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SPIELFELD
14.11.2023

Ozan Kabak: „Da kommt ein anderer Ozan zum Vorschein“

Im Sommer 2022 kam Ozan Kabak vom FC Schalke 04 zur TSG Hoffenheim. Der Innenverteidiger etablierte sich auf Anhieb in der TSG-Defensive und erzielte in bisher 43 Partien bereits fünf Treffer. Der 23-Jährige spricht im SPIELFELD-Interview über die vielen Aufs und Abs seiner Karriere, sein Entwicklungsprozess und sein Verhältnis zu TSG-Coach Pellegrino Matarazzo. Zudem erzählt der Türke, wie sehr sich der Fußballer vom Menschen Ozan Kabak unterscheidet, und er erklärt die Bedeutung der Teilnahme an der EURO 2024 in Deutschland.

Ozan, bist Du zufrieden mit dem Saisonstart und den ersten Monaten der neuen Spielzeit?

„Wir haben zwischenzeitlich vier Spiele nacheinander gewonnen und sind somit durchaus positiv gestimmt. Vor allem unsere Leistungen, aber auch unsere Tabellensituation dürfen uns nach diesem Saisonstart sicherlich ein Stück weit zufrieden stellen. Dennoch müssen wir weiter hart arbeiten, um Kontinuität und Konstanz in unsere Leistungen zu bringen – gerade auch daheim.“

Was hat sich verändert im Verhältnis zur sehr komplizierten Vorsaison, welche die TSG in akute Abstiegsnot brachte?

„Die vergangene Saison war ganz anders. Ich hatte es ja zuvor schon einige Male mit anderen Vereinen erlebt, wie schwer es ist, das Momentum umzudrehen, wenn es sportlich einfach nicht läuft und du als Mannschaft in so einen Negativstrudel gerätst. Genau das ist uns passiert. Aber auch wenn wir noch am Anfang dieser Saison stehen, kann ich bereits jetzt sagen, dass es in dieser Spielzeit anders sein wird. Die Atmosphäre in der Mannschaft und im Trainerstab ist immer sehr positiv und auf dem Platz wird sehr hart gearbeitet. Der Trainer hat stets gute Analysen, bereitet uns sehr gut vor – und in der Mannschaft stimmt es auch abseits des Spielfelds.“

Ist der aktuelle Kader im Vergleich vielleicht auch besser?

„Es wäre angesichts der positiven Ergebnisse im Nachhinein natürlich einfach, jetzt ‚Ja‘ zu sagen – allerdings empfinde ich das als etwas albern. Wir hatten auch vergangene Saison gute Spieler, ein wirklich gutes Team. Aber wir hatten viele Verletzungen, unglücklich verlaufene Spiele und eine lange Winterpause, was sich auf unterschiedliche Weise ausgewirkt hat. Ich denke, es ist grundsätzlich falsch, solche Vergleiche anzustellen.“

Du bist in Deiner Karriere dreimal abgestiegen. Hattest Du vergangene Saison Angst, dass es einen vierten Abstieg geben könnte?

„Ich weiß, wie schwer es ist, das Ruder herumzureißen, wenn etwas schiefläuft. Nach dem verlorenen Spiel in Freiburg (1:2 am 24. Spieltag; d. Red.) hatten wir einen Teamabend. Einige Jungs waren sehr besorgt, fast ängstlich. Ich habe dann auch das Wort ergriffen und der Mannschaft gesagt, dass ich schon dreimal in dieser Situation war, aber dieses Team anders ist. Ich wusste, dass wir genug Qualität haben, um die Klasse zu halten. Es geht darum, mental stark zu bleiben. Man darf sich nicht von verlorenen Spielen aufhalten lassen, sondern muss weitermachen und sich darauf konzentrieren, auf dem Trainingsplatz hart zu arbeiten und auf dem Spielfeld 100 Prozent zu geben. Dann, da war ich mir sicher, würden wir in der Liga bleiben. Genau das habe ich der Mannschaft an dem Abend gesagt – und genau das ist auch eingetreten.“

Du bist absoluter Stammspieler, standest bis zu Deiner Verletzung im Bremen-Spiel immer in der Startelf. Dabei herrscht auf Deiner Position in der Innenverteidigung ungemein viel Konkurrenz. Hilft Dir das womöglich, um Dich zu entwickeln?

„Absolut. Wenn man mit vielen Spielern konkurriert, muss man bessere Leistungen bringen, um vom Trainer ausgewählt zu werden. Zudem haben wir so viele gute Spieler mit viel Erfahrung, von denen ich Tipps und Ratschläge mitnehmen kann. Es ist immer gut, viele starke Spieler um sich herum zu haben. Das macht dich auch selbst zu einem besseren Spieler. Denn es gibt viele Dinge, die ich noch verbessern kann und will.“

Auf dem Spielfeld bist Du ein Akteur, der nach vorn geht, laut und aktiv ist. Abseits des Rasens wirkst Du sehr ruhig. Wie schaltest Du da um?

„Alle sagen, dass ich im Spiel immer so hart angreife und herumschreie, dass ich Feuer und Flamme bin. Auf dem Spielfeld war ich schon immer sehr aggressiv, aber außerhalb des Platzes bin ich ruhig und freundlich. Ich versuche zu gewinnen, alles dafür zu tun, um die Stürmer auszuschalten, aber abseits des Platzes kann ich total leicht abschalten. Da kommt dann ein anderer Ozan zum Vorschein.“

„Es war eine Achterbahnfahrt für mich. Es hat mich zugleich auch zu einem reiferen Spieler und auch zu einem reiferen Menschen gemacht.“

Nicht nur Deine ruhige Art überrascht. Auch Dein junges Alter, im Angesicht Deiner bereits knapp 100 Bundesliga-Spiele und einer imponierenden Karriere bei Top-Klubs.

„Es gibt dazu wirklich viele lustige Geschichten. Einige der TSG-Spieler glaubten, ich sei erheblich älter. Als sie herausfanden, dass ich 23 bin, lachten sie: ‚Wir dachten, du wärst 30.‘ Nicht wegen meines Aussehens, sondern wegen meiner bereits verhältnismäßig langen Karriere mit vielen Klubs und auch der Art, wie ich spiele. Mein Charakter war schon immer reif, in jungen Jahren war ich schon oft der Kapitän – und mit gerade einmal 18 Jahren Profi bei Galatasaray. Dann kamen die Abstiege mit Stuttgart und Schalke, der Wechsel nach England zu Liverpool und Norwich und die Rückkehr nach Deutschland zur TSG. Es war eine Achterbahnfahrt für mich. Es hat mich zugleich auch zu einem reiferen Spieler und auch zu einem reiferen Menschen gemacht. Ich habe verschiedene Erfahrungen gemacht, aber das alles gibt mir nur positive Vibes. Diese Erfahrungen machen mich zu einem besseren Fußballer.“

Du hast viele Klubwechsel erlebt. Ist es Dein Plan, nun längere Zeit bei der TSG zu bleiben?

„Meine Karriere gleicht, wie gesagt, einer Achterbahnfahrt, immer auf und ab. Ich wollte mich einfach an einem Ort niederlassen, an dem ich alle Spiele bestreiten und mich auch nachhaltig verbessern kann. Ich denke, ich habe in der TSG nun diesen Verein gefunden. Ich hoffe, dass ich noch viele Jahre hier spielen und mich so sportlich auf eine neue Ebene bringen kann.“

Zu der Achterbahnfahrt gehört, dass Du schon sehr lange getrennt von Deiner Familie lebst.

„Ich bin von meiner Familie getrennt, seit ich zwölf Jahre alt war. Meine Eltern lebten nicht in Istanbul, aber ich ging dann mit zwölf Jahren auf die Galatasaray-Akademie. Meine Eltern haben mich immer vermisst und versucht, mich zu besuchen, aber als Kind war das natürlich nie genug. Es war sehr schwer. Ich bin dann parallel zum Fußball zur High School gegangen, fünf Jahre lang, ehe ich Profi wurde. Es war eine harte Zeit und eine schwere Phase, durch die ich gehen musste, aber es hat sich gelohnt. Und nun kann ich sagen: ‚Ich habe es geschafft‘.“

Wie oft siehst Du Deine Familie nun?

„Wir haben als Familie eine WhatsApp-Gruppe, in der wir viel chatten und natürlich viele FaceTime-Anrufe führen. Meine Familie versucht schon, mich sehr regelmäßig hier zu besuchen. Meine Eltern leben mittlerweile allein in Istanbul. Mein kleiner Bruder Emre ist 19, spielt auch Fußball, in der Türkei, vierte Liga. Er ist ein Innenverteidiger wie ich und ich bin auch sein Idol. (lacht) Gleichzeitig geht er auf die Universität und betreibt ein Sportgeschäft. Meine Schwester Zelal ist 25, hat in England studiert und arbeitet dort als Physiotherapeutin. Als ich in Liverpool spielte, besuchte sie mich, dann kam auch meine ganze Familie zur COVID-Zeit noch rüber nach England. Da waren wir mal länger als ganze Familie zusammen – eine schöne Erfahrung.“

Du hast über Istanbul gesprochen. Wie oft seht Ihr Euch da?

„Wegen der Nationalelf fahre ich fünf- oder sechsmal im Jahr nach Istanbul, aber da habe ich keine Freizeit abseits des Fußballs. Im Sommer habe ich ein paar Wochen frei und versuche, da Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Istanbul ist meine Stadt. Ich vermisse sie wirklich, aber es gibt etwas, das mich hier hält: der Fußball und die TSG. Ich bin glücklich damit. Denn ich weiß, dass es sich lohnt, hier zu bleiben und hier 100 Prozent zu geben.“

In Istanbul hast Du unter Trainer Fatih Terim gespielt. Wie ist Deine Beziehung zu ihm?

„Fatih Terim war schon immer eine Legende. Für uns Türken, nicht nur die Spieler, sondern für das gesamte Volk, war er ein Idol, denn die Dinge, die er erreicht hat, sind unglaublich. Ich habe in ihm schon als Kind ein Vorbild gesehen. Ich hatte ihn als Trainer, als ich 17, 18 Jahre alt war. Er hat mir mein Debüt in der Champions League ermöglicht. Fatih Terim hat an mich geglaubt. Ich würde sagen, er ist die wichtigste Person in meinem sportlichen Leben und hat mich zu dem Spieler gemacht, der ich jetzt bin. Ich bin glücklich, dass sich unsere Wege gekreuzt haben.“

Später beim FC Liverpool spieltest Du dann unter Jürgen Klopp.

„Er ist einer der besten Trainer der Welt. So ein cooler Typ, ein großartiger Trainer, dazu sehr hilfsbereit. Ich habe sowohl zu Jürgen Klopp als auch zu Fatih Terim noch immer regelmäßigen Kontakt, das belegt auch ihren tollen Charakter. Ich habe eine Menge von Jürgen Klopp gelernt, hatte insgesamt ein tolles halbes Jahr in Liverpool. Es war unglaublich für einen kleinen Jungen wie mich, der gerade einmal 20 Jahre alt war. Das waren alles Weltklassespieler, aber gleichzeitig waren sie wahnsinnig bescheiden. Das hat mich wirklich beeindruckt. Es war eine große Ehre, mit diesem Wappen auf der Brust zu spielen, in einer der besten Mannschaften der Welt. Ich erinnere mich, dass ich am ersten Tag in die Umkleidekabine kam, rechts saß Thiago, und links sah ich Virgil van Dijk, mein Vorbild. Ich dachte mir: ‚Das muss ein Traum sein.‘“

Ein fast unwirklicher Moment.

„Ja, genau. Das sind Spieler, gegen die wir früher auf der PlayStation gespielt haben, und plötzlich war ich ihr Teamkollege. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich begriffen habe, dass es echt war. Es waren unglaubliche Momente.“

Wir haben über zwei Deiner früheren Trainer gesprochen. Aber wie läuft die Zusammenarbeit mit TSG-Coach Pellegrino Matarazzo?

„Ich arbeite sehr gern mit Rino zusammen. Die Mentalität und die taktischen Dinge, die er vergangene Saison in der schwierigen Zeit vermittelt hat, haben sich schnell bewährt. Er hat unserer Mannschaft viel Auftrieb gegeben. Ich mag seine Idee vom Fußball und ich mag Rino, weil er ein positiver, unterstützender Typ ist. Man spürt, dass der Trainer hinter einem steht, und er da ist, wenn man ihn braucht. Hoffentlich können wir noch viele gute Dinge zusammen erreichen.“

Noch eine Frage zum Abschluss: Wir haben dieses Interview auf Englisch geführt. Aber wir haben bei TSG.TV gesehen, dass es mittlerweile auch in der deutschen Sprache ganz gut funktioniert. Wie wichtig ist Dir das?

„Ich habe für das Interview auf Deutsch ein sehr gutes Feedback bekommen, auch vom Trainer. Ich lerne schon seit drei oder vier Jahren Deutsch. Nicht durch Unterricht, sondern einfach durch Zuhören und Gespräche. Ich spreche diese Sprache eigentlich wirklich sehr gern, weil es prinzipiell die Kabinensprache ist, auch wenn ich auf dem Platz, zum Beispiel mit Jay (Brooks; d. Red.), dann eher Englisch spreche oder wie bei Pavel einfach mische. Man kann ja immer einen Weg finden, zu interagieren. Es ist aber wirklich wichtig für mich, Deutsch zu lernen, denn ich möchte einfach alles verstehen, was auf und auch außerhalb des Rasens passiert. Also: Das nächste SPIELFELD-Interview führen wir auf Deutsch.“ (lacht)

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