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SPIELFELD
15.02.2022

„Ich will Verantwortung übernehmen“

Christoph Baumgartner kann nicht nur gut Fußball spielen, sondern macht auch auf dem Trampolin eine gute Figur. Im Jump4All-Trampolinpark in Ladenburg hat der Mittelfeldspieler vom Salto bis zum Seitfallzieher eine ganze Palette voller Highlights gezeigt. Im SPIELFELD-Interview spricht der Österreicher über sein akrobatisches Talent, seine veränderte Rolle bei der TSG und die Gründe für die Leistungssteigerung der Mannschaft in dieser Saison.

Baumi, Du hast uns auf dem Trampolin enorm beeindruckt. Woher stammt Dein akrobatisches Talent?

„Mein Bruder, meine Freunde und ich haben das als Kinder schon immer gemacht. Wir hatten ein Trampolin im Garten stehen. Da sind wir dann irgendwie in die Akrobatik reingewachsen. Wir haben uns Videos angeguckt und wollten es nachmachen. Mir macht das einfach extrem viel Spaß. Für den Baumi vor zehn Jahren wäre es vermutlich noch besser gewesen. Gerade für Kinder und Jugendliche gibt es auf dem Trampolin unzählige Möglichkeiten und man macht sich noch weniger Gedanken.“

Hast Du das Gefühl, dass Dir diese Fähigkeiten auch beim Fußball nützen?

„Ich habe eine gute Körperbeherrschung, kann meinen Körper in der Luft kontrollieren. Das zahlt sich nicht nur beim Springen und beim Kopfball aus. Man hat meistens noch einen Gegenspieler, muss mit den Armen arbeiten und braucht das richtige Timing. Da ist es wichtig, dass man in der Luft sehr stabil ist. Da hilft mir die Erfahrung auf jeden Fall, weil ich dieses Körpergefühl zum Glück schon seit meiner Kindheit habe.“

Du hast dann als 17-Jähriger Deine Heimat Österreich verlassen, um zur TSG zu kommen. Ein großer Schritt?

„Es war nicht immer ganz leicht, da muss man schon ehrlich sein. Ich war zwar zuvor schon auf dem Fußballinternat in St. Pölten, aber das war nur eine Stunde von meinen Eltern in Horn entfernt. Da war Hoffenheim schon ein deutlich größerer Schritt. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben richtig auf mich allein gestellt, weil ich direkt mit meinem damaligen Mitspieler Corey Lee Anton in einer WG gewohnt habe und nicht mehr in einem Internat. Als meine Freundin aus Österreich dann nachgekommen ist, haben wir uns eine eigene Wohnung gesucht. Wir haben es bewusst ohne die Hilfe des Vereins gemacht, weil auch das ein Schritt in der Entwicklung ist. Wir wohnen jetzt etwas abseits und nahe an der Natur. Das ist perfekt für uns. Ich habe in der Zeit gelernt, selbstständig zu werden. Das hat mir enorm fürs Leben geholfen. Es war im Nachhinein ein sehr großer Schritt, aber der richtige – nicht nur sportlich, sondern für mein ganzes Leben.“

Zeitgleich mit Dir kamen 2017 auch weitere Talente zur TSG, die es nicht in die Bundesliga geschafft haben. Welche Faktoren haben eine Rolle gespielt, dass Du Dich durchgesetzt hast?

„Das Gesamtpaket muss stimmen. Und natürlich gehört auch immer eine ordentliche Portion Glück dazu. Wenn sich Nadiem Amiri an jenem 33. Spieltag der Saison 2018/19 nicht verletzt hätte, wäre ich in dem Heimspiel gegen Werder Bremen vielleicht erst gar nicht eingewechselt worden. Und dann hätte ich gegen Mainz vermutlich nicht in der Startelf gestanden. Und dann? Vielleicht hätte ich mich dann verleihen lassen, um Spielpraxis zu sammeln. Und dann weiß man nicht, wie es dort läuft. Aber ich bin schon der Meinung, dass sich über kurz oder lang die Qualität durchsetzt. Zum einen natürlich fußballerisch, aber ich glaube noch viel entscheidender mental. Man braucht die nötige Geduld und muss trotzdem eine gewisse Gier besitzen. Diesen Mittelweg muss jeder für sich finden. Julian (Nagelsmann, Anm. d. Red.) hat mir das Gefühl gegeben, dass ich meine Chance bekommen werde, und ich wusste, dass ich dann da sein muss. Man muss seine Chance eben nutzen, da trennt sich die Spreu vom Weizen. Am Ende trifft also Zufall auf Bereitschaft, das nennt man dann wohl das Glück des Tüchtigen.“

Hast Du in der Übergangszeit von der Akademie zu den Profis Druck verspürt?

„Da hat die Vereinsführung einen extrem guten Job gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass ich es schaffen kann, und auch der Verein hat das bestärkt. Aber es gab einen klaren Plan und geregelten Ablauf. Klar, in der Situation als junger Spieler findest du es immer geil, wenn du so früh wie möglich dabei bist. Aber für den Spieler ist es manchmal gar nicht schlecht, einfach noch den einen oder anderen Monat länger bei der U19 oder U23 zu spielen, anstatt sofort in der Bundesliga dabei zu sein. Damit du dann, wenn es wirklich so weit ist, auch tatsächlich bereit bist. Darauf hat mich die TSG perfekt vorbereitet, das ist für den Kopf gar nicht so einfach. Ich habe bei meinen ersten Einsätzen dann gemerkt, dass ich fußballerisch das Niveau mitgehen kann.“

Bei Deinem ersten Startelf-Einsatz hast Du in der ersten Hälfte die Gelb-Rote-Karte gesehen. Die TSG hat in Mainz nach einer 2:0-Führung noch 2:4 verloren und die Teilnahme an der Europa League verspielt. Wie sehr hat Dich dieses Erlebnis geprägt?

„Ich bin oft gefragt worden, ob ich die Zeit zurückdrehen und etwas anders machen würde. Ich habe dem gesamten Verein und auch mir selbst geschadet. Wir wollten alle international spielen. Dennoch war es im jungen Alter sehr lehrreich. Es geht im Fußball nicht immer nur bergauf. Glücklicherweise läuft es bei mir sehr gut, aber es kommen immer wieder Momente, die nicht perfekt laufen. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Das war eine harte Zeit. Ich ziehe aber viel Kraft daraus, es hat mich als Mensch und Spieler weitergebracht.“

Du bist ein Aushängeschild des Vereins. Wie gehst Du damit um?

„Ich bin in die Rolle hineingewachsen. Bei mir ging es immer Schritt für Schritt, sehr gleichmäßig. Es war nie so, dass ich irgendwie drei Schritte übersprungen habe, sondern manchmal dürfte der eine oder andere eher das Gefühl gehabt haben: ‚Bei dem könnte es sogar schneller gehen.‘ Aber das war für mich selbst nie so ein Thema. Es hat immer gepasst. Der kontinuierliche Weg war perfekt für mich, weil ich jetzt hier sitze und ein Führungsspieler bei der TSG bin. Das setzt mich nicht unter Druck, ich würde sogar sagen, dass ich als Typ solche Situationen, eine solche Rolle annehme. Ich war auch im Nachwuchs häufig Kapitän und bin auf dem Platz vorangegangen. Natürlich ist es bei den Profis nochmal etwas anderes, aber ich sehe das nicht als Last, sondern trage das in mir.“

Was braucht es, um diese Rolle auszuüben?

„Dafür gibt es natürlich kein perfektes Rezept. Es ist sicher eine gewisse Art Grundintelligenz nötig, ein Gespür dafür, was auf dem Rasen, aber auch in der Kabine passiert. Es geht darum, der Mannschaft zu helfen. Und zwar nicht nur mit den Beinen, sondern auch mit dem Kopf. Was kann ich über das Coaching reinbringen? In solche Dinge wächst man hinein. Das kann man nicht von heute auf morgen lernen, das passiert einfach. Und ich glaube, dass mir das bislang ganz gut gelingt. Dazu gehört, im nächsten Schritt den Verein auch medial zu vertreten. Ich möchte mir nicht anmaßen, dass ich ein Gesicht des Klubs sein kann, aber ich möchte durchaus als Sprachrohr gelten.“

Du hast im vergangenen Jahr Deinen Vertrag bis 2025 verlängert. Was bedeutet Dir die TSG?

„Ich bin schon einige Jahre hier und durfte auch noch die TSG-Akademie erleben. Ich weiß, was es bedeutet TSG-Fußball zu spielen. Ich fühle mich im Verein und in der Region extrem wohl. Zum einen sportlich, aber auch privat mit meiner Freundin und unserem Hund. Das liegt an der ganzen Region. Wir haben hier Freunde auch abseits des Fußballs gefunden. Man kann gerade als Privatperson dann super leben. Das genieße ich auch absolut. Das waren natürlich auch Gründe dafür, dass ich bei der TSG verlängert habe. Dazu kommt, dass ich super Gespräche mit Alex (Rosen, Anm. d. Red.) geführt habe. Da fiel mir die Entscheidung ziemlich leicht. Ich habe mir durch harte Arbeit sehr viel ermöglicht. Meine Art und Weise wird hier geschätzt, das freut mich natürlich. Ich möchte meinen Stempel weiterhin auf das TSG-Spiel drücken und will vorangehen.“

Im Team scheint Deine Art auf jeden Fall anzukommen, Du bist in dieser Saison erstmals Teil des Mannschaftsrats…

„Natürlich ist so eine Wahl der Teamkollegen eine Bestätigung, sowohl für die eigene Arbeit als auch die persönliche Art. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren viele Spiele gemacht, was ein wichtiger Faktor ist. Scheinbar konnte ich in der Zeit sowohl auf als auch neben dem Platz in der Mannschaft überzeugen. Das freut mich natürlich.“

Spürst Du, dass vor allem die jungen Spieler das Gespräch mit Dir suchen?

„Ich glaube, dass die Jungs zu mir aufschauen. Ich bin den gleichen Weg gegangen, den sie gehen wollen. Ich versuche das weiterzugeben und will ihnen ein gutes Gefühl geben. Es ist wichtig, dass sie Spaß haben, aber ebenso hart dafür arbeiten. Hier ist der gesunde Mittelweg entscheidend. Ich hoffe, dass ich das gut erfülle und den Jungs einige Tipps geben kann. Ich will Verantwortung übernehmen.“

Was bedeutet das konkret für Dich?

„Ich glaube nicht, dass man im Alter 30 plus sein muss, um für gewisse Werte zu stehen. Ich möchte mich aber auch gar nicht als Goldjunge darstellen. Ich bin der letzte, der jemanden verurteilt, wenn er sich einmal etwas gönnt. Ich glaube sogar, dass es extrem wichtig ist, dass man sich auch belohnt, wenn man sich etwas hart erarbeitet hat, sich hohe Ziele gesteckt und diese dann erreicht hat. Es wäre ja lächerlich und würde uns keiner abnehmen, in allem plötzlich ein studentisches Leben zu führen. Ich weiß aber auch, dass wir Fußballer gerade für Kids und Jugendliche zu einer Art Vorbild werden. Dem müssen und wollen wir gerecht werden. Das ist definitiv so, aber die Leute sollen nicht vergessen, dass wir auch Menschen sind.“

Dazu gehört, dass es einfach bessere und schlechtere Phasen gibt. In dieser Saison läuft es nun deutlich besser als 2020/21. Woran machst Du die Unterschiede fest?

„Wir müssen uns als Verein hohe Ziele setzen, weil wir von außen nicht den größten Druck bekommen. Das ist natürlich einerseits vor allem für junge Spieler ein Vorteil, weil man nicht – wie andernorts – sofort zerrissen wird, wenn man einen Fehler macht. Aber wir müssen schauen, dass wir uns hohe Ziele setzen, damit wir zu Höchstleistungen kommen. Ich glaube, dass wir in der vergangenen Saison nicht damit zufrieden sein konnten, was wir abgeliefert haben. Es war nur in den seltensten Fällen so, dass wir an unser Leistungsmaximum gekommen sind. Wenn man die jetzige Intensität, die Lautstärke und das Tempo im Training mit der vergangenen Saison vergleicht, sind das enorme Unterschiede. Das sehen auch die Trainer so. Wir haben wieder mehr fitte Spieler, wodurch der Konkurrenzkampf höher ist. Wir haben wieder dahin zurückgefunden, dass wir im Training an unser Limit kommen, damit die Leistung am Wochenende stimmt. All das führt in Summe zu besseren Leistungen. Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass wir jetzt da stehen, wo wir stehen.“

Hattest Du das Gefühl, dass man sich unterbewusst hinter der Thematik Corona verstecken konnte?

„Fakt ist: Wir haben aktuell 15 bis 20 Spieler, die in der Startelf stehen wollen und auch diesen Anspruch haben. In der vergangenen Saison waren es durch die Ausfälle eben nur zehn bis zwölf. Dazu hatten wir durch die Europa League und die vielen Länderspiele so gut wie nie eine komplette Trainingswoche. Es war alles okay, aber jetzt ist es ein ganz anderes Niveau. Wir haben viel mehr Feuer im Spiel und allgemein einen großen Schritt gemacht.“

Inwieweit hat auch Sebastian Hoeneß dazulernen müssen?

„Ich denke schon, dass auch der Trainer ein paar Schritte gemacht hat. Es ist seine erste Station im Profi-Fußball. Und dann musste er gleich im ersten Jahr eine solche Saison mit so vielen unverschuldeten Problemen meistern. Das war natürlich ungeheuer schwer. So eine Spielzeit gab es gefühlt zuvor ja noch nie. Aber in dieser Saison sieht man, wie viel Qualität er hat, man sieht es in der Art des Trainings, in der Videoanalyse. Da sind wir ligaweit sicher absolut top. Die Mannschaft ist fit und hat richtig Lust auf den Fußball mit viel Tempo. Dazu kennen wir uns jetzt alle besser. Er hat in Matthias Kaltenbach oder auch einigen Spielern erfahrene Leute, die den Verein schon seit Jahren kennen – und die gegenseitigen Gespräche helfen. Das Klima in der Mannschaft sowie im Staff ist insgesamt jetzt sehr gut. All das hilft uns in dieser Saison.“

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