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SPIELFELD
04.11.2019

Vogt: „Der beste Schritt meiner Karriere“

Treffpunkt war die Alte Brücke in Heidelberg - aber auf der rechten Neckarseite, gegenüber der Altstadt. Dem touristischen Rummel wollte Kevin Vogt dann doch entgehen. Und statt eines Cafés oder Bistros wählte der TSG-Kapitän eine Parkbank am Neckarufer. Es wurde ein entspanntes SPIELFELD-Gespräch über Heimat, die TSG und seinen Weg zum Profi.

Kevin, wir sitzen hier in Heidelberg am Ufer des Neckar. Du bist inzwischen in Deiner vierten Saison bei der TSG. Heidelberg und die Region sind für Dich zu einer Heimat geworden?

„Die Stadt ist so futuristisch (lacht), das ist wunderschön. Im Ernst: Ich habe mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt, sowohl in Heidelberg als auch im Verein. Es hat einen familiären Touch, es ist alles etwas kleiner. Ich muss zugeben, dass ich Köln liebe. Die Stadt wird auch später meine Heimat werden, auch die Familie meiner Freundin kommt von dort. Nichtsdestotrotz fühle ich mich hier sehr heimisch. Das ist sehr wichtig, um auf Dauer gute Leistungen bringen zu können. Wenn du täglich irgendwo sein musst, wo du dich nicht wohl fühlst und nicht gern bist, ist das kontraproduktiv. Heidelberg ist eine zweite Heimat für mich geworden.“

Als Studentenstadt bietet Heidelberg ja auch genug Kneipen, Restaurants und manchmal auch etwas Nachtleben.

„So jung bin ich ja nicht mehr. (lacht) Von der Studentenstadt bekomme ich nicht viel mit, und im Nachtleben bin ich nicht aktiv. Dafür bin ich einfach, vor allem während der Saison, nicht der Typ. Ich bin dann lieber mit meinen Hunden und meiner Freundin zu Hause.“

„Ich bin mit meiner Entwicklung glücklich und zufrieden“

Du gehörst mit fast 100 Bundesliga-Spielen für die TSG zu den Top-15 der Klubgeschichte. Dazu bist Du seit längerer Zeit Kapitän. Hättest Du bei Deinem Wechsel gedacht, dass Du so eine prägende Rolle im Verein einnehmen könntest?

„Ich bin nicht gekommen und habe gesagt: ‚Ich muss so früh wie möglich Kapitän werden‘. Es ist meinem Naturell geschuldet, dass ich von den Trainern und Mitspielern ins Kapitänsamt gewählt wurde. Das ist ja auch eine Bestätigung, dass ich nicht so viel falsch mache – auf dem Platz und auch im Umgang mit den Jungs. Anscheinend sind die Mitspieler und Trainer zufrieden mit mir. Ich bin sehr glücklich, wie positiv es gelaufen ist. Ich kann heute sagen, dass der Wechsel zur TSG der beste und wichtigste Schritt in meiner Karriere war. Ich habe hier unter Julian Nagelsmann sehr schnell Fuß gefasst. Es ist mein viertes Jahr hier und ich habe fast immer durchgespielt. Ich bin mit meiner persönlichen Entwicklung glücklich und auch zufrieden. Dafür bin ich sehr dankbar, versuche aber auch, dies mit Leistung zurückzugeben. Ich hoffe, dass die vergangenen drei Jahre für die Fans mehr positive Rückblicke als negative Erlebnisse gebracht haben.“

Welche Aufgaben sind für Dich mit dem Kapitänsamt verbunden?

„Ich sage es mal so: Ich habe mich nie verstellen müssen. Ich bin so wie ich bin – und auf dem Platz natürlich noch mal anders als außerhalb. Auf dem Rasen bin ich sehr fokussiert und ecke auch mal an. Mir geht es dann aber um die Sache und ich sträube mich nicht, Dinge anzusprechen. Genauso wichtig ist es aber, dass die Jungs mir auch ihre Meinung sagen können. Ich würde mich nicht als Kapitän bezeichnen, der nur dirigiert, sich aber nicht selber etwas anhören kann. Ich versuche meinen Mitspielern mit Kommandos zu helfen und ihnen Hilfestellung zu geben. Das ist aber nicht erst der Fall, seit ich eine Binde am Arm habe.“

„Ich bin stolz darauf, dass ich der Kapitän sein darf“

Du musstest also in diese Rolle nicht reinwachsen. Entspricht sie Deinem Charakter?

„Reinwachsen kann man natürlich in jede Rolle. Und ich glaube auch, dass ich mich noch verbessern kann, aber mein Naturell musste ich dafür nicht verändern. Ich bin von meinem Auftreten her von Tag eins so gewesen. Ich habe mich als Mensch nicht drehen müssen, damit gesagt wurde: ‚Wir möchten, dass Du unser Kapitän bist.‘ Das kam einfach so. Ich muss nicht in jeder Gesprächsrunde der größte Lautsprecher sein. Ich erzähle natürlich genauso viel Quatsch, wenn wir nicht auf dem Platz stehen wie die anderen Jungs auch. Ich bin einer von ihnen. Natürlich bin ich stolz darauf, dass ich der Kapitän sein darf, aber ich stehe deshalb nicht über jemandem. Die Jungs respektieren mich auf Grund meines Naturells, nicht weil ich eine Kapitänsbinde trage.“

Du hast Dich vor einem Jahr bei Instagram abgemeldet und betreibst keine Social-Media-Kanäle mehr. Warum hast Du diesen Schritt gewählt?

„Wenn man als Spieler Social-Media-Kanäle betreiben möchte, kann das natürlich zum Beispiel beim Marketing oder auch privat Vorteile mit sich bringen. Ich habe aber aus einem ganz einfachen Grund aufgehört: Ich habe keinen Mehrwert darin gesehen. Der Hauptgrund war, dass ich mir eingestanden habe, dass ich viel zu oft mit dem Handy beschäftigt war. Ich kritisiere die grundsätzliche Entwicklung, dass man immer und überall am Handy ist – aber ich war eben auch so einer. Ich habe mich gefragt, was bringt es an Mehrwert, wenn du einen Kanal betreibst. Man war ständig online auf den Plattformen – ohne genau zu wissen, was man da überhaupt gemacht hat. Es gibt einfach viel schönere und wichtigere Dinge für mich als am Handy zu hängen.“

Du hast Deine zwei Hunde angesprochen. Ist es Dir wichtig, dass man zu Hause nicht nur über Fußball spricht?

„Ich bin grundsätzlich schon jemand, der sich viele Gedanken über unser eigenes Spiel macht und über die Dinge, die wir vorhaben. Das muss ich schon zugeben. Je älter ich geworden bin, desto häufiger kam es vor. Aber es gibt nicht nur Fußball. Als ich jünger war, war er für mich omnipräsent. Ich liebe Fußball und es ist mein Beruf, aber ich habe jetzt auch eine kleine Familie zu Hause. Noch keine Kinder, aber die zwei Vierbeiner machen genug Theater. Da gibt es auch andere Themen. Nach einem schlechten Training oder einem verlorenen Spiel muss die Luft natürlich auch raus. Da ist meine Freundin natürlich das erste Ventil, sie ist eine gute Ansprechpartnerin. So gesehen ist der Fußball zu Hause natürlich präsent, aber wir haben auch viele andere Themen, über die wir uns unterhalten.“

„Unser Leben ist maximal privilegiert“

Reflektiert man dabei auch manches Mal, wie gut man es hat?

„Unser Leben ist maximal privilegiert. Das kann man gar nichts anders sagen. Aber die Leute sollten immer bedenken, dass wir nichts geschenkt bekommen haben. Man sieht ja immer nur die Spitze des Eisbergs. Der Profi fährt ein schönes Auto, kann sich eine schöne Wohnung leisten. Das stimmt alles. Dafür bin ich auch super dankbar, aber ich habe mir das hart erarbeiten müssen.“

Wie groß war der Druck, wie groß musste Dein Fleiß sein, um wirklich Profi zu werden?

„Ich habe eine super Jugend gehabt, mir hat nichts gefehlt. Aber es sehen halt nicht viele Leute, dass ich mit 16, als ich in Bochum erstmals mit den Profis vom VfL trainiert habe, morgens die ersten zwei Stunden in die Schule gegangen bin und dann zum Training der Profis. Danach war die Schule vorbei, aber ich habe im Internat meine Schulstunden nachgeholt; anschließend ging es zum Abendtraining der B- oder A-Jugend. Es steckt schon sehr viel Arbeit dahinter, damit du dahin kommst, wo du sein willst. Ich hatte auch meinen Spaß in der Jugend und war feiern, aber man macht viel mehr Abstriche als andere in gleichem Alter. Da muss man fokussiert sein, gesund bleiben und auch das Quäntchen Glück haben. Aber erst die Arbeit, die man investiert, trennt oftmals die Spreu vom Weizen.“

„Man kann es nicht allen Recht machen“

Und das sehen Außenstehende nicht immer.

„Meiner Meinung nach muss ich mich vor keinem rechtfertigen, denn der Weg dahin war wirklich steinig. Natürlich neigt der ein oder andere Außenstehende dazu, alle Fußballer in eine Schublade zu stecken und das zu pauschalisieren. Dagegen kann man nichts machen. Es gibt nun mal auch die extrovertierten Typen im Fußball, die diese Kritik quasi herausfordern. Es ergibt keinen Sinn, dagegen anzukämpfen. Das habe ich schon lang aufgegeben. Man muss einfach seinen eigenen Weg finden. Man kann es nicht allen immer Recht machen.“

Wie fühlt es sich an, in den Medien negative Kritik über sich lesen zu müssen? Löst das etwas bei Dir aus?

„Das kommt immer auf den Typen Mensch an. Dem einen geht es näher, den anderen belastet das weniger. Bei mir hat sich das im Lauf der Zeit geändert. Am Anfang habe ich mir auch viel mehr Dinge zu Herzen genommen, mittlerweile kann ich das ganz gut einschätzen. Meine Sicht auf das Spiel ist weitläufig genug und da bin ich mit einer gewissen Portion Selbstkritik dabei. Gegen die Kommentare kann man ja eh nichts machen. Es ist wie es ist. Man lernt damit umzugehen. Ich kann aus vollster Überzeugung sagen, dass mich das kalt lässt.“

Checkst Du denn zumindest die Noten?

„Auch eher selten. Ich will es nicht zu laut sagen, aber ich lese in der Hinsicht fast gar nichts. Ich habe mir das im Laufe der Jahre angeeignet, weil so viel Quatsch dabei ist. Ich weiß ja auch, wie die Noten entstehen. Seitdem ich das weiß, nehme ich es das Ganze viel weniger ernst.“ (lacht)

Andere Themen dagegen sind überaus relevant. Setzt sich ein Fußballprofi auch mit dem Thema Klimawandel auseinander?

„Natürlich. Der Klimawandel sollte uns alle interessieren. Und selbstverständlich mache ich mir meine Gedanken darüber. Das fängt ja schon damit an, ob du zu Hause Glas- oder Plastikflaschen nutzt. Und wenn du siehst, wo der ganze Müll landet, dann lässt mich das natürlich nicht unberührt. Aber natürlich wird dann gegen mich schnell die Keule der Doppelmoral geschwungen, weil ich eben kein Elektro-Auto fahre. Aber wenn Du mich fragst, ob es mich beschäftigt: Natürlich. Und, ja: Ich versuche auch meinen kleinen Beitrag zu leisten.“

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