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SPIELFELD
07.03.2024

„Wir möchten keine Almosen“

Fabienne Dongus und Anton Stach sind Profis bei der TSG Hoffenheim. Dennoch spielen sie Fußball unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Gegebenheiten. Im ersten SPIELFELD-Doppel-Interview mit einer Spielerin und einem Spieler sprechen die beiden über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrem Beruf sowie über sensible Themen wie Gehälter, Schwangerschaft oder Homosexualität im Fußball.

Fabienne, Anton: Zum Einstieg eine ganz profane Frage. Was gab es heute bei Euch zum Mittagessen?

DONGUS: „Wir haben bei uns im Trainingszentrum Pasta mit Rosenkohlparmesansoße und Salat gegessen. Unsere gute Seele, Sabine, hat das für uns zubereitet.“

Ist das selbstverständlich?

DONGUS: „Mittlerweile gehört es dazu. Wir schätzen das sehr. Aber sie kocht allein für uns und die zweite Mannschaft – und auch erst seit kurzer Zeit. In der vergangenen Saison gab es das zweimal pro Woche, mittlerweile zum Glück täglich.“

Wie sieht es bei Euch aus, Anton?

STACH: „Wir haben auch einen Koch, der täglich Essen für uns zubereitet. Es gab eben Piccata mit Parmesan, Mandeln und Ei. Ich finde es überragend, dass wir jeden Tag Essen bekommen. Es ist so eine Erleichterung für uns, vor allem weil das Essen gesund und auf uns Sportler abgestimmt ist. Ich schätze es sehr, da es in meiner bisherigen Laufbahn nicht selbstverständlich war.“

DONGUS: „Kannst Du kochen?“

STACH: „Ja, ich versuche es zumindest. Es ist wie beim Kicken – da gibt es immer Spielraum sich zu verbessern.“ (lacht)

Was glaubst Du, wie sieht der Alltag einer TSG-Spielerin aus?

STACH: „Ich denke, die Spielerinnen leben auch sehr professionell. Die Trainingsumfänge sind sicherlich ähnlich zu unseren. Und die Zeiten wohl auch…“

DONGUS: „…mittlerweile schon.“

Fabi, wie viele sind es bei Euch, die studiert haben oder noch studieren?

DONGUS: „Bei uns hat sich das in der jüngeren Vergangenheit schon sehr professionell entwickelt. Mittlerweile gehören wir, was die Professionalität angeht, schon zum oberen Drittel der Bundesliga. Ich habe, als ich zur TSG gewechselt bin, zum Beispiel ein duales Studium absolviert. Aber mittlerweile ist es schon so, dass wir uns alle sehr auf den Fußball konzentrieren können – weil wir mittlerweile auch ein gewisses Gehalt haben.“

Anton, Deine Schwestern sind Nationalspielerinnen im Basketball. Ist das bei ihnen auch so?

STACH: „Die Jüngere, Lotta, studiert noch parallel. Meine ältere Schwester Emma hat neben dem Sport auch Fortbildungen absolviert und studiert, sie war in den USA auf einem College und hat ihr Bachelorstudium in Psychologie abgeschlossen. Beide haben einen professionellen Fokus auf den Sport, aber machen parallel noch wichtige Dinge für die berufliche Zukunft.“

Wie werden Eure Leistungen innerhalb der Familie wahrgenommen? Du hast im SPIELFELD-Interview gesagt, Du warst lange Zeit das einzige Kind der Familie ohne Länderspiel…

STACH: „Ich habe noch immer mit Abstand die wenigsten Länderspiele. (lacht) Damit werde ich auch häufig zu Hause aufgezogen. Ein großes Thema ist aber die Anerkennung ihrer Leistungen und die mangelnde öffentliche Präsenz. Es versteht niemand bei uns, dass eine Basketball-EM der Damen – wenn überhaupt – nur irgendwo im Internet übertragen wird. Da kann ich den Ärger meiner Schwestern absolut nachvollziehen, das zeigt auch in gewisser Form den fehlenden Respekt vor ihren Leistungen. Aber sie gehen damit trotzdem gut um, machen weiterhin ihr Ding und zweifeln nie an ihrer Leidenschaft. Aber die öffentliche Reichweite fehlt – und das ist schade. Darum finde ich es auch gut, dass bei den Fußballerinnen gerade etwas passiert. Vielleicht kann das auch die Türen für den Frauensport generell öffnen.“

Glaubt Ihr, dass der Fußball von anderen Sportarten dennoch auch etwas lernen kann? Im Tennis oder Volleyball sind Männer und Frauen in der Vermarktung deutlich näher beieinander, teilweise gibt es dasselbe Preisgeld…

DONGUS: „Wir sprechen oft in der Kabine darüber, dass wir froh sind, Fußballerinnen zu sein. Was die Mannschaftssportarten angeht, haben wir es schon geschafft, Popularität zu erreichen. Beim Tennis ist es schon eher so, dass man eine der wenigen sein muss, die ganz oben ankommen, um davon leben zu können. Darum wissen wir schon, dass wir privilegiert sind und wissen das auch zu schätzen. Nun sollen auch die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden, die Liga soll mittelfristig aufgestockt und Mindestgehälter beschlossen werden. Das ist eine tolle Entwicklung. Problematisch ist eher, dass es zum Beispiel immer wieder verächtliche Vergleiche mit den Männern gibt. Natürlich ist das Spiel langsamer und sieht anders aus, man darf es halt nicht Eins-zu-eins vergleichen.“

Es gibt beim Biathlon oder auch im Tennis erfolgreiche Mixed-Wettbewerbe. Wäre so etwas eine Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit zu steigern?

STACH: „Warum nicht? Ich fände es zumindest mal einen interessanten Ansatz. Klar gibt es natürliche, genetisch bedingte Unterschiede bei der Körperlichkeit und Schnelligkeit. Aber auf der anderen Seite wäre der Jubel bestimmt riesig, wenn eine Frau einen Mann beispielsweise tunneln und sich so gegen ihn durchsetzen würde. Ich persönlich kann mir das also auf jeden Fall gut vorstellen und glaube, dass man durch solche besonderen Events auch viel mehr Fans in Berührung mit den Fußballerinnen bringen könnte.“

DONGUS: „Ich habe schon früher oft gegen Jungs gespielt, auch im Verein. So ein Mixed-Game fände ich deshalb wirklich witzig. (lacht) Da steckt vieles drin, es wäre spannend. Ein cooles Event, man würde Frauen- und Männerfußball vermischen und könnte es so auch endlich mal als eine gemeinsame Sportart betrachten. Körperlich sind natürlich die Frauen unterlegen. Aber man könnte vielleicht ein paar Sonderregeln einfügen. Ich wäre sofort dabei.“

Was fehlt den TSG-Frauen in der Ausstattung noch im Vergleich zu den Männern?

DONGUS: „Ich glaube, dass die Strukturen in Zuzenhausen deutlich besser sind, viel professioneller. Hier ist alles größer. Ich will überhaupt nicht meckern, aber die Infrastrukturen sind nicht miteinander zu vergleichen. Wir haben unser eigenes Trainingszentrum. Aber der Kraftraum ist sehr klein, unsere Küche auch. Wir können zum Beispiel gar nicht alle zusammen essen, es gibt keine Kantine. Auch was die Regenerationsmöglichkeiten angeht, gibt es große Unterschiede. Ihr habt eine Sauna und all diese Dinge.“

STACH: „Wir haben schon sehr viel bei uns im Trainingszentrum, die Bedingungen sind optimal.“

DONGUS: „Ich denke dennoch, man sollte nicht immer darauf rumreiten, was fehlt. Sondern sich freuen, dass es eine sehr große Entwicklung gab und gibt. Was halt wirklich noch fehlt, sind die Zuschauer und die Aufmerksamkeit.“

Aber sind die Aufmerksamkeit und auch der mediale Druck, den es bei den Männern gibt, vielleicht Dinge, die Du insgeheim gar nicht so sehr vermisst?

DONGUS: „Ich bin schon auch ganz froh, dass wir eigentlich unser Ding machen können. Dass wir nicht diesen medialen Druck haben. Aber er wird auch schon stärker. Mittlerweile hört man immer häufiger, dass Spielerinnen sich dem bewusst entziehen müssen. Ich habe nicht so viele Probleme damit, aber ich möchte auch nicht wissen, wie das ist, wenn man so in der Öffentlichkeit steht und die Ergebnisse nicht stimmen. Ich denke, da muss man sich schon viel anhören.“

STACH: „Definitiv, von allen Seiten. Der öffentliche Druck kann schon immens sein.“

Ist das dann bei Dir wiederum etwas, worauf man auch gut und gern verzichten könnte?

STACH: „Das ist schwer zu sagen. Ich bin damit aufgewachsen, mit Kritik umzugehen. Mein Vater Matthias kommt als Sportjournalist und ehemaliger Leistungssportler aus diesem Umfeld, so dass ich schon als Kind mit diesem Thema in Berührung gekommen bin. Deswegen ist es für mich eigentlich noch in Ordnung, ich kann gut mit Kritik umgehen. Aber ich bin mir sicher, dass daraus auch viele psychische Probleme entstehen können – unabhängig vom Geschlecht. Ich kenne auch ein paar Spieler, die mentale Probleme bekommen haben. Jeder geht anders damit um, wenn man schlecht spielt, oft verliert oder nicht in Form ist. Aber es gibt natürlich diesbezüglich auch die positiven Aspekte, wenn nach dem Spiel beispielsweise jemand zu dir kommt und sagt: ‚Wow, gut gespielt‘. Sowas kann in gewissen Phasen sehr aufbauend sein. Vor allem finde ich aber, dass man sich nicht zu viel an Sozialen Netzwerken orientieren sollte.“

In diesem Zusammenhang spielt auch ‚Equal Pay‘ in den öffentlichen Diskussionen immer wieder eine Rolle. Wie seht Ihr das?

DONGUS: „Ich persönlich finde, dass im gesamten Fußball zu viel Geld steckt. Das ist das größte Problem, da es eine Sportart ist, die bei uns fast jeder Mensch gern schaut oder spielt. Der Verdienst hängt kausal mit Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zusammen. Und dementsprechend würde ich niemals fordern, dass wir die gleichen Gehälter bekommen sollen. Woher soll das Geld kommen? Man muss wirtschaftlich denken. Zudem haben die Männer teilweise so viele Spiele, dazu die ganzen Nebengeräusche – ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Ich glaube, in der Männer-Bundesliga ist man manchmal nur eine Nummer. Wenn man sich verletzt, kommt halt der nächste Spieler nach. Darum ist es vollkommen okay, dass sie mehr verdienen. Die Unterschiede sind aber sicher etwas zu krass und die Summen in der Männer-Bundesliga auch nicht gesund.“

STACH: „Du sprichst viel Richtiges an. Die Summen in diesem Geschäft sind generell sehr hoch – auch vor dem Hintergrund, was andere Menschen in anderen Berufen leisten. Dennoch glaube ich, dass häufig ein völlig falsches Bild vom Profi-Leben existiert. Es gibt eine ganze Menge Spieler, die an dem medialen Druck kaputtgehen, ein Privatleben ist kaum existent oder gar völlig zerstört – diese Punkte gehören auch zur Wahrheit und man sollte sie in diesen Diskussionen berücksichtigen. Keine Frage, wir leben als Profifußballer privilegiert. Einige sehen den Teil ihres Gehalts aber auch als eine Art ‚Schmerzensgeld‘.“

Wäre es aus Branchenperspektive vorstellbar, dass die Männer eine Art Soli an die Frauen bezahlen? Ein Prozent der Gehälter an die Bundesliga-Kolleginnen etwa…

STACH: „Das ist durchaus ein interessanter Gedanke, der sicher viel ausrichten würde und zudem ein starkes Zeichen nach außen wäre.“

DONGUS: „Da es sich um durch den Fußball generiertes Geld handelt, wäre das glaube ich auch okay. Generell möchten wir aber keine Almosen, sondern weiterwachsen, mehr Zuschauer begrüßen und auch höhere Gehälter rechtfertigen. Entwicklung benötigt aber eben Zeit. Aber so ein Prozent der Männer würde ich schon nehmen.“ (lacht)

Eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern besteht definitiv in Sachen Familienplanung und all den dazugehörigen Themen – wie auch dem weiblichen Zyklus. Fabi, welche Rolle spielt er für Euch beim Fußball?

DONGUS: „Wir sind eine relativ offene Gruppe, viele kennen sich schon sehr lange. Und natürlich reden wir auch über den Zyklus oder die Pille, die ja auch Auswirkungen auf die Psyche und den körperlichen Zustand haben kann.“

In jüngster Zeit werden diese Themen auch öffentlich mehr behandelt – ein Effekt der wachsenden Berichterstattung über die Fußballerinnen. Merkst Du, dass sich die Offenheit rund um das Thema gewandelt hat?

DONGUS: „Früher hat das eigentlich niemanden interessiert, man war allein mit dem Thema. Mittlerweile gibt es vonseiten des Klubs eine App, in die man täglich gesundheitliche Daten einträgt, da spielt auch der Zyklus eine Rolle und man wird bestmöglich darauf abgestimmt.“

STACH: „Diese hormonellen Faktoren gibt es bei uns allein schon aus genetischen Gründen natürlich nicht, das ist für die Frauen definitiv deutlich anspruchsvoller.“

Wie sehr wirkt es sich auf die Trainingsarbeit aus?

DONGUS: „Man fühlt sich manchmal wirklich furchtbar, wenn man seine Tage hat. Die Hormone spielen komplett verrückt, was nicht einfach ist, wenn man mit so vielen Leuten zusammen ist oder auch Niederlagen oder Enttäuschungen verarbeitet, da man dann noch größeren Stimmungsschwankungen ausgesetzt ist.“

Wie ist das mit dem Sportleralltag zu vereinbaren?

DONGUS: „Naja, man nimmt erstmal eine Schmerztablette und dann geht es wieder. Aber wenn du ein schlechtes Timing hast, dann gehst du noch mit Bauchschmerzen und Krämpfen ins Training. Das ist schon mies, zudem sind Frauen in dieser Phase verletzungsanfälliger. Schon deshalb ist es ein großes Thema bei uns. Ich hatte viele Muskelfaserrisse und dann wurde festgestellt, dass ich sie immer in einer gewissen Phase des Zyklus‘ bekommen habe. Dann habe ich mich vor dem Training anders aktiviert und es ist besser geworden, auch darum ist unsere App sehr hilfreich. Auch bei Kreuzbandrissen werden Fußballerinnen oft zuerst gefragt, in welcher Phase sie sich befinden. Das Thema ist allgegenwärtig.“

Hinzu kommt die Familienplanung. Anton, glaubst Du, in Eurer Mannschaft würde es schon so viele Väter geben, wenn jeder Spieler bei jedem Kind rund ein Jahr mit der Karriere aussetzen müsste?

STACH: „Das ist natürlich schwer zu sagen, aber ich kann es mir ehrlich gesagt nur schwer vorstellen.“

DONGUS: „Bei uns gibt es Vorreiter wie Melanie Leupolz oder Almuth Schult, die während ihrer Karriere ein Kind bekommen haben und wieder zurückgekommen sind. Aber das ist ein harter Kampf. Und ich finde es gut, dass wir über solche Dinge sprechen, weil das auch zu den Vergleichen zwischen Fußballern und Fußballerinnen gehört. Ich kenne Almuth ein wenig und sie wird bei dem Thema noch immer emotional. Da habe ich auch erst realisiert, was für eine harte Zeit das war. Zum einen ein Kind zu bekommen, das schönste Gefühl auf der Welt. Und auf der anderen Seite musste sie dafür kämpfen, weiter bezahlt zu werden und hatte natürlich die Sorge, nie mehr an das vorige Leistungsniveau zu kommen. Es ist schwierig für einige von uns, deren Traum immer war, früh eine Familie zu gründen. Das ist kaum mit dem Fußball zu vereinbaren, der aber ja dennoch unser Lebensinhalt ist. Die Altersgrenzen haben sich zum Glück ein wenig verschoben, aber früher haben fast alle Spielerinnen, die Mutter werden wollten, mit spätestens 30 Jahren ihre Karriere beendet – natürlich ohne finanziell ausgesorgt zu haben. Mit 25 kommt kaum noch jemand auf die Idee, ein Kind zu bekommen, weil man ja ins beste Fußball-Alter kommt. Da muss der Partner dann auch Rücksicht drauf nehmen, das ist nicht einfach für die Familienplanung.“

STACH: „Es wäre definitiv wichtig und wünschenswert, Spielerinnen in diesem Zusammenhang besser zu unterstützen und diese Entscheidung zu vereinfachen. Das Gehalt sollte im besten Fall natürlich von den Klubs für die Zeit sichergestellt werden. Ich habe großen Respekt davor, dass Frauen im Fußball sich dieser wahrlich schwierigen Entscheidung stellen müssen.“

Ein weiteres Thema, dass immer wieder diskutiert wird, ist Homosexualität im Fußball. Lesbische Beziehungen sind längst auch im Fußball normal und öffentlich, schwule Profi-Fußballer gibt es offiziell in Deutschland nicht. Was glaubt Ihr, woran liegt das?

DONGUS: „Bei uns ist das normal und niemand sorgt sich vor Ausgrenzung oder Beschimpfungen bei den Spielen. Deswegen kann man sich so ausleben, wie man das möchte. Beim Männerfußball ist es leider noch eine ganz andere Thematik. Ich kann mir schon vorstellen, dass die mediale Öffentlichkeit und das mögliche Verhalten in der Kabine jemanden davon abhält, sich zu outen. Die Sorge vor Ausgrenzung ist bestimmt sehr groß und ich glaube, dass homosexuelle Fußballer einen schweren Stand haben. Leider.“

STACH: „Das unterschreibe ich genau so. Ich glaube auch, dass viele Fußballer Angst vor Ausgrenzung haben – auch wenn die Gesellschaft generell viel offener geworden ist. Aber der Erste zu sein, ist nochmal ein ganz anderer Schritt – obwohl die LGBTQ-Bewegung schon viel erreicht hat und es sehr viele Menschen geben würde, die den Spieler unterstützen würden. Aber es wäre dennoch eine sehr mutige Entscheidung, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Und es wäre natürlich mit einer medialen Präsenz verbunden, die Kraft kostet und auch vom Sport ablenkt. Darum muss man die Spieler, die sich aktuell noch nicht outen möchten, auch verstehen. Es ist eine sehr persönliche Entscheidung, die gilt es zu respektieren.“

DONGUS: „Ich kann mir vorstellen, dass der erste Spieler in der Bundesliga für sein Outing richtig gefeiert werden würde. Aber auch das ist ja nicht unbedingt das, was jeder anstrebt, also eine Symbolfigur zu werden. Dazu benötigt man Mut und ein dickes Fell. Und auch wenn man heterosexuell ist, hält man sein Privatleben gern privat. Es ist schon ein Prozess, es sich selbst einzugestehen und dann auch noch der Familie. Damit haben viele Menschen schon genug zu kämpfen. Wenn man dann im Fokus steht, ist es schon gut nachzuvollziehen, wie schwer das sein muss.“

Jahrzehntelang waren auch Trainerinnen im Männer- Fußball ein Tabu – das nun langsam bröckelt. Kannst Du Dir vorstellen, von einer Frau gecoacht zu werden, Anton?

STACH: „Klar, warum nicht? Wenn sie für den Sport lebt und es gut macht – dann auf jeden Fall. Es kommt aus meiner Sicht einzig und allein auf die Qualität an. Da spielt es keine Rolle, ob das eine Frau oder ein Mann ist.“

Glaubst Du, dass viele Deine Meinung teilen?

STACH: „Ich denke schon. Ich wüsste auch nicht, was dagegensprechen sollte. Nochmal: Am Ende zählen Leistung und Erfolg.“

DONGUS: „Ich als Frau würde aber schon denken, dass viele Männer dieses Macho-Ego-Problem haben und sich nichts von einer Frau sagen lassen würden.“

STACH: „Das gibt es in Einzelfällen bestimmt auch. Aber für mich persönlich wäre es easy und bei Union Berlin klappt es mit Marie-Louise Eta als Co-Trainerin auch sehr gut. In meinen Schwestern habe ich seit vielen Jahren gute Beispiele dafür, was Mädchen beziehungsweise Frauen im Sport leisten können und wie gut sie ihn verstehen. Übrigens höre ich mir auch immer wieder ganz bewusst ihre Kritik nach einem Spiel von mir an. Und viel dagegen zu argumentieren hatte ich bisher nicht.“

Fabi, Du wurdest bereits von Männern und Frauen trainiert. Gibt es Unterschiede?

DONGUS: „Ich finde, dass Nadine (Rolser, geht im März in Mutterschutz, Anm. d. Red.) bei uns als Co-Trainerin eine wichtige Perspektive reinbringt: ein bisschen weibliches Denken, vielleicht mehr Empathie und mehr Feinfühligkeit für gewisse Situationen. Generell muss ich aber gestehen, dass ich es gut finde, männliche Cheftrainer zu haben. (lacht) Wenn von der Seitenlinie zum Beispiel mal was reingebrüllt werden muss, wirkt es einfach anders – auch wenn das jetzt vielleicht komisch klingt…“

Es geht in diesem Gespräch ja um die ehrliche Meinung…

STACH: „Fabi hat ja gerade ihre persönlichen Erlebnisse und Wahrnehmungen geschildert. Ich hatte persönlich noch keine Berührungspunkte mit einer Trainerin, wurde bislang immer nur von Männern trainiert. Dennoch bleibe ich ganz klar bei dem, was ich zuvor schon gesagt habe: Ich hätte absolut nichts gegen eine kompetente Trainerin im Fußball einzuwenden.“

DONGUS: „Wenn ich längere Zeit von einer Frau trainiert würde, hätte ich vielleicht eine andere Meinung, aber das war immer nur sehr kurz. Momentan finde ich die Kombination aus Cheftrainer und Assistenztrainerin bei uns perfekt.“

Zum Abschluss ein Ausblick: Was glaubt Ihr, wie sieht der Fußball der Frauen im Jahr 2050 aus?

STACH: „Ich bin davon überzeugt, dass er sich bis dahin deutlich weiterentwickelt hat, die Rahmenbedingungen noch besser und die Zuschauerzahlen deutlich höher sein werden.“

DONGUS: „Da stimme ich zu. Ich glaube zudem, dass es höhere Ablösesummen und Gehälter geben wird, aber auch mehr Dinge wie Wintertransfers, die momentan noch nicht richtig dazugehören. Und ich bin mir sicher, dass Frauen und Männer eines Klubs an denselben Standorten trainieren werden, die Trainingsbedingungen werden sich immer mehr angleichen.“

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