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SPIELFELD
16.03.2021

Wertvolle Wechsel

Rücktritt als Kapitän der TSG, überraschender Transfer zu Abstiegskandidat Werder Bremen, Klassenerhalt in der Relegation, Rückkehr nach Hoffenheim – Kevin Vogt blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Im Kraichgau hat sich der 29-Jährige mittlerweile trotz zwischenzeitlicher Corona- Infektion eindrucksvoll zurückgemeldet und ist auch ohne Binde am Arm Führungsspieler im Team von Sebastian Hoeneß. Im „anspruchsvollsten Jahr“ seiner Karriere hat der Abwehrspieler viel nachgedacht – und „sehr viel gelernt“.

Hoffenheim und Bremen trennen nur 557 Kilometer. Ein Kurztrip für die meisten Menschen, eine wertvolle Reise aber für Kevin Vogt. Als Kapitän der TSG wechselte er Ende 2019 an die Weser, erlebte einen nervenaufreibenden, aber erfolgreichen Kampf um den Klassenerhalt und kehrte im Sommer 2020 in neuer Rolle in den Kraichgau zurück – um Hoffenheim am 25. Oktober aufgrund der Ausfälle von Benjamin Hübner und Oliver Baumann doch wieder mit der Spielführerbinde aufs Feld zu führen: in Bremen. „Schon witzig“ urteilt er selbst. Das wechselhafte Jahr hat ihn nachhaltig geprägt. Es sagt einiges aus, wenn der 29-Jährige, der die Erfahrung von knapp 250 Bundesliga-Spielen vorweisen kann, die Zeit als „sehr lehrreich für mich persönlich“ beschreibt.

Vogt schaut ernst, während er konzentriert spricht und es ist ihm anzumerken, wie sehr ihn die Erfahrungen geprägt haben. Und wie gut sie ihm getan haben. Selbstreflexion stand seit jeher weit oben auf der To-Do-Liste von Kevin Vogt. Auch deshalb hat er keine Scheu, Einblicke in seine Gefühls- und Gedankenwelt zu gewähren. „Aus jedem negativen Erlebnis kann man im Nachgang viel Positives ziehen, und das habe ich versucht. Ich bin aus meiner Komfortzone – also gewohntes Umfeld, sportlicher Erfolg – raus und habe mich einer völlig neuen Situation in Bremen gestellt. Es war mein anspruchsvollstes Jahr als Fußball-Profi. Mittlerweile bin ich aber sehr dankbar dafür, weil mich das sportlich und auch ganz besonders menschlich weitergebracht hat.“

Die zwischenzeitlichen Rückschläge und auch Rückschritte haben Vogt den Wert des zuvor Erreichten verdeutlicht. „Unbewusst wurde vieles selbstverständlich. Nun kann ich das alles besser einordnen und auch mehr wertschätzen. Zudem ging es in Bremen ja nicht nur um den Klassenerhalt, sondern auch um Existenzen der Mitarbeiter. Das ist dann schon eine andere Situation. Da sieht man auch die andere Seite der Medaille, das war für mich sehr wichtig.“

„Mein Blickwinkel ist deutlich größer geworden“

Die Selbstkritik, die zwischen den Zeilen durchklingt, ist ein Beleg für die intensive Auseinandersetzung des Fußballprofis mit seinem Wirken auf und neben dem Feld. Auch seiner Rolle als TSG-Kapitän, die er Ende des Jahres 2019 nach Meinungsverschiedenheiten mit dem damaligen Trainer Alfred Schreuder aufgab, widmet er viele Gedanken. Obwohl Vogt schon zuvor ein erfahrener Führungsspieler war, spürt er eine persönliche Weiterentwicklung – auch im mannschaftsinternen Umgang: „Mein Blickwinkel ist deutlich größer geworden. Ich war hier lange Kapitän, habe immer gespielt und alles war für mich persönlich super. Durch die Erfahrungen des vergangenen Jahres habe ich nun ein besseres Gespür für die Jungs, die vielleicht nicht jedes Wochenende spielen oder Rückschläge erleben. Ich kann mich deutlich besser in diese Lage hineinversetzen. Dafür bin ich sehr dankbar, weil diese Eigenschaft zuvor nicht so ausgeprägt bei mir war. Ich kann Emotionen und Situationen besser nachempfinden und dadurch auch offener oder intensiver darüber reden. Es war für mich persönlich ein wertvolles Jahr.“

Die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst half ihm auch bei der Rückkehr zur TSG. Vogt gefiel die neue Rolle ohne Sonderrechte und die Chance, sich „ganz normal bei der TSG einfügen zu können. Das war mein Wunsch, ich will durch Leistung überzeugen und hege keinen Anspruch auf die Binde oder sonst eine besondere Stellung.“ Vogt verhehlt aber nicht, dass es zunächst „speziell“ war, nach einem halben Jahr in jene Mannschaft zurückzukehren, die er lange als Kapitän geführt hatte.

Obwohl er von den alten neuen Teamkollegen herzlich aufgenommen wurde, fühlte er sich zunächst „ein bisschen beobachtet“ und nahm sich „ein wenig zurück“. Doch die gemeinsamen Erfolge der vergangenen Jahre, die internationalen Erfahrungen und die gemeinsam durchlebte Entwicklung haben große Bindungen erzeugt, die Spieler „zusammengeschweißt“: „Ich bin wieder dort, wo ich hingehöre.“ Dass Vogt aufgrund seiner Erfahrung und seiner Leistung auch ohne Binde am Arm eine führende Rolle einnimmt, ist offensichtlich. Das Verhältnis zu Trainer Sebastian Hoeneß, der die TSG im Sommer übernahm, ist gut – Vogt gehört seit Saisonbeginn zur Stammelf und kämpfte sich auch nach einer heftigen Corona-Infektion in die Anfangsformation zurück.

„Die beste Station meiner Karriere“

Vogts Wunsch nach einem „empathischen Trainer, der sich sein eigenes Bild macht“, ist in Erfüllung gegangen. Befürchtungen, die Umstände des Werder-Wechsels könnten Auswirkungen auf die Beziehung zum neuen Cheftrainer haben, erfüllten sich nicht. „Wir hatten zu Beginn gleich zwei wirklich gute Gespräche. Ich habe mich allein auf das Fußballspielen konzentriert. Dann war es schön zu sehen, dass der Coach der Meinung ist, dass ich ein bisschen Fußball spielen kann und das mit Einsätzen belohnt.“

Kevin Vogt ist also bester Laune und Zweifel an seinem Herzensklub gibt es nicht: „Die TSG Hoffenheim ist nicht einfach irgendein Verein für mich, sondern die prägendste und lehrreichste Station meiner Fußballkarriere. Wir haben hier zusammen Geschichte geschrieben. Man weiß nie, was passiert, aber das kann ich dennoch mit Ausrufezeichen sagen: Es wird auch die beste Station sein, die ich in meiner Karriere hatte und auch haben werde.“

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