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SPIELFELD
02.12.2019

Talent in den Beinen, Stärke im Kopf

Christoph Baumgartner ist eines der größten Hoffenheimer Talente. Der 20 Jahre alte Österreicher bereichert das TSG-Spiel mit Spielwitz, Dribblings und Überraschungsmomenten. Fans und Mitspielern hat er gezeigt: Am bitteren 2:4 in Mainz, als er zum Abschluss der Vorsaison nach 41 Minuten des Feldes verwiesen wurde und die TSG im Anschluss die Europapokal-Qualifikation verspielte, ist er gewachsen.

„Zerstört in Sekunden“ lautete der Name einer fragwürdigen Doku-Reihe, in der Unglücke gezeigt wurden, die Augenzeugen zufällig mitgefilmt hatten. Christoph Baumgartner durfte sich am 18. Mai in einer Live-Version der Serie fühlen, denn sein großer Traum endete an diesem Tag ebenfalls auf dramatische Weise abrupt: Die TSG Hoffenheim spielte zum Abschluss der Saison 2018/19 in Mainz, es ging um die letzte Chance auf den Europapokal – und der damals 19-Jährige erreichte einen Meilenstein seines Fußballer-Lebens: Baumgartner stand erstmals in der Bundesliga in der Startelf. Es sah nach einem großartigen Tag für die TSG und das Talent aus, Hoffenheim führte 2:0, Baumgartner spielte stark auf – bis sich die Szenerie in der 41. Minute innerhalb weniger Augenblicke in einen sportlichen Albtraum verwandelte: Baumgartner foulte den Mainzer Torwart Robin Zentner im gegnerischen Strafraum. Rudelbildung, wütende Proteste der Fans, energisches Einschreiten des Schiedsrichters Deniz Aytekin – und Baumgartner blickte entsetzt auf eine rot leuchtende Karte, die einer gelben folgte. Platzverweis. Leere – der große Traum, zerstört in Sekunden.

„Erster Platzverweis meines Lebens"

Fünf Monate danach spricht der 20-Jährige mit ruhiger Stimme über den denkwürdigen Tag, an dem die TSG noch 2:4 verlor und so die Europapokal-Teilnahme verspielte. Mittlerweile ist Baumgartner auf die große Bühne zurückgekehrt, und ist gestärkt aus dem missglückten Startelf-Debüt hervorgegangen. Dass es ein einschneidender Tag war, bestreitet der Österreicher aber nicht. Die Geschehnisse hat er noch immer klar vor Augen – und noch immer kann er sich den Blackout nicht erklären: „Als der Torwart rauskam, dachte ich, dass ich den Ball noch bekomme. Dann sehe ich, dass es niemals aufgeht, will zurückziehen und treffe ihn leicht. Es war mein zweites Foul, dafür zwei Mal Gelb zu sehen, war hart. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl entscheidet der Schiedsrichter vielleicht anders, aber ich mache ihm keinen Vorwurf. Es war mein Fehler, das durfte mir ungeachtet meines Alters nicht passieren. Das tat weh und es tat mir leid für die Fans und den Verein.“ Im Kopf ging er die Szene immer wieder durch – ohne Ergebnis. „Es hatte sicher auch mit meinem Adrenalinpegel zu tun. Aber so etwas ist mir noch nie passiert. Es war der erste Platzverweis meines Lebens.“

Beeindruckende Spielfreude

Doch von dieser folgenreichen Premiere beim Debüt ließ sich Baumgartner nicht lange runterziehen. Verein, Fans und Familie überzeugten ihn davon, dass die Mannschaft auch zu zehnt den 2:0-Vorsprung und die Europapokal-Qualifikation hätte über die Zeit retten können. Mit ein wenig Abstand richtete er seinen Fokus auf die positiven Aspekte und das nächste Ziel. „Auch wenn die Saison mit dem Platzverweis bitter endete, so hatte ich es ja doch in die Bundesliga geschafft und mir gezeigt, dass ich mithalten kann. Für mich war es wichtig,
dass danach mit der U21-EM das nächste Highlight anstand. So bekam ich den Kopf schnell wieder frei.“

Baumgartner kam bei zwei Spielen zum Einsatz, unter anderem beim 1:1 gegen Deutschland. Nach dem Urlaub nahm er die Saisonvorbereitung mit den Profis auf und beeindruckte mit Spielfreude und neu gewonnenem Selbstvertrauen. Das wurde auch nicht erschüttert, als in Sebastian Rudy und Diadie Samassékou spät noch zwei prominente Spieler für die Zentrale verpflichtet wurden. „Es war von Beginn an offen vom Verein kommuniziert, dass ich nicht Kerem Demirbay oder Nadiem Amiri ersetzen soll. Beide haben schon viele Bundesligaspiele bestritten und ich weiß, dass ich auf dem Niveau noch Zeit benötige. Deshalb hat es mich nicht überrascht, dass noch Hochkaräter dazu kamen.“

„Mein Weg ist noch nicht zu Ende"

Die Leistungen gegen Bremen und Wolfsburg sowie in der Vorbereitung hatten längst positive Wirkung hinterlassen. „Für mich war klar: Sie sind jetzt da, aber ich brauche mich nicht zu verstecken. Ich war ja auch mit Kerem und Nadiem zu Einsatzzeiten gekommen. Ich wusste also, dass es einzig von mir und meinen Leistungen abhängt, ob weitere Spiele dazukommen. Mein Weg ist sicher nicht zu Ende.“

So arbeitete der Spielmacher weiter hart im Training und wurde mit einem Vertrauensbeweis belohnt. Die TSG gab in Leonardo Bittencourt und Vincenzo Grifo zwei offensive Konkurrenten ab. Als „Zeichen des Vereins“ nahm Baumgartner die Transfers wahr – und sah sich bestärkt: „Sie sind Spieler, die ebenfalls offensiv ihre Stärken haben. Die TSG hat beide gehen lassen, wohl auch, weil sie einen Spieler in der Hinterhand haben, den zwar kaum einer kennt, der aber nicht so schlecht ist und dem sie hier zutrauen, dass er noch richtig gut werden kann.“

Davon sind Fans und Experten längst nicht mehr nur in Hoffenheim überzeugt. Nach der Sperre im Auftaktspiel in Frankfurt kam Baumgartner in fünf Bundesliga-Partien zum Einsatz und bereicherte die Offensive mit Dribblings und Pässen. Er nimmt sich in Sachne Torgefahr aber selbst in die Pflicht. „Meine Lieblingsposition ist hinter den Spitzen, ich habe bei den Junioren dort auch viele Scorerpunkte gesammelt. Wir müssen unsere Chancen besser nutzen. Auch wenn ich jung bin und man bei mir nicht den Anspruch stellt, Spiele zu entscheiden, will ich der Mannschaft mit Toren und Vorlagen helfen. Das ist mein Job als Offensivspieler.“

Als Teenager allein nach Deutschland

Zwischen den Trainingseinheiten und den Abenteuern in der Bundesliga findet Baumgartner aber auch Zeit, über das bereits Erlebte nachzudenken und die vergangenen Jahre zu reflektieren. Es ist viel passiert, seit er als 14-Jähriger das Elternhaus verlassen hat, von seiner Heimatstadt Horn in die Fußballakademie nach St. Pölten und wenige Jahre später allein nach Deutschland zog, um in die U19 der TSG zu wechseln. „Wenn mir damals einer gesagt hätte, dass ich jetzt bei den Profis bin, hätte ich geantwortet: Das ist perfekt, supertoll, das nehme ich an. Es war immer mein Ziel, in der Bundesliga zu spielen. Ich genieße es, mit Spielern wie Andrej Kramarić trainieren zu dürfen, in diesen Stadien zu spielen. Dafür habe ich viel getan und in Kauf genommen. Man muss es als junger Spieler genießen, Spaß dabei haben – aber immer weiterarbeiten, ansonsten stagniert man und es wird schwer.“

Dass er sein Ziel erreicht hat, begründet Baumgartner nicht nur mit Talent und Fleiß. Den größten Faktor macht er in seiner Erziehung aus. „Meine Eltern haben immer viel Wert auf Höflichkeit, Dankbarkeit und Demut gelegt. Ich weiß, wo ich herkomme und vor allem: was ich will und was ich dafür tun muss.“

Aufgeben war deshalb nie eine Option. Nicht in Österreich, nicht in Hoffenheim und schon gar nicht nach Mainz.

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