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AKADEMIE
11.12.2018

Wie Lord Byron Dennis Neudahm zum Torwarttrainer machte

Im November musste Dennis Neudahm wieder ins Tor. Eigentlich hat der 31-Jährige seine aktive Laufbahn beendet, doch beim Landesligisten FC Bammental war Not am Mann, also half der Torwarttrainer der TSG Akademie gerne ein paar Mal aus. Im Gespräch mit achtzehn99.de erzählt der gebürtige Essener, der seit fast sieben Jahren in Hoffenheim arbeitet, wie romantische Gedichte seine Berufswahl beeinflusst haben.

Im Alter von neun Jahren zog Dennis Neudahm mit seiner Familie nach Mannheim und kickte zunächst als Feldspieler beim SV 98/07 Seckenheim in der E-Jugend. Die Geschichte, wie er dann Torwart wurde, ist ein Klassiker. Seine Schule, das Feudenheim-Gymnasium, veranstaltete ein Hallenturnier. „Keiner wollte ins Tor, also bin ich rein. Wir haben als fünfte Klasse das Finale erreicht und es erst nach Elfmeterschießen verloren.“ Von dem Tag an stand Neudahm zwischen den Pfosten, ab der D-Jugend beim ASV Feudenheim.

Um seiner Karriere etwas Auftrieb zu verleihen, bewarb er sich als B-Jugendlicher eigeninitiativ bei anderen Klubs – und absolvierte unter anderem auch bei der TSG ein Probetraining, landete aber schließlich beim FC 07 Bensheim. Unter Trainer Rudi Kecskemeti spielten die Bergsträßer in der Hessen-Oberliga, eine Klasse unter der neu eingeführten A-Junioren-Bundesliga. Auf Kecskemeti folgte David Wagner, der von hier aus den Sprung nach Hoffenheim schaffte, doch Neudahm zog es weiter. Er wechselte frühzeitig in den Herrenbereich und landete über die Zwischenstationen SpVgg Wallstadt und Olympia Lampertheim für drei Jahre bei Südwest Ludwigshafen, ehe er seine Karriere bei TuS Mechtersheim ausklingen ließ.

Anglistisches Seminar als Knackpunkt

Auf der linken Rheinseite entfaltete sich nach und nach der spätere Berufswunsch. „Südwest war mit Sascha Amato im Torwarttrainerbereich sehr gut aufgestellt“, sagt Neudahm, der mittlerweile sein Abitur gebaut hatte und zunächst in Mannheim Englisch und Geschichte auf Lehramt studierte. Noch war der Lehrerberuf die erste Option. Das änderte sich während eines Auslandsaufenthalts mit seiner Freundin in den USA und Kanada. Über das Netzwerk WWOOF (World-Wide Opportunities on Organic Farms) trat er einen Job auf einem kanadischen Bio-Bauernhof an und dressierte Alpakas. „Ich habe in dieser Zeit Bewerbungen an Schulen verschickt und bin an einer Grundschule in Edmonton gelandet, an der ich Sportunterricht gegeben habe.“ In der Eishockey-Stadt wurde Plan A zu Plan B.

Zurück in Deutschland folgte schließlich in einem Anglistik-Seminar der entscheidende Knackpunkt. „Es ging um den Dichter Lord Byron. Ich war, nunja, nicht optimal vorbereitet, als es um Fragen zur englischen Romantik ging, und an der Stelle fasste ich den Entschluss, meine ganze Energie dem zu widmen, wofür ich tatsächlich brenne: Torwarttrainer zu werden.“

Neudahm wechselte an die Universität Heidelberg, studierte ab sofort Sport, und lernte hier im Rahmen einer Statistikvorlesung Michael Rechner, den Koordinator Torwartspiel bei der TSG Hoffenheim, kennnen, der ihn damit beauftragte, eine Auswertung des Torwartspiels bei der WM 2010 vorzunehmen. Beim SV Waldhof, wo sein einstiger Wallstadter Teamkollege Simon Landa Sportlicher Leiter war, erhielt Neudahm seinen ersten Job als Torwarttrainer für die U10- bis U13-Teams. Der neue Plan A nahm Form an.

Als im Frühjahr 2012 der Team-Bus der U23 in Namibia verunglückte und sich Torwarttrainer César Thier schwer verletzte, wurde dieser zunächst durch den heutigen U19-Torwarttrainer Dominik Weber ersetzt. Als Webers Nachfolger wechselte Neudahm in die Akademie, übernahm zunächst die U12 und die U13, später dann die U14 und die U15 und schließlich auch das Scouting in dieser Altersklasse sowie organisatorische Aufgaben. Seit Sommer 2015 macht er das hauptamtlich, nachdem er das Sportstudium mit dem Schwerpunkt „Talententwicklung“ mit dem Master abgeschlossen hat.

Vorbild: Jens Lehmann

Heute ist Dennis Neudahm für die U17-Torhüter verantwortlich, koordiniert das Torwart-Scouting in allen Altersbereichen mit Schwerpunkt auf regionale Torhüter von der U10 bis zur U15 und leitet das Eliteschultraining mit den Torhütern von U15 bis U23. Die Entscheidung, kein Lehrer zu werden, hat er nie bereut. „Der Wille, die Jungs in die Bundesliga zu bekommen, treibt mich an.“ Es sei ein gutes Gefühl zu sehen, wie sich hoher Aufwand und harte Arbeit lohnen. Zum Beispiel beim aktuellen U19-Schlussmann Daniel Klein, den er nach Hoffenheim holte und vier Jahre lang trainierte.

„Wenn dir der Job Spaß macht, investierst du gerne viel Zeit, auch außerhalb des Platzes oder zu Hause, und bist permanent auf der Suche nach neuen Talenten“, sagt Neudahm, der – wie die anderen TSG-Torwarttrainerkollegen auch – die TSG-Torwartphilosophie fortschreibt und die Torwarttrainerausbildung beim Badischen Fußballverband leitet. Apropos Kollegen: „In unserem Trainerteam um Michael Rechner gibt es einen hervorragenden internen Austausch. Mit Marjan Petković ist hier jemand hinzugekommen, der mit seiner Profi-Erfahrung sehr gute Einflüsse mit reingebracht hat.“

Neudahm selbst hat sich immer an Jens Lehmann orientiert. Klar, der ehemalige Nationaltorwart ist wie Neudahm gebürtiger Essener. „Er war bei der WM 2006 zurecht die Nummer 1“, sagt Neudahm, begründet seine Meinung aber auch: „Lehmann hat den Beginn der modernen Zeit eingeläutet, Raumverteidigung und Spieleröffnung perfekt beherrscht und über eine sehr gute Ausstrahlung verfügt.“

„Torhüter müssen besessen sein“

Das Klischee, dass „Torhüter alle ein bisschen verrückt sind“, möchte Neudahm nicht unbedingt bedienen. „Ich bin eher der ruhige, sachliche Typ. Auf der anderen Seite aber auch extrem besessen und mit einem starken Willen ausgestattet. Und diese Eigenschaften brauchen Torhüter heutzutage, weil sie nicht nur die Torwarttechniken perfekt beherrschen, sondern auch wie Feldspieler kicken können müssen.“

Nun also Trainer statt Lehrer. In beiden Positionen sind pädagogische Fähigkeiten gefragt, und die zahlten sich aus, als er bei einem Spieler, der eigentlich bereits durchs Raster gefallen war, am Ball blieb. „Man muss neben dem Sportlichen auch immer das Menschliche im Auge haben, und in diesem Fall hat es sich absolut gelohnt.“ Neudahm startete einen neuen Versuch, rief an, hakte nach. „Es wäre falsch gewesen, diesem Jungen keine zweite Chance zu geben. Ich habe gelernt, Menschen nicht zu früh vorzuverurteilen.“ Heute ist dieser Spieler fester Bestandteil der Akademie. „Dieser Junge hat eine sehr positive und professionelle Einstellung. Und ja, er ist auch ein bisschen verrückt.“

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