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SPIELFELD
08.03.2022

„Wir könnten als Familie nicht glücklicher sein“

Es war ein sehr persönlicher Termin, auf den sich Ihlas Bebou eingelassen hatte. Die SPIELFELD-Redaktion traf sich mit dem Angreifer in der Nähe seiner Wohnung in Neckargemünd und begleitete den 27-Jährigen bei einem Spaziergang mit seinem Sohn Zayn. Gemeinsam mit seiner Frau Amira ist der Stürmer im Kraichgau heimisch geworden. Im Interview spricht der Togolese über das veränderte Leben als Vater, die persönliche Bedeutung von Familie und Heimat sowie seine sportliche Entwicklung bei der TSG.

Ihlas, Du bist im Oktober erstmals Vater geworden. Wie hat sich Dein Leben seitdem verändert?

„Eigentlich komplett. Jeden Tag passiert etwas Neues, und ich freue mich darauf, meinem Sohn Zayn beim Großwerden zuzuschauen. Leider konnte ich bei seiner Geburt nicht dabei sein, weil ich auf Länderspielreise war. Umso mehr genieße ich aktuell jede freie Sekunde mit ihm. Er bekommt schon einiges mit, und ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen. Es ist für mich der schönste Ausgleich zum Fußball.“

Es scheint Dir also zu gefallen …

„Es macht einfach total viel Spaß, Vater zu sein. Wenn ich nach Hause komme, kümmere ich mich sofort um ihn. Auch weil meine Frau Amira den Großteil der Arbeit übernimmt, wenn ich bei einem Spiel oder beim Training bin. Ich gehe gern mit ihm gemeinsam am Neckar spazieren oder nehme ihn einfach auf den Arm. Er guckt dann durch die Gegend und beobachtet, was alles um ihn herum passiert. Auch nachts ist es sehr angenehm, weil er viel schläft und bislang sehr ruhig ist. Wir könnten als Familie hier nicht glücklicher sein. Vielleicht bekommt er in den nächsten Jahren ja auch noch einen Bruder oder eine Schwester. Uns gefällt das Leben als Eltern.“

In Deinem ersten Bundesliga-Spiel nach der Geburt hast Du gleich zwei Tore gegen den 1. FC Köln erzielt – und Zayn Deine Treffer mit dem Torjubel gewidmet …

„Das war natürlich perfektes Timing. Unser Co-Trainer David Krecidlo hatte mir den Jubel im Training vorgeschlagen und nach dem Treffer sowie der ersten Freude mit der Mannschaft fiel es mir dann wieder ein. Meine Frau hat sich sehr darüber gefreut und in ein paar Jahren wird es vielleicht auch unser Sohn verstehen. Er war vor kurzem auch zum ersten Mal im Stadion, aber er versteht natürlich noch nicht, dass sein Papa unten auf dem Rasen steht. Das wird noch etwas dauern. Aber ich habe ja noch vor, ein paar Jahre Fußball zu spielen. Dann wird er das alles noch mitbekommen.“

Du spielst nun schon seit knapp drei Jahren bei der TSG und hast Deinen Vertrag im Dezember bis 2026 verlängert. Fühlt Ihr Euch in der Region als Familie wohl?

„Ich habe vom ersten Tag an eine Beziehung zum Verein und der Region aufgebaut. Für mich war es der logische nächste Schritt nach der Zeit in Düsseldorf und Hannover. Die Region ist unfassbar schön und auch meine Frau Amira hat hier Freunde gefunden. Dazu kommt, dass mein Sohn in Heidelberg geboren ist. Das werden wir unser ganzes Leben in bester Erinnerung haben. Ich freue mich einfach, dass wir noch lange hier sein können. Ich habe nun die Gewissheit, dass ich meine Zukunft in Hoffenheim planen kann. Jetzt kann ich mich auf den Fußball konzentrieren und muss mir keine Gedanken über meinen Vertrag machen. Diese Planungssicherheit ist ein tolles Gefühl für meine Frau, meinen Sohn und mich. Es könnte aktuell nicht besser laufen.“

Deine Eltern und Deine Geschwister leben weiterhin in Düsseldorf, wie oft seht Ihr Euch?

„Ziemlich häufig. Vor allem seit der Geburt von Zayn ist ständig jemand da. Meine Schwester zum Beispiel war erst vor kurzem für eine ganze Woche zu Besuch und hat uns ein wenig unter die Arme gegriffen. Aber auch vorher war meine Familie immer bei den Heimspielen da. Wir haben einen engen Draht zueinander. Familie wird bei uns großgeschrieben.“

Wie sehr spürst Du, dass Deine Familie stolz auf Dich ist?

„Sie haben sogar einen eigenen Fanclub für mich gegründet. (lacht) Sie sind extrem stolz, auch weil Fußball in unserem Heimatland Togo eine große Sache ist. Die ganze Nation hat ein großes Herz für die Sportart. Natürlich freut es meine Familie, wenn ich unser Land auf großer Bühne repräsentieren kann. Und es ist natürlich auch ein besonderes Gefühl für mich. Sie haben viel für mich getan. Das versuche ich nun zurückzuzahlen.“

Kannst Du die Reisen mit der Nationalmannschaft nutzen, um Deine Familie in Togo zu sehen?

„Vor Corona war das alles einfacher. Nun müssen wir Kontakte meiden, und phasenweise sind auch keine Fans in den Stadien gewesen. Aber wir sind mit der Nationalmannschaft meistens in der Hauptstadt Lomé unterwegs und dort lebt auch der Großteil meiner Familie. Mein Vater hat acht Brüder, entsprechend groß ist die Familie. Wir kommen ursprünglich aus Sokodé, einer Stadt im Norden, aber bis auf meine Großeltern wohnen fast alle mittlerweile in der Hauptstadt. Deshalb klappt das ganz gut. Meine Großeltern versuche ich dann immer im Sommer zu besuchen, wenn ich für längere Zeit in meiner Heimat bin. Wenn Zuschauer erlaubt sind, muss ich mich immer um etliche Tickets kümmern.“ (lacht)

Du bist mit elf Jahren aus Togo nach Deutschland gekommen. Welche Rolle hat der Fußball bei Deiner Ankunft gespielt?

„Dieses Spiel hat mir enorm viel geschenkt. Nach meiner Einschulung in Deutschland wurde ich sofort bei einem Verein angemeldet und habe täglich Fußball gespielt. Dadurch habe ich schnell Anschluss gefunden und viele Freunde gewonnen. Der Fußball hat mir dabei geholfen, in Deutschland heimisch zu werden. Ich hätte als kleiner Junge nie gedacht, dass ich mal Profi werde. Erst als ich in die U19 von Fortuna Düsseldorf befördert wurde, hat es ‚Klick‘ gemacht. Da wusste ich, dass der Traum real werden könnte. Für mich war Fußball vorher immer nur Spaß mit Freunden. Dass ich jetzt hier sitze und bald 250 Pflichtspiele im Profi-Geschäft absolviert habe, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich habe erst sehr spät auf einem professionelleren Niveau gespielt. Umso schöner ist es für mich, dass es dennoch geklappt hat.“

Hattest Du auf dem Weg noch einmal Zweifel?

„Nachdem ich meinen ersten Profi-Vertrag unterschrieben hatte, habe ich mich in meinem zweiten Testspiel verletzt und war danach erstmal zwei Monate raus. Kurz darauf hatte ich dann einen Knorpelschaden. Da wusste keiner, ob es mit der Profi-Karriere wirklich funktionieren wird. Ich bin insgesamt fast ein Jahr ausgefallen. Jetzt kann ich darauf zurückblicken und sagen, dass ich Glück gehabt habe, wie alles gelaufen ist. Ich weiß es zu schätzen, dass ich Fußball spielen darf und genieße es. Durch meinen ungewöhnlichen Weg habe ich viel Stärke gewonnen und lasse mich nicht von Verletzungen oder anderen Dingen zurückwerfen. Ich bin als Mensch viel geduldiger geworden.“

Viele Kinder bewundern Dich und Deinen Weg, sehen Dich auch als Vorbild an …

„Leider gibt es genug Menschen – insbesondere in Afrika – die nicht die Möglichkeiten haben wie wir in Europa. Viele versuchen, durch Fußball erfolgreich zu werden, aber das ist natürlich enorm schwierig. Da gehört auch immer eine gewisse Portion Glück dazu. Das rufe ich mir immer wieder auf und weiß es zu schätzen, dass ich mein Geld mit dem Sport verdiene, der mir Spaß macht. Auch deshalb will ich etwas zurückgeben und kümmere mich mit meinem Vater Innuus, der dort als Musiker bekannt ist, gemeinsam um soziale Projekte. Das ist mir sehr wichtig. Das wollen wir in Zukunft noch weiter verstärken.“

Bei der TSG bist Du nicht mehr aus dem Kader wegzudenken. Worin hast Du Dich aus Deiner Sicht am meisten entwickelt während der Zeit in Hoffenheim?

„Ich bin klarer geworden in meinen Aktionen. Gerade wenn es Richtung Tor geht, habe ich mich entwickelt. Die Laufwege passen nun besser und die Effizienz stimmt. Das Trainer-Team macht eine super Arbeit und hilft uns dabei. Sie zeigen uns auf, wo wir noch gefährlicher werden können. Da habe nicht nur ich, sondern die gesamte Mannschaft einen Schritt nach vorn gemacht. Diese Saison spielen wir ganz anderen Fußball.“

In dieser Spielzeit hast Du teilweise auf der rechten Außenbahn ausgeholfen. Was verändert sich dann in Deinem Spiel?

„Ich habe auch in der vergangenen Saison manchmal bei Rückstand dort gespielt, aber natürlich war es als Joker etwas anderes, als wenn ich 90 Minuten dort aufgestellt bin. Das ist eine Umstellung. Meine Laufwege gehen von ganz hinten bis nach ganz vorn. Hinter mir ist dann nur noch der Halbverteidiger. Natürlich weiß der Trainer auch, dass meine Stärken mehr in der Offensive liegen. Aber ich helfe immer dort aus, wo ich gebraucht werde.“

Gibt es noch andere Positionen, auf denen Du spielen kannst, von denen wir nichts wissen?

„In der Nationalmannschaft habe ich einmal als Sechser gespielt, aber das war nicht so erfolgreich. (lacht) Am liebsten spiele ich weiterhin als Stürmer, vermutlich in einer Doppelspitze auf der rechten Seite. Da fühle ich mich am wohlsten und kann meine Stärken am besten einbringen. Aber jedes Bundesliga-Spiel ist etwas Besonderes und ich stelle mich stets und gern in den Dienst der Mannschaft.“

Nach knapp zwei Dritteln der Saison ist im Kampf um die internationalen Ränge noch alles möglich. Was glaubst Du, was Ihr in dieser Spielzeit erreichen könnt?

„Wir haben enorm viel Qualität in unserer Mannschaft. Das sieht man sogar in den Spielen, die wir verloren haben. Es gab kaum eine Partie, in der wir richtig schlecht waren. Unser großes Problem war die Chancenverwertung. Da haben wir zu viel liegengelassen. Aber wir sind weiterhin in einer guten Position. Unsere Aufgabe für die nächsten Wochen ist, diese zu halten. Wenn wir im April noch immer oben dabei sind, wollen wir diese Möglichkeit auch nutzen. Ich habe vergangene Saison leider kein Tor in der Europa League erzielt, das darf sich gern in Zukunft noch ändern.“

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