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SPIELFELD
19.04.2021

„Es fühlt sich noch immer wie ein Traum an“

Von der Schule auf den Trainingsplatz und wieder zurück: Marco John erlebte in den vergangenen Wochen ein ständiges Pendeln zwischen Schulbank und Rasen. Der 19-Jährige hat sich in diesem Jahr im Bundesligakader der TSG Hoffenheim etabliert und legt bald parallel dazu sein Fachabitur an der Max-Weber-Schule in Sinsheim ab. Trotz seines eng getakteten Terminkalenders nahm sich das Hoffenheimer Nachwuchstalent Zeit, um mit SPIELFELD über die Doppelbelastung aus Schule und Fußball, seine ersten Eindrücke in der Bundesliga sowie eine wichtige Entscheidung in seiner Kindheit zu sprechen.

Marco, Du machst im Sommer Dein Fachabitur. Gleichzeitig stehst Du wöchentlich in der Bundesliga auf dem Rasen. Wie bekommst Du die Doppelbelastung hin?

„Es ist eine Frage der Organisation, der Struktur. In der Woche habe ich eigentlich schon vor dem Training von acht bis zehn Uhr Schule, zuletzt wieder in Präsenz, davor ja lange auch als Online-Unterricht. Beim Homeschooling habe ich dann eben Video-Konferenzen und nach dem Training ist dann Zeit, die Aufgaben aus den anderen Fächern am Laptop runterzuladen und zu erledigen. Manchmal kommt dann abends noch eine Stunde Lernen oder Nachhilfe dazu.“

Und wenn die Teamkollegen trainingsfrei haben, musst Du in die Schule …

„Natürlich gibt es Momente, in denen ich mich zusammenreißen und zum Lernen zwingen muss. Es ist nicht immer einfach, aber es ist auf jeden Fall der richtige Weg. Und trotz Corona macht es schon auch Spaß, einfach mal ein anderes Umfeld zu haben. Wenn du dann mal unter Jugendlichen in deinem Alter bist, ist es auch mal schön, dass du da ein paar Witze, so ein paar Späßchen machen kannst. Auch wenn ich mir manchmal natürlich wünschen würde, dass ich mich nicht mehr mit Rechnungswesen auseinandersetzen muss.“

Kam Dir schonmal der Gedanke, die Schule vorzeitig abzubrechen?

„Auf keinen Fall. Wenn alles passt, bin ich ja Mitte Juni auch mit der Schule durch. Ich habe nicht nur mit Trainer und Manager, sondern auch mit den Jungs aus der Mannschaft gesprochen. Sie haben mich alle bestätigt in dem Weg. Im Fußball ist nichts planbar, und in ein paar Jahren könnte ich noch sehr dankbar sein, dass ich es durchgezogen habe.“

„Ich bekomme die volle Rückendeckung vom Verein“

Gibt es denn Überlegungen, dass Du vor wichtigen Klausuren auch mal pausierst?

„Alexander Rosen, Sebastian Hoeneß und ich sind deswegen ständig in Kontakt, vom Verein bekomme ich dafür ja die volle Rückendeckung. Ich kann jederzeit sagen, wenn ich eine Pause zum Lernen brauche. Aktuell klappt es aber noch ziemlich gut. Wenn ich mal ein Spiel verpasse, dann ist es halt so. Natürlich will ich jede Partie mitnehmen, aber ich habe noch einen langen Weg vor mir. Der Abschluss hat jetzt erstmal absolute Priorität. Dann bin ich pünktlich zur neuen Saison fertig und kann mich vollständig auf den Fußball konzentrieren.“

Anfang Januar hast Du zum ersten Mal in der Bundesliga gespielt. Wie hast Du die Zeit seitdem erlebt?

„Alles ging richtig schnell vorbei. Es war wunderschön bis jetzt. Es fühlt sich noch immer wie ein Traum an, der ganz schnell Realität wurde. Viele Momente, von denen ich lange geträumt habe, habe ich jetzt tatsächlich erreicht. Ich nehme jede Erfahrung mit und bin unheimlich dankbar für alles.“

In welchen Momenten realisierst Du, dass es kein Traum ist?

„So richtig bewusst wird es mir abends, wenn ich im Bett liege und den Tag Revue passieren lasse. Dann denke ich mir oft: ‚krass. Im Moment erlebst du genau das, was du seit zehn Jahren erreichen möchtest‘. Das ist schon ein schönes Gefühl.“

Du standest in der Bundesliga seit Deinem Debüt zehn Spiele nacheinander in der Startelf. Eine imposante Entwicklung.

„Natürlich ist das der Idealfall, denn ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich fast jedes Spiel über 90 Minuten absolviere. Normalerweise wird man eher langsam herangeführt. Aber ich kann mich nicht beschweren, mir macht es unglaublich Spaß.“

Dein Profi-Debüt hast Du bereits zuvor in der Europa League im Spiel bei Roter Stern Belgrad gefeiert. Was sind Deine Erinnerungen an die Partie?

„Ich wurde ins kalte Wasser geworfen, weil ich es erst zwei Stunden vor dem Anpfiff erfahren habe, dass ich in der Startelf stehen würde. Natürlich war ich dann etwas nervös, aber die Jungs haben mir unglaublich geholfen.“

Hast Du manchmal ein bisschen Sorge, dass nach all den positiven Erlebnissen auch mal eine Leistungsdelle kommen könnte?

„Darüber mache ich mir relativ wenig Gedanken. Natürlich habe ich schon mal ein schlechtes Spiel. Aber ich denke, dass es dann wichtig ist, dass ich aus den Fehlern lerne, diese nicht mehr mache und im Training Vollgas gebe. Fehler sind menschlich und passieren. Egal, ob ich jetzt in der Bundesliga, in der Europa League oder in der U-19-Bundesliga spiele. Ich versuche, meine Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen – hinten zumachen und nach vorne Akzente setzen. Und dann ist es für mich, so doof es klingen mag, im Endeffekt egal, ob du im Dietmar-Hopp-Stadion spielst, in der PreZero Arena oder in einem anderen Stadion. Natürlich war ich vor allem vor dem Spiel in Belgrad nervös, aber sobald du auf den Platz gehst, ist es eben nur Fußball. Und ich spiele Fußball, seitdem ich vier bin. Es ist ja nichts anderes als das, was ich in den vergangenen 14 Jahren jeden Tag gemacht habe.“

Glaubst Du, dass es etwas anderes sein wird, wenn Du vor 30.000 oder bei einem Auswärtsspiel sogar vor 80.000 Zuschauern spielst? Durch die Corona- Pandemie hast Du in der Bundesliga noch nie vor Zuschauern gespielt …

„Das wird auf jeden Fall von der Atmosphäre noch einmal etwas ganz anderes sein. Zu Beginn war es für mich leichter, dass ich die Kommandos der Mitspieler hören konnte, jedes Wort, wie im Training. Das gibt mir ein gewisses Stück Sicherheit. Aber natürlich bin ich darauf gespannt und stelle mir vor, wie es ist, vor so vielen Zuschauern zu spielen.“

Speziell, wenn Du in der heimischen PreZero Arena vor Deiner Familie und Deinen Freunden spielst.

 „Definitiv. Ich glaube, das ist schon das Schönste, was du dann am Ende eigentlich erreichen kannst. Wenn du im Stadion spielst, die Partie gewinnst und dann steht deine Familie da oben auf der Tribüne, 1. Reihe und du kannst dann direkt dahin. Ich glaube, das ist schon sehr, sehr schön, und ich würde mich auch sehr freuen, wenn das bald gehen würde.“

Du hast zehn Bundesliga-Spiele nacheinander in der Startelf gestanden. Jetzt sind Ryan Sessegnon und Robert Skov wieder fit und Du musst Deinen Stammplatz verteidigen. Wie erlebst Du diese Situation?

„Der Konkurrenzkampf besteht natürlich. Aber ich will einfach die Spiele genießen, die ich machen darf. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl und ein Geschenk. Und natürlich arbeite ich unter der Woche darauf hin. Aber am Ende steht schon der Erfolg des Teams im Vordergrund. Ich verstehe mich mit den Jungs super und kann mir noch so viel von ihnen abgucken.“

„Man hat Respekt, aber keine Angst“

Deine direkten Gegenspieler hießen auch schon Leroy Sané oder Jadon Sancho. Hast Du in der Vorbereitung vor solchen Duellen Angst oder freust Du Dich dann eher darauf?

„Man hat Respekt, aber keine Angst. Am Ende sind es auch nur Menschen. Natürlich haben die Qualität und können brutal gut kicken, wahnsinniges Tempo, mega Technik. Das ist keine Frage. Aber für mich ist das ein Ansporn, die 90 Minuten möglichst fehlerfrei durchzuziehen. Generell wird in der Bundesliga ohnehin fast jeder Fehler bestraft, aber bei denen kannst du dir ziemlich sicher sein: Wenn du da einen Moment nicht online bist, dann ist es vorbei.“

Hast Du in der Mannschaft denn ein, zwei Teamkollegen, die Dir auch mal im Spiel einige Tipps geben können?

„Ich rede zum Beispiel sehr viel mit Pavel (Kadeřábek, Anm. d. Red.) und hole mir für das Spiel auf der Außenbahn schon einige Ratschläge von ihm. Er spielt jetzt schon sechs Jahre hier in Hoffenheim rechter Außenverteidiger und kann mir hilfreiche Tipps geben. Denn die Position ist für mich natürlich noch immer etwas ungewohnt, weil ich sie in meiner Jugend nie gespielt habe. Auch Kevin (Vogt) und Flo (Grillitsch) helfen mir. Sie haben sehr hohe Ansprüche und wollen sich immer mit den Besten messen. Mit ihrer Erfahrung geben sie mir immer wieder gute Hinweise.“

Hast Du Dich mit der Position angefreundet oder siehst Du Dich langfristig eher im Zentrum?

„Es ist natürlich so, dass ich mich im Zentrum einfach absolut wohl fühle und es zehn Jahre lang gespielt habe. Aber ich will dem Team helfen, da ist es mir egal, auf welcher Position ich zukünftig spiele. Vor allem als junger Spieler nehme ich natürlich jede Partie mit, egal ob im Mittelfeldzentrum oder auf der linken Außenbahn.“

Als gelernter zentraler Mittelfeldspieler war Dein Vorbild in der Kindheit aber vermutlich kein linker Außenbahnspieler…

„Stimmt, aber als Linksfuß guckt man da natürlich vor allem auf Lionel Messi. Wen ich noch sehr gut finde, ist Kevin de Bruyne. Ich schaue ihm einfach sehr gern zu. Seine Bewegungen, wie er sich im Raum aufhält, wie und was er für Entscheidungen trifft – das ist schon sehr stark.“

Wann hast Du es denn selbst gemerkt und Dir gesagt: Ich könnte es bis in die Bundesliga schaffen.

„Natürlich war es immer ein Traum von mir. Aber ich habe lange einfach nur Fußball gespielt, weil es richtig viel Spaß gemacht hat und habe mir keinen Kopf gemacht. Das erste Mal, dass es richtig ernst wurde, war, als ich statt in der U16 direkt in der U17 mitgespielt und keinen Unterschied gespürt habe. Dann fängt es an, dass du mal denkst: ‚Okay, wie ist es, wenn du mit zwei, drei Jahre älteren Jungs spielst oder wie ist es, wenn du mit Männern auf dem Platz stehst? Ab diesem Zeitpunkt ist der Gedanke gereift: Das könnte etwas werden als Profi.“

Du bist in Bad Friedrichshall bei Heilbronn geboren, mit elf Jahren zur TSG gekommen und hier zum Bundesliga-Profi geworden. Macht es das nochmal besonders?

„Es ist für mich das Schönste, was passieren konnte. Ich komme aus der Gegend, habe hier seit dem Kinderperspektivteam bei der TSG alle Jugendmannschaften durchlaufen und bin nun oben angekommen. Natürlich liegt es daran, dass ich die Leistung gebracht habe, aber man muss auch immer die Möglichkeit bekommen. Dementsprechend bin ich dem Verein schon sehr, sehr dankbar. Die Tür ist aufgegangen, und ich bin halt durchgegangen.“

„Es war die absolut richtige Entscheidung“

Du hast nun Deinen Profi-Vertrag bis zum Jahr 2024 unterschrieben, wirst bald mehr als ein Jahrzehnt bei der TSG sein.

„Wenn man abends im Bett liegt und sich zurückerinnert, dann denkt man schon mal: ‚das war jetzt schon ein langer Weg.‘ Aber am nächsten Morgen heißt es wieder auf dem Platz Leistung zu zeigen. Da bringt es mir nichts, dass ich schon ewig hier im Klub bin, sondern da zählt nur die Leistung in der Gegenwart. Da gibt es keinen Vorteil für regionale Spieler.“

Dann mal Hand aufs Herz: Warst Du denn schon in Deiner Kindheit TSG-Fan?

„Ich fand Hoffenheim tatsächlich schon als kleiner Junge irgendwie cool. Meine Familie bestand früher eigentlich nur aus Stuttgart-Fans, aber mittlerweile drücken sie natürlich der TSG die Daumen. Bevor ich ins Kinderperspektivteam der TSG gekommen bin, hatte ich die Wahl zwischen Stuttgart und Hoffenheim. Es war dann eigentlich so ein Bauchgefühl. Mittlerweile weiß ich, dass es die absolut richtige Entscheidung war.“

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