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SPIELFELD
05.04.2022

„Ich will den Fans etwas zurückgeben“

Wo Georginio Rutter auftaucht, ist die Stimmung meist bestens. Der 19 Jahre alte Franzose steckt Mitmenschen mit seiner positiven Art an und hat in Hoffenheim auf Anhieb viele Freunde gefunden. Und so gab es auch beim SPIELFELD-Interview bei seinem Friseur in Sinsheim einiges zu lachen. Im Interview spricht der TSG-Profi nicht nur über seine beeindruckende Frisur, sondern auch über seinen sofortigen Erfolg bei der TSG, den Wechsel von Stade Rennes sowie die Liebe zu den Fans.

Georginio, wir treffen uns bei Deinem Friseur in Sinsheim, Deine Haare sind ein echter Hingucker. Seit wann trägst Du sie so?

„Als ich klein war, hatte ich sehr lange Haare, fast schon bis zur Schulter. Ich habe damals geflochtene Zöpfe getragen. Die anderen Kinder haben mich dann aber geärgert und gesagt, dass ich wie ein Mädchen aussehe. Deshalb habe ich mir die Haare abgeschnitten.“

Hast Du Dir die Haare selbst geschnitten?

„Nein, das hätte ich nicht gekonnt. (lacht) Das hat zu Beginn meine Mutter gemacht, später bin ich dann zum Friseur gegangen.“

Wie viel Zeit nimmst Du Dir morgens für die Frisur?

„Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal mache ich gar nichts und lasse die Haare nach dem Aufstehen einfach so. Ich bin da nicht sonderlich eitel. Heute habe ich mich aber natürlich extra schick gemacht für die Fotos.“ (lacht)

Auf dem Rasen fällst Du nicht nur mit Deiner Frisur, sondern vor allem mit Deinen spielerischen Fähigkeiten auf. Hättest Du damit gerechnet, dass Du bei der TSG auf Anhieb so viel Erfolg hast?

„Es blieb mir gar nicht so viel Zeit zum Nachdenken. In meinem ersten Pflichtspiel habe ich gegen Werder Bremen nur drei Minuten gebraucht, um ein Tor zu erzielen. Das war natürlich der perfekte Start. Ich habe mich hier unglaublich gut eingelebt, es könnte für mich nicht besser laufen.“

In der vergangenen Saison hast Du teilweise noch für die U23 der TSG in der Regionalliga Südwest gespielt. Wie wichtig war die Spielpraxis für Dich?

„Ich hatte zuvor lange nicht mehr über 90 Minuten gespielt, weil ich bei Stade Rennes häufig auf der Bank saß. Wir hatten in Hoffenheim deshalb zunächst sogar geplant, dass ich noch länger bei der U23 spiele, aber Sebastian Hoeneß war schnell von mir überzeugt und hat mich schon früh regelmäßig für den Bundesliga-Kader nominiert. Aber die Zeit bei der zweiten Mannschaft war enorm hilfreich. Auch, weil es in Gautier Ott einen weiteren Franzosen in der Mannschaft gibt, der mir zu Beginn auch mit der Sprache helfen konnte. Das hat mir das Einleben enorm erleichtert.“

Was sprach im Winter 2021 dafür, zur TSG und in ein anderes Land zu wechseln?

„Die sportliche Perspektive hat mich einfach überzeugt. Nach der ersten Kontaktaufnahme habe ich mir ein paar Spiele angeschaut und gesagt ‚Ja, warum soll ich es denn nicht tun?‘. Ich wollte bewusst für einen im Vergleich etwas kleineren Klub spielen, damit ich auch wirklich regelmäßig spielen kann. Einsatzzeit und sportliche Perspektive sind mir wichtiger als bei einem Klub nur auf der Bank zu sitzen. Und dann liefen die Gespräche mit den Verantwortlichen so gut, dass ich sofort nach Hoffenheim wollte. Und nun kann ich vielleicht ja bald sogar mit der TSG in der Champions League spielen. Das wäre perfekt.“

Für einen 18-Jährigen war es vermutlich aber kein kleiner Schritt, Stade Rennes zu verlassen und allein nach Deutschland zu ziehen…

„Der Reifeprozess war schon ziemlich groß und mit vielen Umstellungen verbunden. Am Anfang war ich ganz allein und zum ersten Mal von meinen Eltern getrennt. Mein gesamtes soziales Umfeld war plötzlich nicht mehr da, mein Leben hat sich komplett verändert. Aber das hat mich auf der anderen Seite auch weitergebracht, mich schneller erwachsen werden lassen. Mittlerweile lebe ich gemeinsam mit meiner Freundin in Neckargemünd, und wir fühlen uns hier sehr wohl.“

Was fehlt Dir am meisten aus Deiner Heimat?

„Meine Freunde und Familie, dazu der Strand und das Essen. Meine Mutter ist die beste Köchin der Welt. Sie kocht die leckersten Gerichte und welche, die es in Deutschland gar nicht gibt. (lacht) Aber meine Eltern haben mich schon ein paar Mal besucht. Das ist immer etwas Besonderes und natürlich wird dann auch für mich gekocht.“

Nicht nur kulturell, auch sportlich sind manche Dinge anders. Was ist fußballerisch der größte Unterschied zwischen der französischen und der deutschen Liga? (überlegt lange)

„In der Bundesliga geht es immer hin und her, ein Konter folgt auf den nächsten. Dadurch muss man viel mehr laufen. In Frankreich hingegen wird körperlicher gespielt, da muss man etwas robuster sein, um sich durchzusetzen. Dafür kann in der Bundesliga aber aus jeder Spielsituation viel mehr passieren, die Partien sind immer etwas wild. In Frankreich sagt man ‚folie‘ (wahnsinnig, verrückt, Anm. d. Red.). Es fallen viele Tore und man weiß nie, wer gewinnt.“

Oft übersetzt noch ein Dolmetscher, Du verstehst aber so gut wie alle Fragen. Wie läuft der Sprachunterricht?

„Zu Beginn hat es eigentlich ziemlich gut geklappt, aber ich habe im Sommerurlaub leider kein Deutsch gesprochen und dann war fast alles wieder weg. (lacht) Ich nehme aber weiterhin fleißig Video-Unterricht und lerne viel. Wenn nicht so schnell gesprochen wird, verstehe ich auch schon fast alles. Es ist wie beim Fußball: Wenn man jeden Tag trainiert, wird man immer besser.“

Du hast in Hoffenheim auf dem Rasen beeindruckt und die Sympathien der Fans erobert. Hat es Dich überrascht, dass Du so schnell zum Publikumsliebling geworden bist?

„Schon ein wenig. Warum das so ist, kann ich auch nicht wirklich sagen, das müssen die Fans beantworten. Vermutlich mögen sie es, dass ich viel lache. Das ist einfach meine Art, das habe ich von meinen Eltern gelernt. Ich stelle mir oft die Frage, ‚warum sollte ich traurig sein?‘ Dafür gibt es kaum einen Grund, mir geht es so gut, da sollte ich immer lachen. Wenn es dann noch bei den Fans gut ankommt, ist es umso schöner. Ich war es nicht gewohnt, vor so vielen Menschen zu spielen. Meine ersten Schritte im Profi-Fußball waren während der Corona-Pandemie. Dann im Stadion zu sein, den eigenen Namen von den Zuschauern zu hören und Fans zu sehen, die mein Trikot tragen, ist etwas ganz Besonderes. Natürlich war ich da gut drauf. Aber es waren besondere Erfahrungen, für die ich sehr dankbar bin, deshalb möchte ich den Fans etwas zurückgeben.“

Auf Deinem Trikot steht Dein Vorname Georginio, nicht Dein Nachname Rutter. Wie kam es dazu und wie willst Du genannt werden?

„Wenn es nach mir geht, dann am liebsten Georginio. Ich hatte es schon bei Stade Rennes auf dem Trikot stehen und durfte es deshalb auch in die Bundesliga übernehmen. Mein Vater hat immer zu mir gesagt, dass es als Fußballer besser passt. Er hatte immer den Traum, dass ich es mal zum Profi schaffe und ist nun sehr froh, mich in diesem Trikot zu sehen und meinen Namen zu lesen. Das freut mich, und ich glaube auch, dass dieser Name besser zu meiner Art passt.“

Gab es einen Zeitpunkt, an dem Du realisiert hast, dass Du Fußball-Profi werden kannst?

„Einen bestimmten Moment habe ich jetzt nicht im Kopf, aber als ich 14 Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal gedacht: ‚Das könnte klappen.‘ Mit 16 war es dann so, dass mir auch die Verantwortlichen in Rennes gesagt haben, dass es zum Profi reichen wird. Mein Vater hat es schon immer prophezeit.“

War die enorme Spielfreude schon in der Jugend Antrieb und Stärke?

„Natürlich geht es in erster Linie ums Gewinnen. Wir spielen Fußball, um erfolgreich zu sein. Aber ebenso sind auch die Fans ein Faktor. Wir wollen sie glücklich machen. Und auch wir Spieler brauchen ein gutes Gefühl. Mir macht es jeden Tag Spaß, auf dem Fußballplatz zu stehen. Das war auch schon früher so, und das will ich mit meiner Spielweise unter Beweis stellen.“

Worin siehst Du denn Deine größten Stärken?

„Ich habe meine Qualitäten im Eins-gegen-Eins. Mit meiner Geschwindigkeit kann ich viele Gegenspieler austricksen. Ich habe keine Angst, den Ball zu verlieren. Das sind alles offensive, für das Spiel attraktive Eigenschaften. Aber ich habe noch genug Dinge, die ich verbessern muss. Beim Kopfball stimmt mein Timing noch nicht. Dazu agiere ich manchmal etwas zu vorschnell, aber das liegt vermutlich am Alter. Ich bekomme vom Trainer-Team immer wieder viel Lob und Zuspruch. Das bestärkt mich darin, meinen persönlichen Weg weiterzugehen.“

Du hast in dieser Saison sowohl mit links, mit rechts als auch mit dem Kopf Tore erzielt. Was ist denn Dein starker Fuß?

„Ich glaube links.“ (lacht)

Mit welchem Fuß schießt Du Elfmeter?

„Mit links. Aber ich habe auch schon vier Tore in dieser Saison mit dem rechten Fuß erzielt. Ich fühle mich auch mit rechts enorm sicher. Daher würde ich sagen, dass ich beidfüßig, aber etwas stärker mit links bin.“

Als junger Spieler kannst Du Dich ja noch entwickeln. Welcher Kollege aus der Mannschaft nimmt Dich auch mal zur Seite und gibt Dir Tipps?

„Alle kümmern sich wirklich gut um mich, aber wenn ich einen hervorheben müsste, wäre es Munas Dabbur. Er hat schon viel erlebt im Profi-Fußball und unterstützt mich immer. Wenn ich eine Chance vergebe, kommt er sofort zu mir und spricht mir Mut zu. Munas weiß, was ich brauche. Das weiß ich sehr zu schätzen.“

Ihr seid nicht nur Freunde und Teamkollegen, sondern auch Rivalen um einen Platz in der Startelf. Wie gehst Du damit um, dass Du manchmal auch nur auf der Bank sitzt?

„Ich bin noch jung und kann das alles einschätzen. Wir sind im Angriff wirklich enorm stark besetzt. Munas, Andrej, Ihlas und Jacob haben es eigentlich alle verdient, von Beginn an zu spielen. Natürlich ist es an dem Tag selbst frustrierend, wenn ich nicht in der Startelf stehe, aber ich gebe dann einfach mein Bestes, um zu zeigen, dass ich in die Anfangsformation gehöre.“

Trotz allem kamst Du als einziger Spieler im Kader in jedem Pflichtspiel zum Einsatz. Was bedeutet Dir das?

„Zunächst mal heißt es, dass ich noch nicht verletzt gefehlt habe. Das ist in meiner Entwicklung natürlich enorm wichtig. Dazu geben mir die Einsätze die Bestätigung, dass ich es insgesamt gut mache und der Trainer offensichtlich zufrieden mit mir ist. Das ist das Wichtigste.“

Nicht nur der Trainer ist mit Dir zufrieden: Du hast Deinen Vertrag bei der TSG vorzeitig bis Sommer 2026 verlängert. Was waren die Gründe dafür?

„Der Klub gibt mir das Gefühl, dass ich gebraucht werde. Ich spüre von allen Beteiligten ein extrem großes Vertrauen. Das gibt mir eine Sicherheit, die mich in Ruhe arbeiten lässt. Dadurch kann ich meine Topform auf dem Platz abrufen und eine wichtige Rolle für die Mannschaft übernehmen. Diese Wertschätzung hilft mir enorm.“

In dieser Saison läuft es ziemlich gut. Was traust Du Euch als Mannschaft im Schlussspurt angesichts der aktuellen Tabellenplatzierung zu?

„Beinahe alles. Wir haben noch sieben Spiele vor uns. Die Tabelle ist unglaublich eng, daher ist es jetzt schwierig zu beurteilen, wo wir am Ende stehen. Natürlich wollen wir nächste Saison europäisch spielen. Dafür kämpfen wir und haben uns in eine gute Position gebracht.“

 

 

Das Interview ist in der April-Ausgabe des SPIELFELD-Magazins erschienen. 

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