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AKADEMIE
31.07.2020

Peter Kuhnt: Der Champions-League-Physio

Seit etwas mehr als zwei Jahren ist Peter Kuhnt als Physiotherapeut für die Gesundheit der Akademie-Talente zuständig. Erst bei der U23, nun im Leistungszentrum bei der U19 und U17. Zuvor war er 27 Jahre lang in der Herren-Bundesliga tätig und kann so einiges an die Profis von morgen und an die heutigen Kollegen weitergeben.

Er hielt den Champions-League-Pokal, die Meisterschale und den DFB-Pokal in seinen Händen und war Vertrauensperson für eine ganze Reihe von Nationalspielern und Weltklassefußballern: Peter Kuhnt hat so ziemlich alles gesehen, was der Profifußball in Deutschland zu bieten hat, und war 27 Jahre lang Teil der Bundesliga. Mittlerweile stellt der Physiotherapeut aus Franken seine Expertise und Erfahrung der TSG-Akademie und ihren Talenten zur Verfügung.

Die erfolgreiche Laufbahn als „Physio“ begann in Kuhnts oberfränkischem Heimatort Forchheim. „Als junger Spieler hat mich die Arbeit vom Masseur der SpVgg Jahn Forchheim inspiriert. Ich habe gemerkt, dass in meinen Händen mehr Talent steckt als in meinen Füßen“, erinnert sich Kuhnt. Schnell folgte der Einstieg in den Sport. Die Bundesliga-Handballerinnen des 1.FC Nürnberg waren seine erste Station.

Im Alter von 26 Jahren, zur Saison 1986/87, folgte dann der Wechsel zum Fußball. Der Traditionsklub und dreimalige Deutsche Meister SpVgg Fürth spielte zwar zu jener Zeit nur in der Landesliga, hatte allerdings große Ambitionen und mit Paul Hesselbach einen Ex-Profi als Trainer. „Der hat ordentlich Zug in den Verein gebracht. Es war zwar nur Landesliga, aber gearbeitet wurde unter Profibedingungen“, erinnert sich Kuhnt.

Der „Club“ wie eine Familie

Trotz des Engagements blieb es in vier Jahren in Fürth bei der Landesliga, doch im Sommer 1990 sollte Kuhnt mit einem Mal der ganz große Sprung gelingen. Auf Lehrgängen hatte er den legendären DFB-Physiotherapeuten Klaus Eder kennengelernt, und als der 1.FC Nürnberg für seine Bundesligamannschaft einen Physio suchte, empfahl Eder dem „Club“ Kuhnt. Von der Landesliga in die Bundesliga. Was für Spieler unmöglich erscheint, packte Kuhnt ohne größere Probleme. „Mein Vorteil war, dass in Fürth ja schon sehr professionell gearbeitet wurde.“

In Nürnberg lief es sportlich unter den Trainern Are Haan, Willi Entenmann und Rainer Zobel zwar nicht immer wie gewünscht, dafür hat Kuhnt seine Zeit in Nürnberg aber unter anderen Gesichtspunkten als eine ganz besondere in Erinnerung: „Beim Club waren die Mannschaft und die Betreuer eine große Familie. Wir sind oft alle zusammen weggegangen und hatten eine sehr enge Bindung zueinander.“

Doch nach vier Jahren war die Zeit in Nürnberg vorbei. Nachdem Kuhnt den Nationalspieler und Dortmunder Profi Stefan Reuter in dessen Verletzungszeit, die er in seiner fränkischen Heimat verbrachte, behandelt hatte, empfahl Reuter seinem Klub den fränkischen Physio.

Intensive und arbeitsreiche Zeit in Dortmund

Der BVB wollte zu jener Zeit seine medizinische Abteilung neu ausrichten – und das sollte Kuhnt tun. Pikanterweise stand am letzten Spieltag der Saison 1993/94 das Duell der Nürnberger in Dortmund an. Kuhnts Noch-Klub gegen den zukünftigen. Durch den 4:1-Sieg des BVB stieg der FCN ab und die Westfalen zogen in den UEFA-Cup ein. „Ich habe das Spiel damals mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen. Natürlich tat es mir weh, mit einem Abstieg aus Nürnberg wegzugehen, aber ich hatte auch richtig Lust auf den Europapokal“, sagt Kuhnt.

Europapokalspiele durfte der Franke in seiner Wahlheimat im Ruhrpott in den folgenden Jahren einige erleben. „Es war eine sehr intensive Zeit, in der wir als Team immer sehr viel unterwegs waren. Es gab nicht wenige Wochen, in denen ich nur zwei Nächte zu Hause geschlafen habe.“ Doch die Arbeit stand für Kuhnt immer im Vordergrund. „Das war einfach so, auch wenn ich es schon manchmal bedauert habe, wenn ich nicht auf eine Familienfeier gehen konnte oder ein gemeinsames Wochenende mit den alten Freunden absagen musste.“

Als Physio in Dortmund hat er in 23 Jahren so einige Spieler mit großem Namen auf der Behandlungsbank liegen gehabt. Von Jürgen Kohler oder Matthias Sammer über Tomáš Rosický oder Márcio Amoroso bis hin zu Marco Reus oder Robert Lewandowski „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu den Jungs. Sie haben viel mit mir geteilt. Auch Dinge, die sie nicht jedem erzählt haben.“ Dabei sah Kuhnt seine Rolle immer näher an der Mannschaft als am Trainerteam. „Zu den Trainern habe ich lieber etwas mehr Distanz aufgebaut, um da nicht in Konflikte zu geraten.“

Bombenanschlag als einschneidendes Erlebnis

Trotzdem habe er zu allen seinen Cheftrainern immer ein super Verhältnis gehabt, betont Kuhnt. Ob diese nun Hitzfeld, Sammer, Klopp oder Tuchel hießen. Neben fünf deutschen Meistertiteln und drei DFB-Pokal-Siegen erlebte er 1997 auch den Gewinn der Champions League und des Weltpokals mit. Bei all den Titeln, Siegerehrungen und Festbanketten war für Kuhnt jedoch etwas anderes stets der Höhepunkt in seinem Berufsleben: „Wenn wir nach einem Titelgewinn auf Trucks durch Dortmund gefahren sind, hat man erst gesehen, was der Verein der Stadt bedeutet. Einfach alle Dortmunder standen an den Straßen und die 90-jährige Oma hat uns noch aus dem Fenster zugewinkt. Da hatte ich manche Male Tränen in den Augen.“

Über den Tiefpunkt seiner Karriere muss Kuhnt allerdings ebenfalls nicht lange nachdenken. Am 11. April 2017 saß er im Dortmunder Mannschaftsbus, auf den im Vorfeld des Champions-League-Spiels gegen die AS Monaco ein Bombenanschlag verübt wurde. „Ich habe zuerst einen Blitz gesehen und bin sofort aufgestanden. Im nächsten Moment hat es auch schon einen Schlag gegeben und der Bus ist nach rechts und links geschwankt. Ich habe unseren Busfahrer angebrüllt, dass er weiterfahren soll. Wir wussten ja nicht, was los war.“

Im nächsten Moment fiel Kuhnts Blick auch schon auf BVB-Profi Marc Bartra. „Marc hat geschrien und geblutet. Ich habe dann mit meiner Kollegin die Erstversorgung gemacht. Ansonsten wurde in den Momenten nach der Explosion nicht viel gesprochen. Alle standen unter Schock.“ Viele Spieler, Trainer und Offizielle, die den Anschlag damals miterlebt haben, leiden noch heute darunter. Auch Kuhnt spürte Auswirkungen: „Vor allem am Anfang habe ich große Menschenansammlungen vermieden, weil ich mich in solchen Situationen überhaupt nicht mehr wohlgefühlt habe.“

Abschied vor der Südtribüne

Keine sechs Wochen nach dem Anschlag beendete Kuhnt das Kapitel Borussia Dortmund. Am letzten Spieltag der Saison 2016/17 wurde der BVB-Physio noch einmal von der Südkurve gefeiert und bekam von der Mannschaft ein emotionales Video mit all den Höhepunkten aus 23 Dortmunder Jahren überreicht. „Das schönste Geschenk, das ich jemals erhalten habe“, sagt Kuhnt.

Der Abschied hatte jedoch nichts mit dem Anschlag zu tun. Schließlich stand dieser schon drei Monate vor jenem 11. April 2017 fest. „Ich war ziemlich aufgerieben, denn 30 Jahre im Hochleistungssport zehren ganz schön an den Nerven und am Körper.“

Schon in den letzten Dortmunder Jahren war Kuhnts Zufluchtsort das Haus seiner Frau in Eppingen. „Es war einfach immer herrlich, aus dem Trubel in die Ruhe hier in der Region zu kommen. Das habe ich sehr genossen.“ Somit fiel es dem Franken nicht schwer, nach dem Karriereende weder im Ruhrgebiet zu bleiben noch in die bayrische Heimat zurückzukehren, sondern im Kraichgau sesshaft zu werden.

Nach zwei Jahren U23 nun bei der U19 und U17

Die freie Zeit nach dem Abschied aus Dortmund nutzte Kuhnt zum Herunterkommen und fürs Golfspielen mit seinen 23 und 13 Jahre alten Söhnen. Doch irgendwann juckte es ihn doch wieder in seinen Physiofingern. Und wie es der Zufall so wollte, war U16-Co-Trainer Marco Unser damals der Klassenlehrer von Kuhnts jüngerem Sohn. „Wir sind ins Gespräch gekommen und ich habe ihm gesagt, dass ich mir gut vorstellen könnte, im Nachwuchsleistungszentrum der TSG auszuhelfen“, erzählt Kuhnt.

Kurze Zeit später kam der Anruf von Bernd Steinhoff, der als Koordinator Medizin bei der TSG auch die Besetzung der Physiotherapie-Stellen verantwortet. „Ich musste dann nicht lange nachdenken und habe gesagt, dass sie mich dort hinstecken können, wo jemand gebraucht wird.“ Kuhnt landete bei der U23 und ist nun ins Leistungszentrum zur U19 und U17 gewechselt.

„TSG sehr professionell aufgestellt“

An die Arbeit mit Nachwuchsspielern musste er sich jedoch zunächst noch gewöhnen. „Da gab es zu Beginn noch eine Lernphase, weil ich von den Profis natürlich andere Umstände und ein anderes Arbeiten gewöhnt war. Meine Karriere ist quasi rückwärts verlaufen. Von den Profis zum Nachwuchs.“

Von den Bedingungen bei der TSG und dem medizinischen Personal zeigte sich Kuhnt jedoch von Anfang an sehr angetan. „Das ist hier auch im Nachwuchs alles schon sehr professionell aufgestellt.“ Fast so, wie zu seinen Anfängen in der Bundesliga der 90er-Jahre. Damals, als der Physio etwa auch noch Aufgaben eines Athletiktrainers übernommen hat oder Getränke gemischt hat.

Den Wandel in seinem Metier hat Kuhnt hautnah mitbekommen. Von seinen Erfahrungen aus 27 Jahren Bundesliga profitieren nun nicht nur die Spieler, sondern auch die Physio-Kollegen in der Akademie. Auch wenn der langjährige BVB-Physio im Nachwuchsbereich trotz seiner immensen Erfahrung noch relativ neu ist.

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