Alle Ergebnisse TSG eSPORTS TSG IST BEWEGUNG TSG Radio
SPIELFELD
07.03.2023

Der gute Hirte

Kevin Akpoguma steht bereits seit 2013 bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag. Doch nicht nur auf dem Rasen hat der Verteidiger seine Bedeutung für die TSG schon häufig unter Beweis gestellt, auch abseits des Platzes hat der 27-Jährige eine wichtige Rolle eingenommen. „Akpo“ kümmert sich um die jungen Spieler und hilft ihnen bei ihrem Start in die Profi-Karriere. Das hat mit seinem Charakter zu tun – aber auch mit einer TSG-Legende, die vor zehn Jahren für ihn da war.

Das Jahr 2023 hätte für David Mokwa eigentlich kaum schöner beginnen können. Er war nach starken Leistungen in der U19 zum ersten Mal im Trainingslager der Bundesliga-Mannschaft dabei, erhielt an der portugiesischen Algarve die große Chance, sich zu beweisen – doch was eine unvergessliche Reise in die Welt des Profifußballs werden sollte, entwickelte sich für den Angreifer zunächst zu einem Trip der Enttäuschung.

Eine schwere Erkältung setzte den Franzosen außer Gefecht. Allein saß der 18-Jährige beim Essen, das Gesicht von einer Maske bedeckt und zu schüchtern, um sich am Buffet zu bedienen. Die Sorge, etwas falsch zu machen oder gar Mitspieler anzustecken, war groß, die Lockerheit verflogen. Doch mitten in die Tristesse trat Kevin Akpoguma. Der erfahrene Bundesliga-Spieler brachte ihm Wasser, Obst sowie Besteck und ermunterte ihn zum Gang ans Buffet. Der Verteidiger kümmerte sich um das Wohlergehen von Mokwa. Eine kleine Geste mit großer Wirkung – Mokwa fand sein Lächeln wieder und stand nach auskurierter Erkältung in den letzten Einheiten des Trainingslagers voller Tatendrang mit den Bundesliga-Spielern auf dem Platz.

Kevin Akpoguma als der gute Hirte der TSG – die Ereignisse in Portugal waren kein Einzelfall. Der 27-Jährige hat ein feines Gespür für seine Mitspieler, steht den Talenten stets mit Rat und Tat zur Seite. Fast jeder der zuletzt aus der Akademie hochgezogenen Spieler berichtet von ähnlichen Situationen, die Hoffenheimer Talente schätzen die offene Art des Verteidigers – und sind ihm dankbar.

Denn die Bundesliga-Luft kann zu Beginn sehr dünn sein. Die ungewohnte Umgebung, das höhere Niveau, der Respekt vor den etablierten Profis – all das kann durchaus einschüchternd wirken. Akpoguma weiß das. Zwar ist er bereits seit fast zehn Jahren dabei, doch die Erinnerungen an die Anfänge der Laufbahn, als er 2013 als 18-Jähriger vom KSC zur TSG wechselte, sind frisch – und damit auch jene an damalige Unterstützer und Förderer. Sein persönlicher Akpoguma heißt Sejad Salihović – und lebte dem jungen Kevin damals vor, was dieser mittlerweile eindrucksvoll an die nächste Spieler-Generation weitergibt.

Dass ihn damals einer der Top-Stars des Teams unter seine Fittiche nahm, beeindruckte Akpoguma. „Sejad Salihović kümmerte sich sehr um die jungen Spieler. Sei es auf dem Rasen, neben dem Platz, außerhalb des Trainingszentrums. Das war eine große Hilfe und das werde ich ihm nie vergessen.“ Doch der Bosnier half nicht nur beim Einleben, er hatte zudem eine erzieherische Funktion, auch diesen Aspekt hat sich der TSG-Verteidiger abgeschaut: „Es geht darum, dass die jungen Spieler nicht vergessen, respektvoll zu bleiben sowie Demut und Dankbarkeit zu zeigen. Dafür war Sali in meiner Karriere unglaublich wichtig.“

Vom Geförderten zum Förderer. Eine Entwicklung, die auch denjenigen freut, der diese maßgeblich beeinflusste. „Akpo ist ein guter Junge und hat einen tollen Charakter“, sagt Sejad Salihović über seinen ehemaligen Schützling. „Das konnte man damals schon sehen und natürlich freut es mich, dass er sich so toll bei der TSG entwickelt hat. Ich wollte den jungen Spielern damals helfen und ihnen ein paar Tipps geben. Es freut mich und spricht für ihn, dass er sich das zu Herzen genommen hat und nun an junge Spieler weitergibt.“

An eine besondere Situation, in der ihm Salihović zur Seite sprang, erinnert sich Akpoguma noch immer. „Wir hatten ein Trainingsspiel, ich habe einen Pass zum Stürmer gespielt, der ihn auch bekommen, aber den Ball dann verloren hat. Er schrie mich an: ‚Was ein scheiß Ball!‘, doch Sali sagte direkt: ‚Das war kein scheiß Ball, mach ihn halt besser fest!‘ Diese Unterstützung war sehr wichtig für mich als jungen Spieler.“ Schließlich sei es für Nachwuchsspieler bei allem Respekt auch wichtig, das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten auch auf einem höheren Leistungslevel nicht zu verlieren.

Das Mikroklima innerhalb einer Mannschaft ist bisweilen komplex, so sitzen dort Teenager zusammen mit Familienvätern, Nationalspieler neben U19-Akteuren. Doch Akpoguma erkennt einen Wandel. „Ich glaube, dass es für junge Spieler insgesamt einfacher geworden ist.“ Dies habe auch mit der allgemeinen Entwicklung des Fußballs zu tun, denn mittlerweile sind viel mehr Spieler als früher im Alter von 18 Jahren schon gut genug, um in der Bundesliga zu spielen. „Natürlich gab es in meinem Alter auch Spieler wie Niklas Süle, die schon sehr früh sehr weit waren – aber ich war es noch nicht.“ Da die Talente nun sportlich schon viel besser mithalten können, sei es für sie auch innerhalb der Kabine einfacher.

Dies erlebt aktuell Tom Bischof, der als 17-Jähriger sogar schon häufiger in der Startelf stand. Auch der Teenager bezeichnet Akpoguma als „wichtigen Bezugspunkt“, der auch außerhalb des Sports stets für jeden Spaß und coole Aktivitäten zu haben ist. Dass Kevin Akpoguma ein idealer Ansprechpartner und erfahrener Ratgeber für die Jungen ist, liegt nicht allein in der Mentoren-Schule von Salihović begründet. Auch die eigene Laufbahn hat den gebürtigen Neustädter geprägt, dessen Weg in die Bundesliga keineswegs linear verlief. Der Innenverteidiger, der im April seinen 28. Geburtstag feiert, kam als absolutes Top-Talent vom Karlsruher SC zur TSG Hoffenheim, musste dann aber zwei Jahre in der U23 spielen, sowie den Umweg über Leihen zu Fortuna Düsseldorf und Hannover 96 gehen, um letztlich mehr als 100 Bundesliga-Partien für die TSG zu absolvieren und in der Champions League aufzulaufen. Dazu haben ihn Verletzungen immer wieder für längere Zeit außer Gefecht gesetzt. Diesen Schatz an Erfahrungen – positiven wie negativen – gibt er nun weiter.

Die Rolle als Mentor hat er nicht von einem Trainer zugewiesen bekommen. „Das entspricht meinem Charakter. Für mich ist das normal, ich muss mich nicht verstellen.“ Er selbst bezeichnet sich als offenen und familiären Menschen. „So wurde es mir auch zu Hause beigebracht: immer freundlich sein, immer höflich sein, immer selbstlos sein.“ Das hat Vorteile, wie er lächelnd erzählt: „Ich weiß, dass wenn ich mal etwas von Jemandem benötige, ohne schlechtes Gewissen danach fragen kann. Die Jungs wissen: Akpo würde das genauso für mich tun.“

Der Profifußball ist ein stetiges Auf und Ab. Es hilft, in der Mannschaft stabile zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. In Hoffenheim sind diese trotz der großen Konkurrenz sehr ausgeprägt. Aufgrund der hohen Leistungsdichte stand Akpoguma in dieser Spielzeit vor großen Herausforderungen, schließlich verpflichtete die TSG in Ozan Kabak, Stanley Nsoki, Eduardo Quaresma und zuletzt John Anthony Brooks gleich vier Konkurrenten für seine Position. Neue Mitspieler, neue sportliche Rivalen, die gleichzeitig hochgeschätzte Teamkollegen werden – ein kompliziertes Spannungsfeld. Doch der viermalige nigerianische Nationalspieler kennt das Geschäft, vertraut seinen Fähigkeiten und genießt seinerseits das Vertrauen der Mitspieler und Verantwortlichen. So setzte er sich auch in dieser Saison durch und stand in der Hinrunde in 15 von 17 Partien auf dem Platz.

„Alle wissen, dass ich für diesen Verein immer alles geben werde, weil der Klub in Situationen, in denen es für mich nicht so gut lief, immer an mich geglaubt hat. Die TSG Hoffenheim ist nach all den Jahren mehr als nur ein Verein geworden. Ich habe eine intensive Bindung zum Klub und der Region aufgebaut, die so leicht nicht weggehen wird“, sagt Akpoguma. Auch deshalb schmerzt ihn die aktuelle Tabellensituation besonders. Doch der Mann mit der Nummer 25 hat viele solcher Situationen erlebt und ist zuversichtlich, dass bald wieder bessere Zeiten anbrechen – nicht zuletzt aufgrund der vielen Talente im Aufgebot, die auch durch seine Unterstützung zu wertvollen Alternativen heranreifen: „Der Kader ist super, der Kader gibt Gas, der Kader ist talentiert. Die jungen Spieler werden uns früher oder später helfen, um wieder dorthin zu kommen, wo wir in der Vergangenheit standen.“

Jetzt Downloaden!
Seite Drucken nach oben