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SPIELFELD
06.08.2020

Briel: „Der Erfolg ist gar nicht hoch genug zu bewerten“

Die zwölfte Saison der TSG Hoffenheim in der Bundesliga war wegen der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie nicht nur die längste, sondern auch die ungewöhnlichste. Frank Briel, Geschäftsführer der TSG, bezeichnet im Interview mit SPIELFELD das sportliche Abschneiden als fantastischen Erfolg und bestätigt in wirtschaftlicher Hinsicht die bereits im vorigen Herbst angekündigte Rekordbilanz.

Herr Briel, die Mannschaft hat mit einem starken Finish und einem abschließenden 4:0 in Dortmund tatsächlich noch den sechsten Platz und die direkte Qualifikation für die Gruppenphase der UEFA Europa League geschafft. Wie lautet Ihre Bilanz und Ihr Fazit der Saison 2019/20?

„Das ist ein großartiger, ein fantastischer Erfolg. In dem harten Bundesliga-Wettbewerb gegen teilweise wirtschaftlich stärkere Konkurrenten die UEFA Europa League zu erreichen, ist für die TSG Hoffenheim alles andere als selbstverständlich und eine tolle Bestätigung der ehrgeizigen Arbeit der vergangenen Jahre in unserem Klub. Dass wir am letzten Spieltag sogar noch den Sprung vom siebten auf den sechsten Platz geschafft haben, ist das Ergebnis der herausragenden Leistung unserer Mannschaft, des (damaligen; d. Red.) Trainer-Teams und des gesamten Klubs. Matthias Kaltenbach, Marcel Rapp, Kai Herdling, Michael Rechner und Timo Gross haben, orchestriert von Alexander Rosen, dem Team in den letzten vier Spielen noch einmal neue Energie vermittelt und wieder einen offensiven, mutigen und attraktiven Fußball spielen lassen. Aber ich möchte betonen, dass auch Alfred Schreuder ein großer Anteil am Erfolg der gesamten Saison gehört. Er hat das Team in einer außergewöhnlichen Phase übernommen, die mit dem größten Umbruch der vergangenen Jahre verbunden und durch die Coronakrise geprägt war. Zudem standen ihm in Andrej Kramarić und Ishak Belfodil zwei absolute Ausnahmespieler der Vorsaison verletzungsbedingt langfristig nicht zur Verfügung. Er hat die Mannschaft auf Platz sieben geführt und ist ja letzten Endes nicht wegen Erfolglosigkeit verabschiedet worden. Alfred kann von sich behaupten, einen guten Job gemacht zu haben.“

Die TSG Hoffenheim hat eine bessere Platzierung erzielt als in der Saison 2018/2019 mit Julian Nagelsmann. Damals rutschte die Mannschaft am letzten Spieltag mit dem 2:4 in Mainz noch auf Platz neun ab.

„Das bedeutet für uns auch eine gewisse Weiterentwicklung. Wir hatten mit Julian drei Jahre lang die größte deutsche Trainerhoffnung, die für die jüngere Erfolgsgeschichte der TSG stand und die Spielweise maßgeblich geprägt hat – eine fantastische Zeit. Aber wir haben nach seinem Wechsel gesagt, dass wir uns nun emanzipieren müssen. Das ist uns im Ergebnis sehr gut gelungen, insbesondere wenn man bedenkt, dass wir nach den Abgängen zahlreicher Leistungsträger zwar Transfererträge auf Rekordniveau erlösen konnten, dem Kader aber gleichzeitig auch eine neue Struktur geben mussten. Viele hatten uns ja einen Einbruch prognostiziert. Wir aber haben gezeigt, dass wir einen weiteren Schritt in unserem Entwicklungsprozess vollzogen haben.“

Platz 8 bis 12 wurde früher immer als realistisches Ziel ausgegeben ...

„Heute sind wir bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen Platz 7 und 10 verortet. Da konnten wir uns schon etwas emporarbeiten, auch wenn es jetzt sehr schwer wäre, von der Finanzkraft noch weiter nach oben zu kommen. Aber das Schöne ist, dass das Finanzielle zwar ein sehr wichtiger Parameter ist, aber mitnichten der einzige Faktor für Erfolg. Wir betonen immer, dass wir nach dem Maximal-Prinzip der Betriebswirtschaftslehre arbeiten: Wir versuchen, aus den gegebenen Mitteln das Maximale zu erreichen.“ 

„Das DFL-Konzept war für einige Klubs die Lebensversicherung“

In der vergangenen Saison 2019/20 hat diese Herangehensweise in die UEFA Europa League geführt …

„Alexander Rosen hat schon richtigerweise betont, dass dieser Erfolg gar nicht hoch genug zu bewerten ist. Wir haben den sechsten Platz mit einem weitgehend neuen Setup bewerkstelligt, haben die Rückschläge mit den vielen langwierigen Verletzungen von Schlüsselspielern und die Besonderheit einer durch die Corona-Pandemie außergewöhnlich verlaufenen Saison ausgezeichnet gemeistert.“

Dass die Saison überhaupt zu Ende gespielt werden konnte, war lange ungewiss und sogar umstritten. Die DFL und Bundesliga-Klubs mussten sich auch teilweise scharfe Kritik gefallen lassen, dass der Fußball quasi als erste Branche darauf gedrängt hat, ihren Betrieb wieder aufnehmen zu dürfen.

„Ich kann verstehen, insbesondere wenn man die emotionale Sicht von außen hat, dass man auch manches kritisch sieht in der Entwicklung teils absurder Summen auf dem Transfermarkt oder in der Vergütungsstruktur. Natürlich sind wir als Fußball angreifbar, weil wir einfach mit unwahrscheinlich viel Geld arbeiten, sich teilweise eine große Blase entwickelt hat. Aber es wurde für meinen Geschmack zu sehr auf den Fußball spielenden Millionär, der jetzt sein Gehalt weiter bekommen soll, reduziert. Es haben wenige verstanden oder verstehen wollen, dass sich dahinter auch noch knapp 60.000 Arbeitsplätze verbergen, mit denen absolute Durchschnittsverdiener ihre Familien ernähren. Dadurch, dass der Fußball die erste Industrie war, die in einer kritischen Pandemie-Phase versucht hat, wieder ihren Betrieb zu starten, wurde darauf mit Argwohn geschaut und teilweise auch unwahren Behauptungen gearbeitet.“

Und dann hat die DFL tatsächlich das Konzept für einen „Sonderspielbetrieb“ genehmigt bekommen. Trotz anfänglicher Zweifel, ob das alles so klappen kann, hat es funktioniert.

„Dieses Konzept war im Grunde die Lebensversicherung für einige Klubs, und für den Fußball insgesamt ein extrem wichtiges. Als die Saison Mitte März ausgesetzt wurde, war es völlig unsicher, ob wir überhaupt noch mal in diesem Jahr wieder Bundesliga-Fußball spielen können. Irgendwann wussten wir alle, wir können nur gemeinsam wieder spielen, wenn wir uns an diese Dinge gewöhnen, also an Teil-Quarantäne, alle drei Tage Testungen, Desinfektion, Abstand, Mundschutz. Das wirkte zunächst fast wie eine gespenstische, surreale Umsetzungsidee. Aber das war kein Scheinpapier, das man locker durchziehen wollte. Uns war bewusst, dass die Genehmigung uns in eine privilegierte Situation versetzt hatte. Das Konzept wurde dann auch extrem stringent und penibel eingehalten, selbst als anderswo längst Lockerungen umgesetzt wurden. Darin lag auch der Schlüssel des Erfolges.“ 

„Wir werden die 200-Millionen-Euro-Umsatzschwelle überschreiten“

Das Konzept war mit dem hohen Preis verbunden, dass keine Zuschauer in den Stadien zugelassen waren. Im Herbst 2019 haben Sie im Gespräch mit SPIELFELD angekündigt, dass die Saison 2019/20 mit einem weiteren wirtschaftlichen Rekordergebnis abgeschlossen wird. Bleibt es dabei trotz der Mindereinnahmen?

„Auch die TSG Hoffenheim spürt Corona. Wir erleiden erhebliche Umsatzeinbußen. Wir haben Heimspiele ohne Zuschauer absolvieren müssen, zudem weniger Fernsehgeld als geplant erhalten. Dennoch wird die Spielzeit 2019/2020 eine Rekordsaison bleiben, insbesondere vor dem Hintergrund, weil wir bis zum Zeitpunkt, als die Saison unterbrochen wurde, schon knapp drei Viertel der Saison absolviert hatten und schließlich doch noch zu Ende spielen konnten. Wir werden die 200-Millionen-Euro-Umsatzschwelle überschreiten, natürlich getrieben durch die hohen Transfererlöse von mehr als 110 Millionen Euro im Sommer vorigen Jahres.“

Können Sie beziffern, um wie viel weniger hoch der Umsatz ausfällt im Vergleich Ihrer Kalkulation im vorigen Herbst? Wie hoch fallen also die finanziellen Einbußen durch die Corona-Pandemie aus?

„Das lässt sich schon quantifizieren. Das sind für die Saison 2019/20 etwa fünf Prozent, in den kommenden Spielzeiten deutlich mehr.“

Es gab allerdings auch die Kürzungen in den laufenden Verträgen der DFL mit den TV-Rechteinhabern. Dazu fallen die Einnahmen aus dem neuen, 2021/22 beginnenden Vertrag geringer aus. Zu welchen Mindereinnahmen führt das für die TSG?

„Das sind vom ursprünglichen Planungsszenario der Medieneinnahmen betrachtet allein elf Millionen Euro für die Spielzeit 20/21 sowie in 21/22 dann noch mal voraussichtlich zehn Millionen Euro. In Summe werden wir also 21 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit an Medienerlösen nicht realisieren. Dies zu beklagen, wäre Jammern auf hohem Niveau, aber die Komplexität ist, dass unsere Aufwandssituation wegen der Vertragslaufzeiten für zwei, drei Jahre quasi fix ist. Das gilt es jetzt zu managen.“

Umso wertvoller war der sechste Platz …

„Die Qualifikation für die Gruppenphase der UEFA Europa League ist wichtig, vor allem, wenn man dort einige Spiele gewinnt und vielleicht auch einmal in die K.o.-Runde vorstößt, wenngleich man auch dort einfach realistisch sein muss. Die Europa League ist etwa mit einem Fünftel der Einnahmen verbunden, die in der Champions League zu erzielen sind, also eher in der Größenordnung acht bis zehn Millionen Euro. Die europäischen Spiele können jedoch nicht die erheblichen Einbußen kompensieren, die wir sehr wahrscheinlich durch fehlende Zuschauerund rückläufige Medieneinnahmen haben werden. Denn wir werden im September mit der Bundesliga nicht in vollen Stadien spielen können, im besten Fall ist irgendwann im Verlauf der Saison mit einer Teilöffnung zu rechnen.“

Niemand kann garantieren, dass die Bundesliga ab dem Zeitpunkt X zurückkehren kann zum gewohnten Spiel, also mit Zuschauern in den Stadien. Wie kann es Ihrer Meinung nach weitergehen?

„Die Hoffnungen ruhen auch dort, wie auf vielen anderen Feldern des öffentlichen Lebens, einfach auf einem Impfstoff, der diese Pandemie möglichst eindämmt. Es gilt bis dahin, mit Augenmaß, Weitsicht und Vernunft eine Lösung zu finden. Und die soll keineswegs ökonomisch getrieben sein. Die Möglichkeit von Teilöffnungen, also die Stadien mit streng limitierten Besucherzahlen zu besetzen, ist primär nicht nur aus finanzieller Sicht wichtig, sondern weil dem Spiel ohne Fans ein ganz wesentliches Element fehlt. Aus diesem Grund möchte ich mir heute noch nicht vorstellen, dass wir noch lange ohne Zuschauer spielen müssen. Andererseits: Wenn es die Existenz sichert, wird es so sein müssen.“

 

Das Interview erschien in der Juli-Ausgabe unseres Klubmagazins SPIELFELD. 

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