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SPIELFELD
28.12.2022

Mit Liebe zum Detail

Seit dieser Saison ist Fabian Sander Spielanalyst bei der TSG Hoffenheim. Der 37-Jährige wechselte gemeinsam mit André Breitenreiter und Darius Scholtysik vom FC Zürich in den Kraichgau. Bei der TSG kümmert sich Sander im Team mit Timo Gross, Matthias Güldner und Niklas Hagenhoff um die Videoanalyse der eigenen Bundesliga-Mannschaft sowie der Gegner. Dass der ehemalige A-Junioren-Spieler von Energie Cottbus im Profi-Fußball gelandet ist, liegt auch an seinem Vater Petrik Sander.

Wenn Fabian Sander von seinem Beruf erzählt, erhält er oft schelmische Rückfragen, wie er selbstironisch erzählt: „Und das ist ein Fulltime-Job?“ oder „Also bist Du ein Fußball-Nerd?“. Doch wer sich mit dem Thema Spiel- und Videoanalyse im Fußball ein wenig auskennt, der weiß, dass es eine intensive Beschäftigung ist, als Analyst bei einem Fußball-Bundesligisten zu arbeiten. Neben geschulten Augen benötigt man extreme Fachkenntnisse, taktisches Verständnis und ein großes Maß an Leidenschaft, um auch kleinste Details zu erspähen und zu analysieren. Und Details sind wichtige Puzzlestücke, die den Unterschied machen im mittlerweile von Daten gefluteten Profi-Fußball. „Ich verstehe es, wenn es auf den ersten Blick so wirkt, als würden wir den ganzen Tag vor dem Laptop hocken und dafür bezahlt werden, Fußball zu schauen. Also was andere in ihrer Freizeit machen, nur dass wir etwas versessener sind“, sagt Sander und ergänzt: „Es gehört noch viel mehr dazu.“

Für Analysten gilt der abgewandelte Herberger'sche Leitsatz: Das nächste Spiel ist stets das Wichtigste. Entsprechend ist die Aufgabenstellung: Wie wird der Matchplan aussehen? Wie spielt der Gegner? Was müssen wir verändern? Welche Rückschlüsse ziehen wir aus der vergangenen Partie? Doch der besondere Reiz, analog zu den Spielern, liegt in den jeweiligen 90 Minuten am Spieltag. Über die gesamte Spieldauer hinweg steht Sander unter Spannung und ist „im Tunnel“. Müssen wir etwas umstellen? Haben wir den richtigen Plan aufgestellt? Die Analysten, die hoch oben auf der Tribüne sitzen, ihre besondere Sicht auf das Spiel nutzen und mit einem Co-Trainer via Funk verbunden sind, übermitteln ihre aus der Vogelperspektive gewonnenen Eindrücke stets live auf die Bank. In der Halbzeitpause geht Fabian Sander in die Kabine, bespricht sich mit Chefcoach André Breitenreiter und zeigt dem Team anschließend drei bis vier Szenen aus der ersten Hälfte. „Unsere Arbeit hat einen direkten Einfluss auf die Spiele. Das ist schon ein super Gefühl“, sagt Sander.

Abseits des Spieltags ist der Job des Analysten mit vielen Stunden am Computer und intensivem Videostudium verbunden. „Die Bezeichnung Nerd kommt ja nicht von ungefähr. Aber nur vor dem PC sitzen und sich Fußball anschauen – das reicht nicht. Da gehört schon mehr dazu.“ Im Analysten-Team der TSG teilen sich vier Experten die vielseitigen Aufgaben. Matthias Güldner ist für die Gegneranalyse zuständig, Niklas Hagenhoff kümmert sich um die Datenauswertung, Timo Gross und Fabian Sander sind gemeinsam für Standardsituationen, die eigenen Trainingseinheiten und die Individualanalyse verantwortlich. „Vermutlich kann man es so zusammenfassen: Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass weder das Trainerteam noch die Spieler in den 90 Minuten überrascht werden können und möglichst perfekt vorbereitet sind“, sagt Sander.

Beim Blick auf die nächste Partie wird nichts dem Zufall überlassen. Nach dem Anpfiff steigt die Spannung, wie Sander einräumt: „Das schönste Gefühl ist es, wenn unser Matchplan genau aufgeht und die Sachen im Stadion so umgesetzt werden, wie wir es uns vorgestellt haben. Da geht mir das Herz auf und es zeigt mir immer aufs Neue: Das ist es, was ich machen will.“

Trotz seiner erst 37 Jahre hat er schon reichlich Erfahrung in der Branche gesammelt. Sander wuchs in Cottbus auf und hatte quasi gar keine andere Chance, als mit dem Fußball in Verbindung zu kommen. Sein Vater Petrik war Co-Trainer bei Energie Cottbus, als Fabian gerade aufs Gymnasium kam. Und so spielte er selbst im Verein Fußball und schaffte sogar den Sprung in die Jugend von Energie Cottbus. Bis zur A-Junioren-Bundesliga spielte er für die Lausitzer. „Ich habe dann realisiert, dass die anderen schlichtweg besser sind und es wohl nicht zum Profi reichen wird. Dazu kamen ein paar Verletzungen, daher habe ich nach einem Job gesucht, in dem ich dem Fußball treu bleiben konnte“, sagt Sander.

Schon während seiner aktiven Zeit als Fußballer bemerkte der ehemalige Mittelfeldspieler, dass er die Partien anders verfolgt als seine Freunde. „Wie kommt der Ball am effektivsten von A nach B? Warum funktioniert dieses System besonders gut?“, beschreibt Sander die Fragen, die er sich schon damals stellte. Er tastete sich an die Analyse heran, machte sich vermehrt Notizen und gab seinem Vater, mittlerweile Chef-Trainer bei Energie Cottbus, immer wieder Tipps vor Spielen. Aus diesem Hobby wurde eine geschätzte Expertise, auf die Petrik Sander nicht mehr verzichten wollte: Fabian Sander wurde als Scout und Videoanalyst in Cottbus angestellt.

Gemeinsam hatte die Familie enormen Erfolg, stieg in die Bundesliga auf und schaffte es, als Außenseiter in der ersten Saison die Klasse zu halten. Und Fabian Sander hatte seinen Traumjob gefunden: „Fußball schauen macht mir einfach enorm Spaß. Ich habe schnell realisiert, dass ich einen analytischen Blick darauf habe. Ich habe mich für Dinge interessiert, die meinen Freunden während der Spiele komplett egal waren. Ich konnte dadurch mein Hobby zum Beruf machen.“

Der studierte Sportwissenschaftler bildete sich dennoch stetig weiter und arbeitete anschließend in unterschiedlichen Funktionen für verschiedene Fußball-Vereine. Unter anderem auch in der Marketing- Abteilung von Wormatia Worms. „Mir hat das unglaublich viel Spaß gemacht und ich habe daran auch sehr viel Interesse. Während meiner Zeit beim FC Zürich wurde es jedoch etwas viel, um sowohl in der Spielanalyse als auch im Marketing zu arbeiten. Ich habe mich deshalb entschieden, den Fokus voll auf die Analyse zu richten.“

Seine Entwicklung seit dem vorigen Sommer sollte ihn bestätigen. Im Juli verstärkte er das Analyse-Team der TSG Hoffenheim und kehrte in verantwortungsvoller Position in die Bundesliga zurück. Welche Wertschätzung der gebürtige Quedlinburger in der Branche genießt, zeigt die Tatsache, dass André Breitenreiter ihn nach einem Jahr gemeinsamer Arbeit unbedingt bei der TSG haben wollte. „Das hat mir sehr viel bedeutet. Wir verstehen uns auch abseits des Trainingsplatzes gut und machen manchmal auch privat etwas gemeinsam“, sagt Sander.

Beim Angebot der TSG musste der Analyst nicht lange überlegen. Obwohl er beim FC Zürich gerade Schweizer Meister geworden war und seine Frau einen festen Job in der Wirtschaftsmetropole des Landes hatte, entschied er sich für den Wechsel. Die Verlockung, wieder in der Bundesliga zu arbeiten, war zu groß. An freien Tagen pendelt Sander nun immer wieder in die Schweiz zu seiner Frau, fühlt sich aber dennoch sehr heimisch bei der TSG: „Ich wurde hier super aufgenommen. In unserem Analysten-Team verstehen wir uns blendend. Ich könnte mir keinen schöneren Job vorstellen. Dazu ist die Schweiz nicht so weit entfernt, meine Frau und ich sehen uns also relativ häufig.“

Doch auch an vermeintlichen freien Tagen bei Champions- League-Spielen, oder wie es auch während der Weltmeisterschaft der Fall war, kommt das Hobby, das zum Beruf wurde, zum Vorschein. „Wir wollen natürlich keinen Trend verpassen. Da hilft es, wenn man den besten Teams der Welt zuschaut. Auf dem Sofa habe ich aber gar nicht die technischen Voraussetzungen, um ein Spiel perfekt zu analysieren. Ich versuche auch einfach mal abzuschalten und Fußball zu genießen. Dafür liebe ich den Sport zu sehr.“

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