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SPIELFELD
05.06.2017

Julian Nagelsmann über... Pläne

TSG-Chefcoach Julian Nagelsmann hat das Team innerhalb eines Jahres aus dem Bundesliga-Keller in die Champions-League-Playoffs geführt. Im SPIELFELD-Interview spricht der 29-Jährige über seine Pläne für die nächste Saison, die Herausforderung der Doppelbelastung und den Wendepunkt der abgelaufenen Spielzeit.

Nach einer langen und spannenden Saison steht die Sommerpause bevor. Aufgrund von Transfers und der Planung der Vorbereitung kann man als Trainer aber nicht so wirklich abschalten. Ist die Vorfreude auf die Zeit fernab des Fußballs mit der Familie trotzdem groß?

Julian Nagelsmann: Vergangenes Jahr habe ich vier-, fünfmal den Urlaub unterbrochen. Dieses Jahr geht es. Die ersten beiden Wochen bin ich im europäischen Ausland. Danach bin ich nochmal in den Alpen, werde aber immer mal wieder hier sein, weil Gespräche mit den Spielern anstehen. Beim letzten Vier-Augen-Gespräch vor der Verpflichtung will ich die Spieler besser kennenlernen und die mich natürlich auch. Sich gegenüberzusitzen ist schon noch einmal etwas anderes als Telefonate. Ohne das Vier-Augen-Gespräch verpflichte ich keinen Spieler.

Was ist der Unterschied zu den Verpflichtungen im Junioren-Bereich?

Nagelsmann: Dort geht alles früher über die Bühne, weil das große Thema die Schule ist und sie sich um einen Schulwechsel kümmern müssen. Im Profibereich ist das Monetäre der Hauptgrund, warum es so lange dauert, dazu noch Liga- und Wettbewerbszugehörigkeit. Ich bin schon seit meinem Amtsantritt ein Verfechter davon, die Transferperiode nicht in die Sommerpause zu legen, weil das für einen Trainer einfach schwierig ist. Für die Spieler nicht, die führen maximal ein Gespräch, wenn das nicht ohnehin vom Berater übernommen wird. Der Spieler bekommt dann nur die Zahlen und sagt ja oder nein – wenn überhaupt. Aber für Trainer ist es schwierig, weil du keinen Urlaub hast. Für mich persönlich ist das nicht dramatisch, für die Familie schon, weil du deinem Kind erklären musst, dass du im Sommer schon wieder fünf Tage weg bist. Aber die Transferperiode werde ich nicht ändern können.

Merken Sie, dass das Interesse der Spieler, unter Ihnen trainieren zu wollen, im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist?

Nagelsmann: Die Spieler, die wir wollten, haben sich auch im vergangenen Jahr für uns entschieden. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie skeptischer waren. Jetzt ist es auch so: Der Trainer ist das Zünglein an der Waage. Wenn die Vergütung bei Klubs auf ähnlichem Niveau ist, ist immer der Trainer der ausschlaggebende Punkt. Es ist aber dieses Jahr insgesamt etwas komplizierter aufgrund der sportlichen Situation, da auch die Ansprüche von den Spielern an den Klub steigen, auch was das Finanzielle angeht. Trotz des internationalen Geschäfts machen wir keine großen Sprünge, weil wir den Stamm an Spielern haben, die eine gewisse Vergütung kassieren und da kannst du Neuzugänge nicht exorbitant anders bezahlen. Sonst kriegst du Unruhe im Kader. Es ist ja nicht so, dass jeder mit verschlossenem Mund durchs Leben geht. Da kommst du in Teufels Küche als Verein, wenn du es nicht einigermaßen auf einem ähnlichen Niveau hältst.

Sie mussten also auch immer so verhandeln, dass es in der Gruppe passt?

Nagelsmann: Die Gehaltsverhandlungen macht Alex (Alexander Rosen, Direktor Profifußball, Anm. d. Red.), damit habe ich wenig zu tun. Ich weiß auch gar nicht, wie viel meine Spieler verdienen. Das will ich auch gar nicht, weil dich das in deiner Bewertung auch ein Stück weit beeinflusst.

Ballt man da innerlich die Faust, wenn so auf Zahlen rumgeritten wird? Als Trainer ist man ja schon eher Idealist und will sportlich den nächsten Schritt gehen.

Nagelsmann: Ich bin Realist und als Realist musst du schon sehen, dass sie nun einmal eine begrenzte Zeit haben, um mit diesem Job Geld zu verdienen. Und wenn sie bei Verein X in fünf Jahren zehn Millionen verdienen und bei Verein Y eben nur fünf, dann ist das verständlich. Was man immer wieder vergisst: In erster Linie ist das ein Beruf, und der ist in allererster Linie nun einmal dazu da, um Geld zu verdienen. Dann sind sie noch in einem Alter, in dem der Berufseinstieg nicht so einfach ist, da die meisten auch noch keine Ausbildung gemacht oder studiert haben. Mit Anfang oder Mitte 30 dann irgendwo in einen Job zu kommen, war vielleicht vor zwanzig Jahren noch leichter als heute.

Sind Sie mit der bisherigen Kaderplanung zufrieden oder muss da noch etwas passieren?

Nagelsmann: Da muss schon noch etwas passieren. Florian Grillitsch aus Bremen haben wir schon und bei zwei weiteren Spielern sind wir recht weit, da geht es nur noch um die abgebenden Vereine. Es ist auch ein Nachteil der späten Transferzeit, dass du nicht genau weißt, wer noch geht. Ich bin ein großer Freund davon, fünf, sechs neue Spieler zu holen, einfach weil neue Gesichter gut tun. Neue Spieler sind wissbegierig, saugen die Dinge auf und sorgen in der Gruppe auch noch einmal für Furore. Es ist immer gut in so einer Herde, wenn da frisches Blut reinkommt. Das war in der Natur schon immer so und das ist auf dem Fußballfeld auch so.

Vor der vergangenen Saison hat das hervorragend funktioniert, die Neuen haben eingeschlagen. War es geplant, dass Kevin Vogt Abwehrchef wird?

Nagelsmann: Geplant war er schon hauptsächlich für die Sechs, weil wir ursprünglich auch mehr im 4-3-3 spielen wollten. Wenn du Profis hast, die mehrere Positionen spielen können, brauchst du aber nicht so viele Spieler. Das war bei ihm auch so ein bisschen die Idee. Natürlich brauchst du bei allen Neuzugängen auch Glück, dass sie so einschlagen. Aber in den Gesprächen bekommt man schon mit, ob einer etwas lernen will und auch offen für neue Positionen ist.

 Dass dann die Dreierkette mit Vogt und Hübner spielt war aber nicht der Plan A?

Nagelsmann: Nee, das war nicht der Plan A. Also Hübner vielleicht schon, dass er irgendwann spielt (lacht). Er hatte mich zu Beginn der Hinserie gefragt, ob ich ihn nicht brauche und er wieder gehen solle. Ich habe ihm gesagt, das braucht ein bisschen Zeit, weil wir eine ganz andere Art hatten, Fußball zu spielen als der FC Ingolstadt. Du lehnst dich als Trainer schon weit aus dem Fenster, wenn du sagst, du wirst Stammspieler. Darum ist es gut, wenn es dann so kommt, wenn du es einem Spieler schon versprichst.

War das ein Schlüssel zur erfolgreichen Saison, dass sich die Dreierkette dann herauskristallisiert hat?

Nagelsmann: Das war sicher ein Schlüssel, aber es sind schon ein paar mehr Erlebnisse im Laufe der Saison, etwa das 4:4 in Mainz. Wenn wir da 0:3 oder 0:4 verlieren, läuft die Saison ganz anders. Das war wichtiger als die Grundordnung. Wir waren in Mainz unfassbar schlecht und hätten am Ende eigentlich noch gewinnen müssen. Das hat etwas entfacht in der Gruppe. Auch so ein Sieg gegen Bayern gibt dir natürlich nochmal Energie. So gibt es viele Dinge, die uns zu dem gemacht haben, was wir jetzt sind.

In der neuen Saison stehen direkt die Playoffs für die Champions League und der DFB-Pokal an, die Mannschaft muss also sofort funktionieren. Wird in der Vorbereitung etwas umgestellt?

Nagelsmann: Man kann die Vorbereitung jetzt nicht zwingend verlängern, weil so eine lange Vorbereitung immer die Gefahr des Spannungsabbaus mit sich bringt. Die Playoff-Runden der Champions League und der Pokal, da musst du schon gucken, dass du direkt voll da bist. In der Übergangsperiode arbeiten wir aber mit individuellen Trainingsplänen für die Freizeit etwas früher an den Grundlagen als vergangenes Jahr. Wir werden auch mit den taktischen Elementen etwas früher beginnen und ein paar Einheiten mehr haben, in denen wir Inhalte trainieren, damit wir in den ersten Spielen sofort präsent sind.

Sebastian Rudy und Niklas Süle verlassen den Verein. Wird es dennoch leichter als im Vorjahr, weil die Mannschaft nach einem Jahr viel weiter und eingespielter ist?

Nagelsmann: Wenn man nur uns betrachtet, dann wird es was die Inhalte und die Taktik angeht, sicher etwas leichter als im vergangenen Jahr. Aber viele andere Teams wie Bayer Leverkusen oder Schalke 04 werden viel investieren, damit sie nicht wieder im Tabellenmittelfeld landen. Es wird daher sehr schwer, so eine Saison zu wiederholen.

Durch die Europapokalspiele wird es viele unvollständige Trainingswochen geben, in denen die Regeneration im Vordergrund stehen wird. Wie gehen Sie damit um?

Nagelsmann: Das ist schon eine große Umstellung für mich, weil ich sehr gern mit der Mannschaft trainiere und viele Dinge im Training einstudiere. Wir werden deshalb mehr mit Videos arbeiten müssen, virtuelle Realität anbieten. Regenerieren und taktische Abläufe lassen sich im Training durchaus koppeln. Wenn wir nur regenerieren und spielen ist es für uns auf dem Niveau schwer. Das kann Bayern München vielleicht machen, weil sie eine unglaubliche Qualität der Einzelspieler haben, so weit sind wir aber nicht. Wir haben uns aber etwas überlegt. Wie es dann genau funktioniert, müssen wir sehen, wenn es soweit ist.

Ist die psychologische Ebene manchmal ohnehin wichtiger als die taktische?

Nagelsmann: Ich finde schon, dass Freude und Bereitschaft eines Spielers im Kopf entstehen. Mit den Jungs richtig umzugehen, sie richtig zu behandeln, empathisch zu sein und sich auch in die Lage der Spieler versetzen zu können, ist wichtig. Es gibt viele harte Entscheidungen, die mir aus menschlicher Sicht sehr schwerfallen. Es ist daher das Wichtigste, dass du einen ordentlichen Draht zu den Spielern hast und es ein psychisches Fundament gibt, auf dem die Jungs ihre Lust und ihre Gier auf den Sport entwickeln. Die Langeweile ist ja auch ein Beziehungskiller und wenn es langweilig wird, kannst du das beste Training anbieten oder taktisch ein Supernerd sein, die Spieler saugen dann einfach nichts mehr auf. Dann ist es vorbei, dann kannst du als Trainer die Sachen packen und heimfahren.

Haben Sie Umgangsformen innerhalb der Mannschaft festgelegt?

Nagelsmann: Dass man sich per Handschlag begrüßt, ist relativ normal. Ich spreche immer von Empfehlungen, denn ich finde es kritisch, Spielern oder Menschen in dem Alter so viel vorzugeben. Die sind alle über 18 und müssen selber wissen, was gut, richtig und wichtig ist. Wir haben aber zum Beispiel schon gemeinschaftliche Essenszeiten. Ansonsten sind es allgemeine Dinge wie Pünktlichkeit. Ich glaube, wenn du ein gutes Maß hast, gibst du den Spielern schon irgendwo eine Leitplanke vor, und wenn die Gruppe intakt ist, hast du mehr davon, wenn die Leitplanke etwas breiter ist. Ich bin keiner, der jedes Detail vorgibt, dann müssen aber auch die Typen dafür da sein. Wenn einer meint, er müsste immer über die Stränge schlagen, dann ist er vielleicht auch nicht der Richtige für den Typus Trainer, der ich sein will.

Sehen Sie sich durch die gemeinsamen Jubelszenen wie im Spiel gegen Mainz bestätigt?

Nagelsmann: Solche Szenen zeigen, dass es in der Gruppe absolut stimmt. Dieser Spruch 'Elf Freunde müsst ihr sein' ist sicherlich nicht zwingend, aber nur Egos und nur Konkurrenten, das geht auch nicht. Es muss Leute geben auf dem Feld, die auch innerhalb der Gruppe einiges regeln. Es muss eine Mischung geben zwischen Individualisten, die glänzen wollen und Teamspielern, die arbeiten wollen. Ich glaube man hat gesehen, dass bei der Mannschaft das Zwischenmenschliche gut funktioniert.

Ist das denn hierarchisch klar geregelt, durch Spieler wie Eugen Polanski oder Oliver Baumann?

Nagelsmann: Eugen versucht, etwas von seiner Expertise weiterzugeben. Auch Kevin Vogt oder Benni Hübner sind Typen, die Spieler mitnehmen. Kevin auch sprachlich, Benni eher auf dem Feld. Auch Oli Baumann findet immer wieder gute Worte. Da haben wir schon ein paar, die diese Führungsrolle übernehmen können und auch wollen.

Wie läuft es denn zwischenmenschlich an den Trainerbänken? Wurden Sie von den Kollegen gut im Kreis der Bundesliga-Trainer aufgenommen?

Nagelsmann: Es war mir schon klar, dass nicht jeder Trainer mit offenen Armen dasteht und sich für mich freut, wenn da jetzt ein 28-Jähriger kommt und meint, Bundesliga-Trainer zu sein. Es gibt eine begrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen in der Bundesliga und wenn da ein Neuer auf das Karussell aufspringt, dann ist es meist so, dass auf der anderen Seite einer runterfällt. Deswegen gibt es immer Konkurrenzdenken. Es gibt aber Kollegen wie Christian Streich oder Ralph Hasenhüttl, mit denen du dich super unterhalten kannst, auch fünf Minuten vor dem Spiel. Zu denen zähle ich mich auch. Ich will unbedingt gewinnen, aber ich habe auch das Selbstverständnis, noch Späße machen zu können. Wenn man uns beobachtet auf der Bank, wir lachen auch viel, machen Blödsinn. Es gibt aber auch welche, die sind sehr verbissen. Aber das war mir vorher klar, dass nicht jeder mit einem Palmenwedel dasteht, wenn ich ins Stadion einmarschiere.

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