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AKADEMIE
17.06.2018

WM-Serie (4/13): Marjan und die Adler

Die 21. Fußball-Weltmeisterschaft zieht uns bis zum 15. Juli in ihren Bann. 32 Nationen kämpfen in Russland um den Titel. Wir fiebern mit, aber nicht nur mit der deutschen Elf. Auf achtzehn99.de präsentieren Spieler, Trainer und Mitarbeiter der TSG Akademie ihr Land. Heute geht es um Serbien, dem Heimatland der Eltern unseres U15- und U16-Torwarttrainers Marjan Petković.

Das sagt unser Mann

Er feierte sein Bundesliga-Debüt als Torhüter mit 34 – und blickt heute auf knapp 100 Einsätze in den obersten drei Ligen sowie im DFB-Pokal zurück, die meisten für Eintracht Braunschweig. Marjan Petković ist allerdings ein Kind der Region: Am 22. Mai 1979 in Brackenheim bei Heilbronn geboren und im nahegelegenen Sternenfels aufgewachsen, startete er seine Laufbahn beim TSV Güglingen, ehe es ihn über die Stationen SG Kirchardt, VfR Heilbronn, TSG Hoffenheim und SV Sandhausen als Spätstarter in die Profi-Welt hinauszog. Seit Sommer 2016 ist „Petko“ Torwarttrainer in der TSG Akademie und kümmert sich in erster Linie um die U15 und um die U16.

Als in Deutschland geborener Sohn serbischer Eltern tut er sich mit der Frage, wen er bei der WM unterstützt, schwer. „Ein klares 50:50“, sagt der 39-Jährige, der selbst serbisch spricht und viel von der serbischen Kultur mitbekommen hat. „Meine Eltern stammen aus Leskovac, das ist eine kleine Stadt unweit des Kosovo. Als Kind habe ich viele Urlaube dort verbracht, und wenn man die erfolgreiche Zeit Jugoslawiens – nicht nur im Fußball, sondern auch im Basketball, Handball, Volleyball oder Wasserball – bewusst erlebt hat, dann schwärmt man natürlich für diese Nation – auch wenn es sie in dieser Form nicht mehr gibt.“

Beruflich bedingt kam „Petko“ zuletzt nicht mehr so oft nach Serbien, aber die Verbindung ist noch da, zumal seine Eltern nach der Verrentung in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Das Bild oben entstand im Städtischen Stadion von Leskovac. „An Serbien mag ich besonders die Kultur und die Lebensfreude der Menschen, beides steckt in mir drin. Ich denke, von beiden Kulturen etwas mitgenommen zu haben“, sagt Petković und ergänzt augenzwinkernd: „Die optimale Kombination aus den typischen Eigenschaften beider Länder.“

Als Jugendlicher schwärmte der Torhüter eher für Feldspieler wie Dragan Stojković, Predrag Mijatović, Siniša Mihajlović, Dejan Stanković, Dejan Savićević und Robert Prosinečki, auf Vereinsebene galten seine Sympathien Roter Stern Belgrad, das 1991 den Europapokal der Landesmeister gewann und jahrzehntelang zur Weltspitze gehörte. „Diese Zeit ab 1990 hat mich am meisten geprägt. Leider auch mit negativen Erlebnissen wie den brutalen Bürgerkrieg.“ Im Frühjahr hat „Petko“ bei den beiden großen Belgrader Klubs Partizan und Roter Stern hospitieren dürfen und vieles für seine Arbeit bei der TSG Hoffenheim, für die er von 2002 bis 2004 in der zweiten Mannschaft das Tor hütete, mitgenommen.

„Ich finde es gut, dass Trainer Mladen Krstajić einen Umbruch eingeleitet hat und verstärkt auch auf junge Spieler setzt“, freut er sich auf den ersten WM-Auftritt der Serben. Für das Auftaktspiel gegen Costa Rica tippt er 1:0. „Wir schießen nie viele Tore, daher das niedrige Ergebnis.“ Die Gruppenphase mit den weiteren Gegnern Brasilien und Schweiz zu überstehen sei zwar nicht leicht, aber mit etwas Glück traut Petković der Nationalelf auch das Viertelfinale zu. Natürlich, vom Weltmeistertitel könne man nur träumen. „Eigentlich habe ich den Spaniern gute Chancen eingeräumt, jetzt muss man mal abwarten, wie sie den kurzfristigen Trainerwechsel verarbeiten. Ansonsten muss man Frankreich auf der Rechnung haben, aber die Franzosen haben zuletzt nicht immer überzeugt.“ Und Deutschland? „Eine Turniermannschaft“, weiß „Petko“ und präzisiert: „Finale.“

Der Weg nach Russland

Gemessen am Spielermaterial war die Qualifikation der Serben keine Überraschung. Aber sie mussten sich in ihrer Gruppe gegen drei Nationen durchsetzen, die – im Gegensatz zu Serbien – bei der EM 2016 noch im Konzert der Großen mitmischten: Österreich, Irland und Wales, das in Frankreich immerhin das Halbfinale erreichte!

Die zu diesem Zeitpunkt noch von Slavoljub Muslin trainierten Orlovi, „Adler“, kassierten nur eine Niederlage (2:3 in Österreich) und sicherten sich durch ein 1:0 am letzten Spieltag gegen Georgien den Gruppensieg, wodurch sie die Playoffs vermieden und sich zum zweiten Mal nach 2010 für eine WM qualifizierten. Inklusive der „Vorgängerstaaten“ Serbien und Montenegro sowie Jugoslawien ist es bereits die elfte Teilnahme an einem Weltturnier.

BEKANNTE NAMEN

Es geht beim Trainer los – und bei drei Feldspielern weiter: Viele der Protagonisten im serbischen Team sind dem deutschen Fußball-Fan aus der Bundesliga bestens bekannt. Trainer Mladen Krstajić machte sich neun Jahre bei Werder Bremen und Schalke 04 als Abwehrrecke einen Namen. Im Dezember wurde er vom Co-Trainer zum Chef befördert, weil sein Vorgänger Muslin, so zumindest die Aussage der Verbandsspitze, sich geweigert hatte, hoffnungsvollen Talenten wie etwa dem Bremer Miloš Veljković eine Spielgarantie zuzusichern. Die anderen beiden Bundesliga-Spieler sind Filip Kostić (Hamburger SV) und Luka Jović (Eintracht Frankfurt).

Die etwas in die Jahre gekommenen Superstars im Kader sind Kapitän Aleksandar Kolarov (32) und Branislav Ivanović (34). Kolarov bearbeitete sieben Jahre für Manchester City die rechte Außenbahn und steht seit Sommer 2017 bei der AS Roma unter Vertrag, mit der er jüngst das Champions-League-Halbfinale erreichte. Ivanović räumte neun Jahre in der Innenverteidigung des Chelsea FC auf und lässt nun seine Karriere in Russland bei Zenit St. Petersburg ausklingen. Für beide könnte es das letzte große Turnier sein. Aktuell sind fünf Akteure bei einem Premier-League-Klub aktiv, der bekannteste ist NemanjaMatić, der bei Manchester United im Mittelfeld die Fäden zieht. Dušan Tadić wäre mit Southampton um ein Haar aus der stärksten Liga der Welt abgestiegen, dürfte aber in Russland trotzdem auf der Rechtsaußenposition gesetzt sein.

Drei Spieler im 23-Mann-Kader sind in der serbischen Liga zu Hause: Torwart-Oldie Vladimir Stojković, der bereits in halb Europa gespielt hat, steht bei Partizan zwischen den Pfosten und trägt bei der WM die Nummer 1. Die anderen zwei laufen für Meister Roter Stern auf: Abwehrspieler Milan Rodić und Stürmer Nemanja Radonjić. Letzterer ist auch eines jener Talente, dem der geschasste Krstajić-Vorgänger die Spielgarantie verweigerte.

WM-Historie

Als eine von nur vier europäischen Nationen – die anderen waren Belgien, Frankreich und Rumänien – nahm Jugoslawien an der ersten WM 1930 in Uruguay teil und erreichte prompt das Halbfinale, wo es allerdings eine 1:6-Klatsche gegen den Ausrichter und späteren Weltmeister setzte. Die Runde der letzten Vier erreichten die Plavi, die Blauen, ein zweites und bis heute letztes Mal 1962 in Chile, als sie im Viertelfinale überraschend die Bundesrepublik Deutschland mit 1:0 bezwangen, dann aber an der Tschechoslowakei scheiterten (1:3).

Die jugoslawische Nationalmannschaft, die sich hauptsächlich aus Serben, Kroaten und Bosniern zusammensetzte, zählte immer zu den Geheimfavoriten, nur für den ganz großen Wurf reichte es eben nie. 1974 scheiterten die „Jugos“ in Deutschland in der Zwischenrunde, kamen also unter die besten Acht. Auf ihrem Höhepunkt befanden sich die Balkan-Kicker wenige Monate vor dem Zerfall des Vielvölkerstaats, bei der WM 1990 in Italien. Zwar wurde das Team um die (serbischen) Weltstars Dragan Stojković und Dejan Savićević im Auftaktspiel vom späteren Weltmeister Deutschland 1:4 demontiert, erreichte dann aber das Viertelfinale und scheiterte erst im Elfmeterschießen an Argentinien. Dabei spielte Jugoslawien nach einer Roten Karte ab der 30. Minute in Unterzahl.

Seit dem Bürgerkrieg in den 90er Jahren hat der serbische Teil Jugoslawiens – sei es als Rest-Jugoslawien, Serbien und Montenegro oder eben nur Serbien – zwar noch drei WM-Endrunden erreicht, aber gerade bei den letzten Auftritten 2006 und 2010 eher enttäuscht. 2010 gelang Serbien ein unerwarteter 1:0-Sieg gegen Deutschland (mit Keeper Stojković, der einen Elfer parierte, Kolarov und Ivanović, der den Siegtreffer erzielte), doch das folgende 1:2 gegen Australien sollte das letzte WM-Spiel sein. Bis heute.

Fakten

Verband
FSS | Fudbalski savez Srbije [Serbischer Fußballverband]

Gründung
1919

Spitzname der Nationalmannschaft
Orlovi („Adler“)

WM-Teilnahmen
1 | 2010 (als Serbien)
1 | 2006 (als Serbien und Montenegro)
9 | 1930, 1950, 1954, 1958, 1962, 1974, 1982, 1990, 1998 (als Jugoslawien)

Größter WM-Erfolg
Halbfinale 1930 und 1962 (4. Platz)

WM-Duelle gegen Deutschland
1954, Viertelfinale, BR Deutschland – Jugoslawien 2:0
1958, Viertelfinale, BR Deutschland – Jugoslawien 1:0
1990, Gruppenphase, BR Deutschland – Jugoslawien 4:1
1998, Gruppenphase, Deutschland – Jugoslawien 2:2
2010, Gruppenphase, Deutschland – Serbien 0:1

Trainer
Mladen Krstajić (seit Dezember 2017)

FIFA-Weltrangliste
34.

Große Klubs
Roter Stern, Partizan (beide Belgrad), Vojvodina Novi Sad, Radnički Niš

Aktueller Meister / Pokalsieger
Roter Stern / Partizan

Einwohner (Weltrangliste)
7 Millionen (105.)

Fläche
77.474 km2 (Verhältnis zu Deutschland 1:4,5)

Termine
So., 17.06., 14 Uhr: Costa Rica – Serbien [Samara]
Fr., 22.06., 20 Uhr: Serbien – Schweiz [Kaliningrad]
Mi., 27.06., 20 Uhr: Serbien – Brasilien [Moskau]

Alle Zeiten MESZ.

Weitere Teile der WM-Serie

1 Russland [Nick Breitenbücher]
2 Marokko [Yanis Outman]
3 Island [Lukas Petersson]

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