immer bei Musik mit Pullover und Kapuze auf, ein Totenkopf zierte ihr Stirnband. Im Geiste ging sie die möglichen Situationen im Kampf durch. "Das hat mich aggressiv gemacht. Auf der Matte habe ich dann gewusst, ich gewinne den Kampf. Angst hatte ich keine mehr." Das Kickboxen hat Billa sehr viel gebracht, "Disziplin, Eigenverantwortung, Selbstverteidigung".
Eine Zeit lang war Kickboxen die Hauptsportart für Nicole Billa, doch ihre ganz große Liebe gehörte dem Fußball. Als sie mit 15 Jahren ins Frauenfußballzentrum nach St. Pölten wechselte, kämpfte sie zwar noch zwei Jahre weiter, trainierte aber nicht mehr. Titel hat sie im Kickboxen dennoch geholt. Irgendwann reichte aber die Zeit nicht mehr. In St. Pölten hatte sie morgens ein bis zwei Stunden Fußball, dann Schule, dann wieder Fußball. Abends kamen die Stunden für die Hausaufgaben. Da blieb nur ganz wenig Zeit für anderes.
Mit ihrer Fußballkarriere ging es dann steil bergauf. Mit 15 Jahren spielte sie schon in der 1. Liga für Wacker Innsbruck, dann folgte der Wechsel zu St. Pölten-Spratzern. Der Club löste Neulengbach als österreichischen Serienmeister ab. Nicole Billa wurde mit St. Pölten zwei Mal Pokalsieger, einmal Meister. Zuletzt war sie mit 24 und 27 Toren zwei Mal Torschützenkönigin. Dabei ließ sie immerhin Österreichs wohl beste Stürmerin, Nina Burger (nun SC Sand), hinter sich. "Burger ist trotzdem eine Klasse für sich, sie ist viel erfahrener und eine Strafraumstürmerin. Vielleicht kann ich sie ja irgendwann überholen", meint Billa bescheiden.
Länderspiel-Debüt mit 17 Jahren
Für ihre starken Leistungen bekam Nicole Billa die "Bruno-Pezzey-Auszeichnung" als beste Spielerin der Liga. Zwei Einsätze in der Champions League – zwei Tore. In der Nationalmannschaft spielte sie in der U17 und U19, und bereits mit 17 gab sie ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft, als sie gegen Ungarn eingewechselt wurde. Nun will sie eine tragendere Rolle spielen: "Wir möchten uns jetzt endlich mal für eine EM-Endrunde qualifizieren", hofft Billa. Der Beginn der Qualifikation verlief schon mal herausragend. Beim 2:0-Auftaktsieg in Kasachstan erzielt Billa beide Tore gegen ihren Lieblingsgegner. Fünf ihrer sechs Ländespieltore (in nur elf Partien) hat Billa gegen die Kasachinnen erzielt. Der österreichische Fußball ist auch dank Billa im Aufwind und profitiert von den vielen Legionärinnen in der deutschen Bundesliga, in der Schweiz und in den USA. Mittlerweile werden Spiele des Nationalteams auch mal im Fernsehen übertragen.
Nun hofft sie auf ihren Durchbruch bei der TSG. An das Tempo müsse sie sich erst noch gewöhnen, doch wer in jungen Jahren schon so viel geschafft hat wie sie, wird auch das hinbekommen. So ist aus dem schüchternen Mädchen eine anerkannte und mit Titeln gesegnete Stürmerin geworden. Dass Frauen nicht so im Mittelpunkt stehen wie Männer, stört sie nicht. "Ich muss nicht unbedingt berühmt werden, als Frau kriegt man überall weniger Geld", sagt Billa. So wird die frühere Kickbox-Weltmeisterin auch einen Beruf erlernen und demnächst – mit der Unterstützung durch das Frauenförderzentrum der TSG – eine Ausbildung beginnen: zur Erzieherin.
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