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SPIELFELD
16.01.2024

Becker: „In den entscheidenden Momenten muss man da sein“

Im Sommer 2022 wechselte Finn Becker vom FC St. Pauli zur TSG Hoffenheim. Der Norddeutsche brauchte eine gewisse Anlaufzeit im Kraichgau, erhielt zuletzt aber immer häufiger das Vertrauen von Cheftrainer Pellegrino Matarazzo. Der 23-Jährige spricht in seinem ersten großen SPIELFELD-Interview über seine bisherige Zeit in Hoffenheim und die Bedeutung von Interessen außerhalb des Fußballs.

Finn, wir sind mit Dir auf der MS Königin Silvia auf dem Neckar. Bist Du als gebürtiger Elmshorner seetauglich?

„Ehrlich gesagt bin ich gar nicht so häufig auf Schiffen gewesen, obwohl ich aus dem Norden komme. (lacht) Aber ich halte schon ein paar Wellen aus und werde nicht sofort seekrank. Der Neckar ist natürlich auch ruhiger als die Nordsee. Aber Wasser bin ich aus der Heimat gewöhnt und mag ich sehr.“

Was bedeutet Heimat für Dich?

„Wenn ich mit der Bahn nach Hause fahre und dann in Hamburg an der Alster vorbeikomme – das ist unschlagbar. Auch die kurzen Wege ans Meer sind für mich ein Teil meiner Heimat. Wir sind so häufig an die Nordsee gefahren, gefühlt bin ich in St. Peter-Ording aufgewachsen.“

Dann haben wir ja die richtige Foto-Location ausgesucht. Du bist ein Nordlicht, wurdest in Elmshorn geboren und hast mehr als ein Jahrzehnt für den Hamburger Klub St. Pauli gespielt. Vermisst Du Deine Heimat manchmal?

„Auf jeden Fall, ich denke, das ist auch ganz normal. Leider haben wir aktuell nicht viele Auswärtsspiele im Norden. Ich hoffe, dass im nächsten Jahr mindestens eins in Hamburg dazukommt. Es ist auch sehr weit, um einfach mal hochzufahren. Aber ich fühle mich hier in Heidelberg auch richtig wohl. Ich habe mich super eingelebt und mit meiner Freundin auch viele Freunde abseits des Fußballs kennengelernt. Vor allem das Wetter ist hier viel besser. (lacht) In Hamburg ist es einen Monat lang schön, ansonsten regnet es fast ohne Unterbrechung. Aber die Luft in Norddeutschland werde ich immer vermissen, egal wo ich bin. Und natürlich vermisse ich auch meine Familie.“

War es vor anderthalb Jahren ein bewusster Schritt heraus aus dem Norden?

„Ja, ich wollte meine Komfortzone verlassen und etwas anderes sehen. Aber ich wollte auch unbedingt in die Bundesliga, das ist mir mit St. Pauli leider verwehrt geblieben. Dann kam die Anfrage aus Hoffenheim und ich fand das Gesamtpaket einfach gut. Hier hat man alles, was man braucht, um besser zu werden. Natürlich war es nicht einfach ohne die Familie, aber das ist ein Schritt, den man gehen muss.“

Apropos Familie: Dein jüngerer Bruder spielt für die U15 des FC St. Pauli. Fragt er Dich häufiger mal um Rat?

„Er geht schon seinen eigenen Weg. Ich habe ihn nun auch schon länger nicht mehr spielen sehen, weil er zu St. Pauli gewechselt ist, als ich zur TSG gegangen bin. Da haben wir uns leider genau verpasst. Ich höre immer nur, er sei ein Riesentalent. Wir gehen demnächst mal zusammen kicken, ich bin sehr gespannt, was er draufhat. (lacht) Er würde aber, glaube ich, nie zugeben, dass ich sein großes Vorbild bin.“ (lacht)

Das Jahr 2023 war für Dich sehr turbulent: Nach langem Abstiegskampf habt Ihr den Klassenerhalt gefeiert, Du durftest Deine ersten Startelf-Einsätze in der Bundesliga sammeln und standest bei der U21-EM im Kader. Wie blickst Du auf das Jahr zurück?

„Obwohl es vor allem in der Rückrunde der vergangenen Saison nicht immer einfach war, hat 2023 wirklich Spaß gemacht. Mein größtes Ziel war es, mich weiterzuentwickeln. Das habe ich auch getan, das belegen die Startelfeinsätze. Und, ja, dass ich bei der U21-EM mitspielen durfte, war natürlich auch schön. Es war eine coole Erfahrung, auch wenn das Turnier für uns als Team nicht erfolgreich verlief. Ich hoffe, dass zeitnah meine erste Torbeteiligung in der Bundesliga folgt. Das hat leider bislang noch gefehlt.“

In dieser Saison wirst Du regelmäßig eingesetzt, Du hast in drei Spielen in der Startelf gestanden. Fühlst Du Dich jetzt auch in Hoffenheim richtig angekommen?

„Das Gefühl habe ich schon länger, das war schon im Winter vor einem Jahr so. Ich versuche, an jedem Tag und in jedem Training besser zu werden. Das macht mir nach wie vor sehr viel Spaß. Wenn das dazu führt, dass ich mehr spiele, ist es für mich persönlich auch schöner, weil ich der Mannschaft dann auch in den Partien helfen kann.“

Am 33. Spieltag hast Du gegen Union Berlin – in der entscheidenden Partie um den Klassenerhalt – von Beginn an gespielt. Jedoch nicht im zentralen Mittelfeld, sondern auf dem rechten Flügel. Hast Du damit gerechnet?

„Natürlich war ich überrascht, dass der Trainer mir in diesem wichtigen Spiel das Vertrauen geschenkt hat, auf einer Position, auf der ich noch nie gespielt habe. Aber was für ein Sportler wäre ich, wenn ich in so einer Situation nicht an mich glauben würde? Mir wurde eine große Verantwortung übertragen, und ich wollte dieses Vertrauen zurückzahlen. Ich war mir sicher, dass ich es kann. Das war etwas ganz Besonderes, diese Partie zu spielen und den Klassenerhalt zu feiern – auch wenn dieser natürlich viel zu spät eingefahren wurde.“

Du sprichst es an. Die vergangene Saison war weder für den Klub noch für Dich persönlich einfach. Welche Gründe gab es dafür?

„Ich habe ein bisschen Zeit gebraucht, um mich zurechtzufinden, ich habe vorher mein gesamtes Leben in meiner Heimat verbracht. Ich bin aber selbstkritisch genug, um sagen zu können, dass es an mir lag. Ich habe etwas Anlaufzeit benötigt. Zum Saisonstart lief es auch sehr gut für uns als Team, da hatte der Trainer wenig Grund, etwas zu ändern. Als dann aber die Niederlagen kamen, hatte ich schongehofft, mehr Einsatzzeit zu erhalten. Spätestens mit dem Trainerwechsel habe ich dann auch mehr Chancen bekommen.“

Hast Du bei Pellegrino Matarazzo auf Anhieb das Vertrauen gespürt?

„Ich war direkt nach dem Trainerwechsel auch besser im Training, da habe ich meine Leistung endlich gebracht. Aber in den ersten beiden Spielen unter Rino stand ich trotzdem nicht im Kader. Ich habe weiterhin hart gearbeitet und hatte bei ihm ein sehr gutes Gefühl. Wir schätzen uns auch persönlich und er weiß, was ich kann und woran ich noch arbeiten muss. Das gibt mir ein gutes Gefühl.“

Im Sommer hat der Verein Konkurrenten auf Deiner Position verpflichtet. Wie hast Du die Transfers von Anton Stach und Florian Grillitsch aufgenommen?

„Es ist die Bundesliga, da muss man Leistung bringen. Ich möchte mich durchsetzen, da kann kommen, wer will. Ich kann noch sehr viel lernen und die Qualität der neuen Spieler hilft mir auch bei meiner Entwicklung. Ich will mich mit den Besten messen. Durch die neuen Jungs ist auch die Trainingsqualität hoch, das hilft mir, denn dann werde ich auch besser. Und am Ende ist Fußball schnelllebig: Durch Verletzungen, Sperren oder andere Umstände erhält man immer seine Chance, so lang man nicht im Training nachlässt. In den entscheidenden Momenten muss man da sein.“

Bist Du die Saisonvorbereitung anders angegangen als im Vorjahr?

„Ich habe gemerkt, dass es sehr wichtig ist, den Kopf auch abseits des Fußballs zu beschäftigen. Ich habe angefangen, Spanisch zu lernen, zum einen über eine Sprach-App, zum anderen erhalte ich zusammen mit Tom Bischof einmal pro Woche Stunden von einer Lehrerin. Aktuell habe ich mit dem Golfen angefangen und spiele mit dem Gedanken, ein Fernstudium zu beginnen. In meinem ersten halben Jahr in Hoffenheim, in dem ich kaum gespielt habe, hat mich die Situation runtergezogen. Wenn man andere Dinge im Leben findet, die einen begeistern, bei denen man dazulernen kann, ist das auch für die Leistung auf dem Platz hilfreich. Ich habe nun viel weniger Zeit, mir negative Gedanken rund um den Fußball zu machen. Diese Themen, die den Kopf beanspruchen, aber mit Fußball wenig zu tun haben, helfen mir persönlich extrem. Am Ende ist es eben nur Fußball, das darf man nie vergessen. Meine Freundin und ich haben auch bewusst Freunde außerhalb des Sports, um nicht immer nur die gleichen Gesprächsthemen zu haben.“

An was für ein Studium denkst Du?

„Es wird wahrscheinlich BWL. Ich wäre gern zur Uni gegangen und hätte das Studentenleben mitgemacht. Manchmal wäre ich schon gern ein ganz normaler Student, wie andere in meinem Alter, aber das wird jetzt natürlich schwierig. (lacht) Ich informiere mich aktuell, welches Fernstudium für mich in Frage kommen könnte. Das schadet sicher auch nicht für die Zeit nach der Karriere, auch wenn ich natürlich noch viele, viele Jahre Fußball spielen möchte.“

Und warum lernst Du ausgerechnet Spanisch?

„Ich mag Spanien sehr gern, mache dort gern Urlaub und auch die Sprache ist einfach sehr schön. Ich hatte es schon in der Schule und möchte mich nun weiter verbessern. Im Urlaub habe ich schon versucht, Bestellungen im Restaurant auf Spanisch auszuführen und im Alltag so viel wie möglich anzuwenden. Man lernt die Sprache natürlich nur richtig, wenn man sie auch spricht. Das ist hier nicht immer möglich, dazu fehlt uns auch ein Spanier im Kader, seit Angeliño weg ist.“ (lacht)

Das Thema Urlaub war für Dich auch bei Deiner Nominierung für die U21-EM präsent. Du warst eigentlich auf dem Weg in die Berge mit einem Freund, dann wurdest Du aber für das Turnier nachnominiert. Habt Ihr schon eine neue Reise geplant?

„Er studiert in Kopenhagen, da habe ich ihn kürzlich besucht. Robert (Skov, Anm. d. Red.) hat mir damals auch Tipps gegeben, er hätte mich aber ruhig besser über die Kleine Meerjungfrau informieren können, die war nicht wirklich spektakulär. (lacht) Aktuell absolviert mein Kumpel sein Master-Studium, aber im nächsten Sommer holen wir den Urlaub nach. Lustigerweise waren wir damals in Südtirol, wo auch die U21 ihr Trainingslager hatte. Die Nachnominierung hat dann irgendwie so sein sollen, auch wenn das Turnier sportlich nicht erfolgreich war.“

Besucht Dich Deine Familie manchmal hier im Kraichgau?

„Durch meine beiden jüngeren Geschwister, die auch Sport ausüben und jedes Wochenende ein Spiel haben, ist es für meine Eltern natürlich nicht so einfach. Sie waren aber in den Herbstferien mit dem Wohnmobil da. Ich versuche wiederum, in den Länderspielphasen hochzufahren. Ich bin aber im Urlaub eher für ein Hotel, ich kann Camping nicht so viel abgewinnen.“ (lacht)

Eine letzte Frage: Wir schreiben immer und überall „Finn Ole“, Du selbst nennst Dich auf Instagram aber nur „Finn“. Reicht Dir Dein erster Vorname bei der Ansprache?

„Finn reicht vollkommen aus. Meine Eltern sehen Finn Ole aber als einen Namen, Ole ist für sie nicht mein zweiter Vorname, sondern gehört dazu. (lacht) Darüber diskutiere ich mit ihnen auch nicht selten. Aber es reicht mir wirklich, wenn ich künftig nur noch Finn genannt werde.“

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