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MÄNNER
06.09.2022

„Hier ist eine Riesenmannschaft zusammen“

Grischa Prömel ist nach sieben Jahren, in denen er mit Union Berlin in die Bundesliga aufstieg und zum Führungsspieler reifte, zur TSG Hoffenheim zurückgekehrt. Beim Besuch des Skateparks in Sinsheim bestätigt der 27-Jährige den Eindruck, dass er kein gewöhnlicher Fußball-Profi ist. Nachdem er ein paar Runden auf seinem Skateboard („Hab ich im Auto immer dabei“) gedreht hatte, sprach Grischa Prömel im SPIELFELD-Interview über seine frühe Angst vor dem Fußballspielen, seine Laufbahn als Spätstarter, besondere Erfahrungen wie die U20-WM in Neuseeland – und den einstigen Wunsch, Profi-Surfer zu werden. Den Entschluss für den Fußball hat der gebürtige Stuttgarter trotz seiner ausgeprägten Reiselust nie bereut. Nun will er in der baden-württembergischen Heimat bei der TSG Verantwortung übernehmen und mit dem Klub eine erfolgreiche Ära prägen.

Grischa, wieso hast Du für den Fototermin den Skatepark vorgeschlagen?

„Ich surfe unglaublich gern, wie auch meine beiden Brüder, die dafür sogar um die Welt reisen, um an den besten Hotspots der Welt die geilsten Wellen zu reiten. Wir waren als Kinder jeden Sommer immer sechs Wochen in Kalifornien in Santa Cruz, einem kleinen Surfer-Städtchen, und haben es dort gelernt. Beim Skaten sind die Bewegungen ähnlich, ich habe mein Board immer im Auto. Ich surfe zwar noch, aber mache nicht mehr alles. Wenn die Wellen drei, vier Meter hoch sind und ein Korallenriff in der Nähe ist, könnte mich ein Sturz eine halbe Saison oder die gesamte Karriere kosten. Meine Brüder sind da waghalsiger.“

Du liebst das Abenteuer und eher ausgefallene Reiseziele – im Sommer warst Du mit Deiner Freundin in Kolumbien. Was sagen die Mannschaftskameraden dazu, wenn Du ihnen davon erzählst? Halten sie Dich für ein wenig verrückt?

„Nein, die finden es cool. Die meisten von ihnen sind im Urlaub eher in Richtung Ibiza und Mykonos unterwegs und haben wahrscheinlich ähnliche Geschichten zu erzählen. Ich will im Urlaub etwas von der Welt sehen und brauche ein bisschen Action, so wie in diesem Sommer in Kolumbien. Da haben wir außergewöhnliche und unvergessliche Erfahrungen gemacht – neben Surfen etwa Hochseeangeln und das Erkunden abgelegener Orte.“

Helfen Dir diese Erfahrungen, um gedanklich mal aus dem Fußball-Business rauszukommen?

„Ja klar. Wir Fußballer leben komplett in einer Blase. Deswegen tut es ganz gut, neue Eindrücke zu gewinnen, sich mit ganz anderen Leuten zu unterhalten und deren Leben zu sehen. Und ich lerne auch gern verschiedene Kulturen kennen, was sie anders machen als wir, wie dort über das Leben gedacht wird. Zudem ist Surfen für mich der perfekte Ausgleich zum ganzen Trubel des Fußballs. Vor 80.000 Zuschauern zu spielen ist eine Sache und treibt den Adrenalinpegel auch nach oben. Aber die Abgeschiedenheit zu erleben, die Welle, das Salzwasser, die Sonne – das hat einen ganz anderen, speziellen Reiz. Der gesamte Lifestyle ist schön und entschleunigend. Das kann man noch mehr schätzen, wenn man als Profi im Alltag stets im Rampenlicht steht.“

„Ich bin ein verbissener Typ“

Surfen wie ein Sunnyboy, Reisen wie ein Globetrotter. Aber auf der anderen Seite bist Du ein Top-Leistungssportler. Wie kriegst Du das zusammen?

„Ich konzentriere mich voll auf Fußball. Ich bin schon auch ein verbissener Typ. Ich wollte ja Fußball-Profi werden und dass es geklappt hat, ist Weltklasse. Fußball macht mir enorm Spaß und hat mir schon jetzt zu unglaublichen Erlebnissen verholfen. Aber mir war immer klar, dass es nicht jeder packt und man in der Jugend nicht alles auf diese Karte setzen sollte.“

Du warst eher ein Spätstarter. Die mittlerweile übliche Laufbahn, die über ein Nachwuchsleistungszentrum in den Profikader führt, hattest Du nicht.

„Ich bin weder mit 13 schon ins Internat gezogen noch war ich auf einer Sportschule. Ich glaube, es ist – zumindest für mich persönlich – nicht gut für die Entwicklung, wenn man als junger Spieler die ganze Zeit verhätschelt wird und zu hören bekommt ‚Du bist der Beste, der Schönste, der Tollste‘ und einem sehr viel abgenommen wird. Meine Eltern haben immer gesagt, Schule ist das Wichtigste, du machst erst das Abi.‘ Danach ist es normalerweise ja oft schon zu spät. Ich habe den Großteil meiner Jugend wie meine Brüder beim TSV RSK Esslingen gespielt und bin dann zu den Stuttgarter Kickers gewechselt. Ich bin mehr oder weniger unter dem Radar geflogen, bis Julian Nagelsmann fragte, ob ich nicht in der U19 zur TSG kommen will.“

Hat Dir Julian Nagelsmann und Deine Zeit in der U19 der TSG, mit der Du 2014 gleich in Deiner ersten Saison Deutscher Meister wurdest, einen entscheidenden Schub gegeben? Du sollst ihm mal gesagt haben, Fußballprofi zu werden, wäre ganz schön, „aber ich kann auch surfen gehen“...

„Ja, das stimmt. (lacht) Das war damals auch meine offene Einschätzung – obwohl ich den Fußball total ernst genommen habe. Ich hätte mit dieser Entwicklung aber nie gerechnet und dann einfach das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Trainer zu haben. Julian hat mir von Anfang an gesagt, ich sehe was in dir, du hast super Fähigkeiten. Wenn du die ausbaust, kannst du Fußballprofi werden, ich helfe dir dabei – obwohl er mich eher als Backup verpflichtet hatte. Er ist maßgeblich beteiligt an meiner Entwicklung und an der Karriere, die ich bislang gemacht habe. In der U19 war ich nicht der Talentierteste. Man kann sagen, ich habe Julian alles zu verdanken.“

Hat es Dir vielleicht sogar geholfen, dass Du Dich lange nicht so unter Druck gesetzt hast, weil Du immer dachtest, ich kann auch noch nach links oder rechts abbiegen?

„Das kann gut sein, aber Fußballspielen hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Dabei habe ich mich früher gar nicht getraut, zum Fußball zu gehen. Ich war ein bisschen schüchtern. Mein kleiner Bruder hat vor mir mit dem Fußball angefangen, und ich bin nur zum Training mitgefahren und habe zugeschaut. (lacht) Ich war etwa sieben, als dann mal ein Spieler fehlte und der Trainer sagte, du musst mitmachen, sonst können wir nicht spielen. Mein Papa hatte davor schon zu mir gesagt, wenn du mit Fußball anfängst, kriegst du ein Haustier. Ich habe gesagt: „Brauche ich nicht.“ (lacht) Aber irgendwann war es dann so weit. Zu dem damaligen Trainer habe ich noch immer Kontakt, er ist der Vater einer meiner besten Freunde. Ohne seinen Einsatz hätte ich wohl nie mit dem Vereinsfußball begonnen.“

Nach dem A-Junioren-Meistertitel hast Du noch ein Jahr in der U23 der TSG gespielt, dort bereits mit dem Bundesliga-Kader trainiert – aber hattest noch keinen Profivertrag. Wie beurteilst Du diese Zeit rückblickend?

„Mit Profis wie Roberto Firmino, Sejad Salihović oder Sebastian Rudy zu trainieren, war natürlich nicht ganz so einfach. Aber es hat mir geholfen. In der U23 sind mir dann in den letzten sechs Spielen vier Tore gelungen, keine schlechte Quote für einen Sechser. Bis dahin hatte ich noch nie für eine Junioren- Nationalmannschaft gespielt, aber plötzlich kam der Anruf von U20-Trainer Frank Wormuth, der mich dann für die U20-WM 2015 in Neuseeland nominiert hat, als einziger Spieler ohne Profivertrag mit Jungs wie Julian Weigl, Julian Brandt, Levin Öztunali und Marc Stendera. Als Wormuth mich immer aufgestellt hat, wurde mir klar: Nach dem WM-Turnier kommt vielleicht ein Profiverein auf mich zu. Ich habe mich dann für den Karlsruher SC entschieden, der die Relegation gegen den HSV dramatisch verloren hatte. Da habe ich zuerst rechter Verteidiger gespielt, ehe ich wieder auf die Sechs durfte."

Nach zwei Jahren beim KSC bist Du 2017 zu Union Berlin gewechselt.

„Anfangs wusste ich nicht ganz genau, auf was ich mich da so einlasse. Aber ich hatte dort unglaublich gute fünf Jahre. Wir sind 2019 über die Relegation aufgestiegen, und ich bin sehr stolz, diese Geschichte des Klubs mitgeschrieben zu haben. Und es war eine interessante Erfahrung, in der Hauptstadt zu leben. Ich bin absoluter Profifußballer, ich ordne alles dem Fußball unter, aber Berlin bietet die Möglichkeit, sich noch anderweitig zu beschäftigen und coole Sachen zu unternehmen. Früher habe ich gedacht, dass ich nach meiner Karriere vielleicht nach Esslingen zurückkehre. Mittlerweile kann es aber auch Berlin sein.“

In Deiner ersten TSG-Zeit hast Du einmal im Bundesliga- Kader gestanden. Nun, sieben Jahre später, bist Du als gestandener Profi zurückgekehrt. Wie waren die ersten Wochen für Dich?

„Sehr schön, es macht unglaublich viel Spaß. Es ist genau die neue Herausforderung, die ich gesucht habe. Wir haben hier eine starke Auswahl beisammen und ein super Trainerteam. Ich hoffe, dass es eine erfolgreiche Saison wird. Die Möglichkeiten, die wir hier haben, sind unfassbar gut, viel besser geht es nicht. Am Beispiel Union sieht man natürlich auch, dass solche Bedingungen nicht zwingend notwendig sind. Aber wenn man sie hat, dann kann man noch mehr rausholen.“

Hast Du hier noch viele Bekannte aus Deiner ersten TSG-Zeit angetroffen?

„Ja, obwohl eine Mannschaft immer im Wandel ist. Aber Oli Baumann war damals schon dabei, Sebastian Rudy natürlich, Ermin Bičakčić und auch Pavel Kadeřábek habe ich noch kurz erlebt. Kevin Akpoguma kenne ich noch aus der U20-Nationalmannschaft. Und einige Mitarbeiter sind auch noch da.“

Du hast den Vertrag schon im Winter unterschrieben und danach war die TSG lange auf Kurs Europacup- Qualifikation. Hast Du es nicht sehr bedauert, dass es für die TSG schließlich nicht gereicht hat mit einem internationalen Platz, den am Ende Union belegte?

„Mich haben im Saisonendspurt viele Nachrichten erreicht, die gesagt haben: Eigentlich wäre es doch für dich persönlich besser, wenn du schlecht spielen würdest, weil die TSG dann die größere Chance hat. Aber ich habe immer gesagt, bis zum letzten Tag, an dem ich bei Union spiele, werde ich alles für den Verein geben. Natürlich hat es mir dann etwas wehgetan, dass es die TSG nicht geschafft hat, weil ich gern international gespielt hätte. Aber ich habe mich für Union zerrissen und freue mich, dass die Mannschaft jetzt in der Alten Försterei in der Europa League spielt.“

Welche Aufgabe siehst Du für Dich bei der TSG? Was können die Fans von Dir erwarten?

„Union war wie das gemachte Nest für mich. Hier aber habe ich die Perspektiven gesehen, die die TSG als Verein hat. Am Ende sind die Ambitionen und Ansprüche hier trotz der Platzierung der vergangenen Saison höher als bei Union. Ich bin schon ein Spieler, der sich komplett in den Dienst der Mannschaft stellt. Wenn ich meinen Anteil und die Attribute einbringen kann, die mich auszeichnen, glaube ich, dass ich der Mannschaft helfen kann, erfolgreichen Fußball zu spielen. Dazu gehört vorwegzugehen, eine Richtung vorzugeben, zu pushen und die Mannschaft zu führen. Und als Grundlage für das alles natürlich meine Körperlichkeit und Präsenz auf dem Rasen.“

Du bist sofort in den Mannschaftsrat berufen worden. Siehst Du Dich als Führungsspieler?

„Ja klar. Das wird auch ein Stück weit von mir verlangt. Es gehört zu meinem Spiel, ich brauche mich ja auch nicht zu verstellen. Ich habe mit einigen Jungs wie Oli Baumann und Benni Hübner vor dem Start der Vorbereitung gesprochen, wie ihr Eindruck von der Truppe ist, was vielleicht noch fehlt. Ich glaube, sie haben sich gefreut, dass ich dazugestoßen bin. Hier ist eine Riesenmannschaft zusammen. Keiner kannte mich richtig, da ist es als Neuer nicht immer einfach. Die anderen müssen sich auch erstmal auf mich einstellen. Was kommt da für ein Typ? Ist der komplett verrückt? Oder meint er es gut mit uns? Ich finde, ich habe mich eigentlich recht schnell reingefunden – und das natürlich auch, weil die Mannschaft es mir leichtgemacht hat.“

Ist der Zusammenhalt, das gute Miteinander entscheidend für den Erfolg?

„Absolut. Die Stimmung in der Kabine ist entscheidend dafür, wie die Saison wird: Wenn die Kabine zusammenarbeitet, wenn es dort gut passt, wenn sie geschlossen ist und nichts nach draußen dringt, dann ist die Grundlage gelegt. Bei Union ist nie etwas rausgekommen. Natürlich gab es verärgerte Spieler, die mal sauer auf den Trainer waren, aber das haben wir immer einfangen können. So wie wir Max Kruse etwa zu Anfang klar gemacht haben, was wir von ihm erwarten. Wir hatten super Abende, die zusammengeschweißt haben. Ich glaube, hier geht es in die gleiche Richtung.“

Du bist über die Jahre torgefährlich geworden und hast in der vergangenen Saison acht Treffer in der Bundesliga für Union erzielt und bei der TSG auch in der Vorbereitung und im Pokal getroffen. Hast Du Dir diese Qualität erarbeitet?

„Es hat bei Union angefangen, dass Urs Fischer wollte, dass ich auf der Achterposition box-to-box spiele und deswegen auch Tore machen muss. Und wie geht das? Wenn man oft in der Box ist. Dann besteht die Möglichkeit, dass ein Ball runterfällt oder dass ein Querpass kommt und man nur noch reinschieben muss. Das sind am Ende für die Zuschauer meist einfache Tore – aber dahinter steckt viel Kraft und eine enorme Laufarbeit. Um dorthin zu kommen, musst du viel investieren, machst fünfzig Läufe im Spiel und fünfzigmal kommt der Ball nicht – und doch machst du den Lauf beim nächsten Angriff wieder. Aber Probleme mit der Ausdauer hatte ich noch nie. Und wenn du den Ball dann wie im Pokal in der Verlängerung dann doch noch aus wenigen Metern reinschiebst – dann weißt du, wofür du so viel gelaufen bist. Wenn es dann heißt, dass es ein ‚einfaches Tor‘ war, das ‚jeder Spieler gemacht hätte‘ – dann ist mir das völlig egal und kann meiner Freude nichts anhaben.“

Zum Abschluss: Du bist trotz anfänglicher Zweifel doch Profi geworden, hast mit der deutschen Olympia- Auswahl die Silbermedaille gewonnen und bist Stammspieler eines Bundesliga-Teams. Hast Du noch das Ziel, A-Nationalspieler zu werden?

„Ja, natürlich ist das ein Traum. Wer träumt nicht davon? Etwas Größeres gibt es ja im Fußball nicht. Ich muss aber erst einmal hier im Verein kontinuierlich Leistung bringen. Vielleicht ist der Sprung dann von der TSG ins DFB-Team nicht mehr so groß wie von Union.“

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