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SPIELFELD
09.04.2022

Höhenflüge trotz Höhenangst

Chantal Hagel hat nicht nur beim SPIELFELD-Shooting im Trainingszentrum in St. Leon-Rot Spaß am Höhenflug. Die 23-Jährige blickt auf die erfolgreichsten Monate ihrer noch jungen Laufbahn zurück und hat zuletzt besondere Erfahrungen gemacht: Champions League mit der TSG, das Debüt in der deutschen Nationalmannschaft – und zudem die Arbeit als Referendarin an der Pestalozzi-Grundschule in Hockenheim. Der Aufstieg in die Beletage des Frauenfußballs macht Lust auf mehr. Die Mittelfeldspielerin investiert alles dafür, um weitere Erlebnisse zu sammeln – denn nicht nur ihre Schulkinder freuen sich auf neue spannende Geschichten aus ihrem aufregenden Leben.

Wenn das Wochenende beginnt, fängt der Stress für Monika und Rüdiger Hagel manchmal erst so richtig an. Neben den eigenen Vorlieben, etwa Wandern und Radfahren, stehen dann meist noch die Aktivitäten der Kinder auf dem Plan. Und die sind nicht bloß zeitintensiv – auch der Adrenalinspiegel steigt regelmäßig in alarmierende Sphären. Chantal Hagel ist daran nicht ganz unschuldig. Frauen-Bundesliga, UEFA Women’s Champions League, Länderspiele – die Emotionen der Eltern wandeln stets zwischen Freude, Stolz und Sorge um Stresslevel und Gesundheit der Tochter. Und dennoch trägt Chantal nur zu einem kleinen Anteil des elterlichen Adrenalin-Ausstoßes bei, denn Bruder Patrick hat ein – nun ja – noch deutlich ausgefalleneres Hobby: Der 25 Jahre alte Bundespolizist ist leidenschaftlicher Kunstflieger. Die TSG-Spielerin lacht, wenn sie an die Wochenenden denkt: „Da machen meine Eltern schon was mit. Sie wollen natürlich all unsere Events besuchen. Klar macht es ihnen Spaß, aber sie sorgen sich schon um uns beide. Wenn mein Bruder mit seinem Segel- oder Motorflieger da oben seine Kunststücke vollführt, also Loopings oder eine Kubanische 8, dann steht meine Mutter natürlich nicht entspannt unten und schaut in Ruhe zu.“

Die Höhenflüge von Chantal Hagel sind da etwas sorgenfreier zu verfolgen – auch wenn es bei ihr ebenfalls hoch hinaus geht, allerdings eher auf dem Erfolgsbarometer als in Richtung Stratosphäre. Bundesliga-Debüt 2019, Champions-League-Debüt 2021, Nationalmannschafts-Debüt im Februar 2022. Erfolge, die Hagel eine für sie „witzige“ Ehrung einbrachten: Bei Wikipedia ist sie nun unter den „berühmten Töchtern und Söhnen“ ihrer Heimatstadt Calw geführt. „Das ist wahrscheinlich neu und fühlt sich sehr ungewohnt, aber irgendwie auch cool an“, sagt sie. Sie lächelt fast ein wenig verlegen, als sie über die Begleitumstände ihres sportlichen Aufstiegs spricht. „Ich merke schon, dass ich hier in der Region nun öfter erkannt und angesprochen werde. Das ist auf jeden Fall eine Auszeichnung.“

„Das werde ich nie vergessen“

Chantal Hagel steht mitten im Leben und trotz der jüngsten Höhenflüge mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Die nun zu spürende Anerkennung nimmt sie aber gern wahr – sie ist das Ergebnis harter Arbeit und außergewöhnlichen sportlichen Erfolgs. Dieser führte Hagel in dieser Saison quer durch Europa. Champions League, Spiele gegen den WFC Arsenal, den FC Barcelona und das dänische Team HB Køge. Beeindruckende Erlebnisse, die auch Hagel mal in die Luft katapultierten. Ein schwieriges Thema für die Mittelfeldspielerin, denn im Gegensatz zu ihrem Bruder hat es die jüngere Schwester nicht so mit dem in die Luft gehen. „Ich habe Höhenangst und Fliegen ist nicht so wirklich mein Ding. Aber ich habe die Reisen genossen und verrückte Dinge erlebt – nach Kopenhagen sind wir von Mannheim mit einer Propellermaschine geflogen. In Barcelona haben wir die Stadt besichtigt und auch London war einfach nur toll. Das alles werde ich nie vergessen und will es unbedingt nochmal erleben.“

Dafür investiert die in St. Leon-Rot wohnende TSG-Spielerin viel Zeit und Leidenschaft. Nach den Trainingseinheiten stehen regelmäßig Sonderschichten und Einzeltraining an – trotz der phänomenalen Entwicklung gibt es noch Potenzial für Verbesserungen. Neben Stärken wie dem Schuss mit links stehen deshalb auch regelmäßig vermeintliche Schwächen auf dem Trainingsplan. „Der rechte Fuß gehört sicher noch dazu, aber auch Dinge wie die Ball-An- und -Mitnahme kann man immer optimieren.“

Dass Lernen zum Erfolg führt, kennt Hagel auch aus dem Studium. In Heidelberg hat sie Grundschullehramt studiert, seit März ist die 23-Jährige nun Referendarin an der Pestalozzi-Grundschule in Hockenheim und arbeitet fleißig an ihrem zweiten beruflichen Standbein. „Egal, wie erfolgreich die Karriere verläuft, nach der aktiven Laufbahn benötigt man als Fußballerin einen Beruf. Fußball stand und steht für mich dennoch immer an erster Stelle und das Studium an zweiter. Ich habe aber viel Unterstützung – vor allem von der TSG – erhalten und bin dafür sehr dankbar. In rund eineinhalb Jahren habe ich das Referendariat hinter mir, dann ist schon das Ziel, mich erst einmal ausschließlich auf den Fußball zu konzentrieren.“

Auf die Unterstützung der Pestalozzi-Schule kann sie bis dahin ebenfalls zählen, die erstmalige Nominierung für das Nationalteam versetzte Kinder wie Kollegium in Hockenheim ebenfalls in Aufregung, wie Hagel erzählt: „Ich wurde ja erst nachnominiert und darum ging alles ganz schnell. Ich habe es am Wochenende erfahren und dann ein Video für meine Schüler aufgenommen, um ihnen zu erklären, warum ich nun zehn Tage nicht da sein werde. Als ich zurückkam, habe ich auch ein paar Autogrammkarten verteilt, das war wirklich schön. Und die Kinder sind immer ganz gespannt, was ich von meinem Leben als Fußballerin so berichte.“

Auch das Kollegium freut sich über die spezielle Referendarin, von der es zum Einstand nicht den obligatorischen Kuchen gab. Stattdessen stand ein Ausflug zum Top-Spiel der Frauen-Bundesliga auf dem Plan. „Ich habe alle ins Dietmar-Hopp-Stadion zum Spiel gegen den FC Bayern eingeladen. Zwar haben wir leider verloren, aber ich habe mich sehr gefreut, dass sie gekommen sind und mich unterstützt haben. Das war eine schöne Geste.“

Die Hoffnung ist groß, die Kollegen zukünftig auch zu internationalen Spielen einladen zu können und den Schatz an Geschichten für die Schüler zu vergrößern. Trotz des Abrutschens auf die Verfolgerplätze im Kampf um die erneute Qualifikation für die Champions League blickt Hagel positiv auf den Saisonendspurt: „Wir alle haben die Reisen sehr genossen. Die Hymne, die Städte, die gegnerischen Mannschaften – das war unheimlich intensiv und wir wollen das unbedingt erneut erleben. Zwar müssen wir einiges aufholen, aber wir werden alles dafür tun, es erneut zu schaffen. Wir glauben an unsere Chance.“

Hagel hat Gefallen gefunden an regelmäßigen Herausforderungen und dem Erreichen immer neuer Ziele. Auf eine Erfahrung, die noch auf sie wartet, kann sie aber gut verzichten, wie sie lächelnd zugibt: „Ich bin noch nie mit meinem Bruder geflogen. Ich habe wirklich Angst davor, in so einen Flieger zu steigen. Aber irgendwann werde ich es schaffen.“ Ihre Eltern sollten sich emotional darauf vorbereiten. Denn eines haben die vergangenen Jahre gezeigt: Man sollte Chantal Hagel jeden Höhenflug zutrauen.

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