„Der TSG-Weg war perfekt für uns“
Fabienne und Martina, die letzte Partie für Euch im TSG-Dress ist absolviert. Wie habt Ihr das Spiel gegen Jena erlebt?
Dongus: „Es kam sehr viel zusammen und es war wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit sowie ganz viel Wertschätzung für die TSG und bin sehr traurig, dass meine Zeit hier zu Ende geht. Ich war glücklich, aber natürlich auch wehmütig, weil mir viel fehlen wird. Mein letztes Spiel habe ich dennoch sehr genossen, mein Geburtstag war dabei das Tüpfelchen auf dem ,i‘. Meine beiden Großväter waren seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder gemeinsam im Stadion, es hat einfach alles gepasst. Für mich hat sich ein Kreis geschlossen.“
Tufekovic: „Als ich auf den Platz gelaufen bin, konnte ich noch gar nicht fassen, dass ich gerade mein letztes Spiel für die TSG mache. Dass ich verletzt leider früher als gedacht vom Platz musste, hat mich dann emotional doch sehr gepackt. Ich war in den Tagen vor dem Spiel sehr angespannt und wusste, dass ich sehr emotional werde, weil ich mich noch gut an meine Anfangszeiten erinnern kann. Ich habe einmal nach einem 0:7 gegen Frankfurt noch auf dem Platz geweint, das war eines meiner ersten Spiele für das Bundesliga-Team. An solchen Momenten bin ich gewachsen. Wir haben ein lachendes und weinendes Auge. Ich freue mich auf die Veränderung, aber bin auch traurig, dass ich die TSG verlasse. Den Klub, der meine Heimat war.“
Dongus: „Beim letzten Spiel waren es aber zwei weinende Augen und kein lachendes.“
Tufekovic: „Und wie. (lacht) Die Minuten, in denen ich gespielt habe, habe ich unfassbar genossen. Es war abgesprochen, dass ich auf jeden Fall zum Einsatz komme. Dass ich dann früh wieder runter musste, weil mein Muskel nicht mitgespielt hat, war natürlich schade.“
Dongus: „Wenn ich es mir hätte ausmalen können, hätte ich mir das Ende meiner Zeit bei der TSG genauso gewünscht: Gemeinsam mit Dir und einigen anderen, die meine Zeit hier geprägt haben, den Verein nach vielen Jahren verlassen. Mir sind hier so viele Menschen ans Herz gewachsen, aber jetzt ist genau der richtige Moment. Wenn alle anderen bleiben würden und nur ich gehen würde, wäre es irgendwie nicht das gleiche.“
Tufekovic: „Also ich habe es mir anders ausgemalt.“
Wie hättest Du Dir Deinen Abschied vorgestellt?
Tufekovic: „Ich habe eigentlich gedacht, dass ich dieses Jahr noch Stammkeeperin bin, meinen Vertrag erfülle und dann den Platz an Laura Dick übergebe. Das wäre schön gewesen. Ich war in den letzten Wochen der Saison verletzt und konnte nicht so viel Zeit mit dem Team verbringen. Aber nun kam es anders und das ist nicht schlimm. Ich habe Laura sehr gern den Platz im Tor übergeben, sie ist eine sehr gute Torhüterin. Es ist total schön, ihre Entwicklung beobachtet und vielleicht einen kleinen Teil dazu beigetragen zu haben.“
Dongus: „Allgemein ist es schön, wie viele junge Spielerinnen sich hier entwickelt haben, auch wenn wir deswegen irgendwann andere Rollen eingenommen haben. Das ist etwas Schönes an unserem Alter.“
Nun habt Ihr Euch bereits über die letzten Momente ausgetauscht, aber könnt Ihr Euch noch an die Anfangszeit erinnern?
Tufekovic: „Mein erster Tag bei der TSG war mein Probetraining. Damals haben wir noch beim VfB St. Leon trainiert, die Anlage für uns Frauen gab es noch gar nicht. Wir Torhüterinnen hatten damals für unsere Einheit nur einen kleinen Platz.“
Dongus: „Hast Du überzeugt?“
Tufekovic: „Natürlich, was denkst Du denn? (lacht) Ich war damals sehr jung und habe schon mit den Torhüterinnen aus dem ersten Team trainiert. Ich bin dann in die U17 gegangen und war quasi ein junger Hüpfer. Wie war es bei Dir?“
Dongus: „Meine Zwillingsschwester Tamar und ich saßen damals in Ralf Zwanzigers altem Büro, alles war noch viel kleiner. Wir haben über verschiedene Dinge wie eine Duale Karriere für meine Schwester und mich gesprochen. Danach folgte das erste Training und ich habe ein Interview gegeben. Ich habe zu diesem Zeitpunkt noch stark geschwäbelt, das ist mir heute etwas peinlich.“ (lacht)
Tufekovic: „Oh, das war bei mir auch der Fall, aber jetzt ist es deutlich besser.“
„Was wir in den vielen Jahren alles erlebt haben – darüber habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen oft nachgedacht.“
Gibt es noch andere Momente, die sehr präsent für Euch sind?
Tufekovic: „Da gibt es ganz viele. Wir haben in der Champions League gemeinsam gegen die besten Teams der Welt gespielt, unter anderem den WFC Arsenal und den FC Barcelona. Aber auch unsere Anfänge waren ganz besonders: unser erstes Spiel in München mit anschließender Party im Mannschaftsbus. Was wir in den vielen Jahren alles erlebt haben – darüber habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen oft nachgedacht.“
Dongus: „Ich auch. Meine Schwester und ich wurden nach einem Auswärtsspiel mal an der Raststätte vergessen, weil wir auf der Toilette waren, aber schließlich wurden wir ein paar Minuten später wieder abgeholt. Eines unserer ersten Bundesliga-Spiele haben wir 1:4 gegen den MSV Duisburg verloren. Am nächsten Tag dachten wir, es gäbe ein Spiel-Ersatztraining, dann mussten wir jedoch Linienläufe mit dem Athletik-Trainer machen.“
Tufekovic: „Oh ja, das war wirklich Straftraining.“
„Es ist schön, dass wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind.“
Werdet Ihr emotional, wenn Ihr an die Zeit denkt?
Tufekovic: „Voll. Wenn man dann noch sieht, was für ein Weg und was für eine Entwicklung hinter uns liegt, umso mehr. Wir haben ganz unten angefangen und sind nun größtenteils Vollprofis. Kaum eine Spielerin arbeitet nebenher in Vollzeit, das Training beginnt bereits am Vormittag und nicht wie früher erst um 18 Uhr. Außerdem gibt es viel mehr Möglichkeiten auf dem Gelände des Trainingszentrums, das ist kein Vergleich zu damals. Früher hatten wir unseren Kraftraum im örtlichen Gymnasium.“
Dongus: „Wir haben uns um 6 Uhr dort getroffen, um vor der Arbeit zu trainieren, weil sonst keine Zeit dafür gewesen wäre, und standen nach Feierabend teilweise bis 21 Uhr auf dem Trainingsplatz. Mittlerweile bekommen wir unsere Wäsche gewaschen, fast jedes Auswärtsspiel ist mit einer Übernachtung verbunden. Früher habe ich mir schnell ein Brötchen beim Bäcker geholt und mittags noch ein Hanuta gegessen, weil so wenig Zeit war. Jetzt haben wir Köche, die uns mit geeigneter Sportlernahrung bekochen. Das erlebt zu haben und dann Jahre später mit dem gleichen Klub Champions League zu spielen, ist schon sehr cool. Das können vermutlich nur wenige von sich behaupten. Es ist schön, dass wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind.“
Tufekovic: „Das haben nicht viele erlebt. Das kann uns niemand mehr nehmen, es war unbeschreiblich.“
Seid Ihr als Persönlichkeiten in der Zeit genauso gewachsen wie der Klub?
Tufekovic: „Ich glaube, im Sport wird man sehr schnell erwachsen. Man ist früh auf sich allein gestellt, wohnt nicht mehr zu Hause und ist oftmals in einem fremden Umfeld. Ich habe meine Ausbildung als Bürokauffrau während der sportlichen Karriere absolviert und wollte auf diese noch ein Bachelorstudium aufsetzen. An diesem Punkt habe ich dann aber gemerkt, dass ich nicht auf drei Hochzeiten gleichzeitig tanzen kann und Fußball, Arbeit sowie ein Studium etwas zu viel wird. Es war lange Zeit mein Plan, dass ich nach meiner aktiven Karriere ins Gesundheitswesen gehe, aber jetzt habe ich viel zu viel Lust auf Fußball bekommen. Nun ist es für mich vorstellbar, Torwarttrainerin zu werden oder die Arbeit in meiner bereits gegründeten Torwartschule zu intensivieren. Diese Möglichkeiten kamen alle im Laufe der Zeit und waren interessant zu beobachten, weil sie zu Beginn unvorstellbar waren. Ich finde, es ist ein Privileg, auf diese Weise zu wachsen und die Entwicklung mit dem Klub mitzugehen.“
Dongus: „Menschlich haben wir uns auf dem TSG-Weg ebenfalls sehr entwickelt. Wir sind beide immer sehr ambitioniert gewesen und nicht aus Gemütlichkeit hiergeblieben. Die sportliche Entwicklung des Klubs hat zu unserer eigenen gepasst, denn sie ist konstant nach oben gegangen. Die Entwicklung hin zur Professionalität hat auch ihre Schattenseiten, bei der TSG hatten wir jedoch immer super Bedingungen. Wir konnten hier in Ruhe arbeiten und hatten trotzdem sehr viel Spaß. Das war perfekt.“
Gab es denn auch einen Moment, an dem Ihr überlegt habt, den TSG-Weg vorzeitig zu verlassen?
Tufekovic: „Bei mir gab es mehrere Momente. Der erste war vor drei Jahren, ich hätte damals nach England wechseln können und habe sehr mit mir gerungen. Ich stand damals im Kader des Nationalteams und wollte mich für die anstehende Europameisterschaft empfehlen. Wenn ich den Wechsel vollzogen hätte, wäre ich bei meinem englischen Klub nur Ersatztorhüterin gewesen, weshalb ich mich dagegen entschieden habe. Es war mir wichtiger, mich über regelmäßige Einsatzzeiten bei der TSG ins DFB-Aufgebot zu spielen. Ein Jahr später bot sich die Möglichkeit erneut, damals wollte ich jedoch der TSG treu bleiben. Im vergangenen Jahr hatte ich mich dann schließlich zu einem Wechsel nach England entschlossen. Als das Angebot kurz vor Ende der Wechselfrist eintraf, war es der TSG jedoch nicht mehr möglich, einen passenden Ersatz für mich zu finden.“
Hattest Du auch solche Momente, Fabi?
Dongus: „Meine Schwester hat die TSG bereits 2017 verlassen und anschließend von ihren Erfahrungen im Ausland geschwärmt. Da habe ich bei einem Angebot schon auch mal überlegt, ob ich etwas Neues wagen will. Aber ich habe immer geschätzt, was ich bei der TSG habe und mich nach vielen Gesprächen für einen Verbleib entschieden. Das habe ich auch nicht bereut. In dieser Saison habe ich nicht mehr viel gespielt, dennoch hatte ich immer meinen Spaß, weil ja auch so viel abseits des Platzes passiert. Die lustigen Gespräche in der Kabine werde ich zum Beispiel vermissen. Was ich hier für tolle Menschen kennenlernen durfte, kann mir keiner mehr nehmen. Das ist etwas ganz Besonderes.“
Tufekovic: „Apropos Kabine: Weißt Du noch wie unsere erste Kabine hier aussah?“
Dongus: „Oh, ja. Die sah aus wie eine Schulumkleide, aber das war uns egal. Es war eine witzige Zeit. Nun schließt sich der Kreis, der Weg war perfekt.“
Wie lange habt Ihr für die Entscheidung gebraucht, die TSG zu verlassen? War es bei Dir, Martina, vielleicht schon im vergangenen Sommer entschieden?
Tufekovic: „Für mich war es relativ schnell klar, denn ich wusste, dass ich einen neuen Schritt gehen muss. Ich wollte zu einem Klub, der ambitioniert ist und den habe ich beim VfL Wolfsburg gefunden. Ich habe bei der TSG erlebt, wie faszinierend es ist, international zu verreisen in der Champions League. Darauf freue ich mich.“
Dongus: „Ich hatte nie einen Grund, die TSG zu verlassen. Nun habe ich jedoch schon den Drang verspürt, mehr spielen zu wollen. Beim VfB Stuttgart kann ich eine junge Mannschaft in der zweiten Bundesliga unterstützen und mit meiner Schwester zusammenspielen, das fühlt sich sehr gut und rund an. Wir haben als kleine Mädchen immer gesagt, wie schön es wäre, einmal für den VfB zu spielen. Der Zeitpunkt fühlt sich perfekt an.“
Tufekovic: „Stell Dir vor, ich wäre auch nach Stuttgart gegangen...“
Dongus: „Das wäre cool, dann wären wir immer noch zusammen. Aber Du spielst ja lieber Champions League, dabei wird der echte Fußball noch in der Zweiten Liga gespielt.“ (lacht)
Wie wird es sich anfühlen, wenn Ihr zum ersten Mal gegen die TSG spielen werdet?
Tufekovic: „Das stelle ich mir sehr komisch vor, es wird sich bestimmt eigenartig anfühlen. Begonnen schon damit, dass ich dann mit dem Teambus und nicht mit meinem privaten Wagen zum Dietmar-Hopp-Stadion fahren werde. Das ist noch immer unvorstellbar und wird sich wohl erst real anfühlen, wenn es wirklich so weit ist.“
Dongus: „Bei mir wird es durch den Ligaunterschied vermutlich etwas dauern. Aber vielleicht haben wir ja ein Testspiel gegeneinander, das wäre schön und für mich sehr besonders. Die TSG bedeutet für mich Heimat, ich werde immer gerne zurückkehren.“

