Alle Ergebnisse TSG eSPORTS TSG IST BEWEGUNG TSG Radio
SPIELFELD
01.05.2017

Dietmar Hopp: "Wir werden nicht übermütig"

Vor 28 Jahren begann Dietmar Hopp seinen Heimatverein TSG Hoffenheim zu unterstützen. In der neuen Saison wird der Klub nun erstmals auf internationaler Bühne vertreten sein. Im SPIELFELD-Interview spricht der TSG-Gesellschafter über die Anfänge seines Engagements, den Wert der Nachwuchsarbeit, Trainer Julian Nagelsmann und seine Pläne für die Zukunft.

Die TSG ist 2007 in die zweite Bundesliga aufgestiegen, nach genau zehn Jahren im Profifußball schafft dieser Klub, der ohne ihr Engagement niemals so erfolgreich geworden wäre, den Sprung in den Europapokal. Haben sie das Gefühl, nun etwas Großartiges geschafft zu haben?

Dietmar Hopp: Ich habe schon ein Gefühl der Zufriedenheit, gepaart mit der Spannung auf die restlichen Spiele und den Wettbewerb, den wir in unserer besten Saison der Vereinsgeschichte am Ende erreichen werden.

Lassen sie sich auch auf den Gedanken ein, dass die Mannschaft als Tabellendritter vielleicht sogar direkt in die Champions League kommen könnte?

Hopp: Es wäre wunderschön, wenn wir Dritter werden können, aber das wäre doch ein bisschen zu viel verlangt vom Fußballgott.

Immerhin könnte die TSG in der Champions League auf Weltklubs wie Real Madrid oder den FC Chelsea treffen.

Hopp: Natürlich wäre ein Klub wie Real Madrid ein Traum. Ich glaube, im Estadio Santiago Bernabéu würde auch mir das Herz in die Hose rutschen. Aber ich hoffe, dass wir noch andere große Stadien kennenlernen, denn das würde bedeuten, dass wir weit kommen im Europapokal. Ich rechne aber eher damit, dass wir als Vierter der Bundesliga erst einmal in die Champions-League-Qualifikation müssen. Da würde uns eine sehr schwere Aufgabe erwarten. Aber vielleicht haben wir da ja auch etwas Losglück.

Die TSG steckte vor einem Jahr noch in tiefster Abstiegsnot, auch ihre Sorgen waren groß. Hätten sie nach dieser Erfahrung damit gerechnet, dass die aktuelle Saison, wie sie nun verläuft, möglich ist?

Hopp: Ich bin ein Zahlenmensch. Deswegen habe ich vor der Saison für mich eine Rechnung aufgemacht. Unter Julian Nagelsmann hatten wir in der vergangenen Saison in 14 Spielen im Schnitt 1,6 Punkte geholt. Ich habe gedacht: Warum sollte es deutlich schlechter laufen? Ich habe mit einem Punkteschnitt von 1,5 gerechnet, das wären am Saisonende 51 Punkte gewesen. Und die reichen eigentlich immer für die Europa-League-Teilnahme.

Wie sicher waren sie sich, dass die Rechnung aufgehen würde?

Hopp: Ich habe schon darauf spekuliert, dass wir uns eventuell für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren können. Ich habe sogar darauf gewettet: Platz acht oder besser. Dass wir besagte 51 Punkte allerdings schon nach dem 27. Spieltag mit dem Sieg gegen die Bayern erreichen werden, das hätte ich nicht in den kühnsten Träumen zu hoffen gewagt. Ich hätte auch keinen Cent drauf gewettet. (lacht)

Nach der vorigen Saison auf den achten Platz zu wetten, war ziemlich mutig.

Hopp: Wir hatten mit Kevin Volland und Tobias Strobl zwar zwei Abgänge, die schwerwiegend waren. Aber unser Riesenglück war, dass der Trainer so ein gutes Auge hat. Kevin Vogt zu holen, der in Köln oft auf der Bank saß und bei uns eine ausgezeichnete Saison spielt, war eine Riesenleistung. Mark Uth schlug erst unter Julian ein, der auch den Mut hatte, einen kantigen Typen wie Sandro Wagner zu holen. Aber Julian hat ihn gekannt und wusste genau, was er mit Wagner vorhatte. Auch Kerem Demirbay, den Hamburg nicht wollte, ist ein Riesenspieler wie auch Lukas Rupp, der nur zuletzt Pech hatte mit seiner Knieverletzung.

Sie haben Benjamin Hübner vergessen.

Hopp: Meine Güte, wie konnte ich nur? Benjamin Hübner begeistert mich sehr. Er spielt sensationell und hat ein sehr gutes Auge. Bei einigen Spielern wie auch bei ihm hat es etwas Zeit gebraucht, bis sie sich an das Training von Julian gewöhnt hatten. Ich habe von einem Profi gehört, der zunächst sagte: 'Trainer, Sie müssen mir helfen, ich komme mit dem Tempo nicht mit und weiß nicht, was sie wollen.' Nun sieht man, dass sie alle verstanden haben, was Julian will.

Wenn diese Mannschaft nun Europa ansteuert, denken sie dann auch zurück, wie alles anfing? Oder ist das weit weg?

Hopp: Im Gegenteil: Es ist ganz nah. Als ich erstmals für Hoffenheim die Fußballstiefel geschnürt habe, das war 1954 – diese Momente sind sehr präsent. Aber so weit wollen wir jetzt mal nicht zurückschauen. Ich kann mich sehr gut erinnern an das Jahr 1989, als ich begonnen habe, meinen Verein, in dem ich selbst zehn Jahre Fußball gespielt habe, zu unterstützen.

Ab wann hatten sie denn konkret den Anspruch, den Menschen in der Region Bundesliga-Fußball bieten zu wollen?

Hopp: Diese Schnapsidee kam erst 2005. Eigentlich war das Ziel gewesen, dauerhaft in der Oberliga zu spielen. Entscheidend war für mich aber ja immer, dass die TSG Hoffenheim eine herausragende Jugendarbeit macht. Es gab ja zu jener Zeit in der Jugend fast nur Spielgemeinschaften mit den umliegenden Orten. Das hat sich dann grundlegend geändert. Ab 2001 waren wir immer in der höchst möglichen Jugendspielklasse dabei, ab 2005 dann in der U19-Bundesliga. Die Talente, die wir hatten, besaßen aber bei den Senioren keine Perspektive in Hoffenheim.

Und daraus wurde das Projekt Bundesliga?

Hopp: Die Idee, dass wir gemeinsam mit Sandhausen und Walldorf einen Bundesliga-Verein etablieren wollten, ist ja bekannt und auch, dass es anders gekommen ist und wir es mit der TSG alleine umgesetzt haben. Tatsächlich haben wir es geschafft, dass mein Traum Wirklichkeit wurde, den eigenen Jugendspielern bei der TSG Hoffenheim eine echte Perspektive zu bieten. In dieser Saison sind von 24 Profis im Bundesliga-Kader acht Spieler aus unserer eigenen Akademie. Das kann sonst kein anderer Verein vorweisen. Das ist das Besondere und eine Sache, die mich tatsächlich mit Stolz erfüllt.

War Julian Nagelsmann dann die Initialzündung, die Hoffenheim brauchte, um aus einem guten Mittelklasseklub etwas Besonders zu machen?

Hopp: Wir haben Mut bewiesen, einem so jungen Kerl das Vertrauen zu schenken. Jetzt wird dieser Mut belohnt. Natürlich liegt die gute Saison auch am Trainer. Gemessen an den Spielerbudgets liegen wir in der Bundesliga nur im Mittelfeld. Das wird sich nicht halten lassen, wenn wir tatsächlich in die Champions League kommen. Aber unser Erfolg hat nicht einzig und allein mit Julian zu tun. Er hat ein ausgezeichnetes Funktionsteam an seiner Seite, viele Menschen im Klub tragen ihren Teil zu dieser außergewöhnlichen Saison bei. Es ist ein Erfolg des ganzen Vereins.

Julian Nagelsmann ist in kurzer Zeit zu einem der begehrtesten Trainer geworden. Joachim Löw traut ihm sogar den Job des Bundestrainers zu. Und dass die Bayern ihn sehr interessant finden, streitet niemand in München ab. Befürchten sie, dass sie Nagelsmann verlieren könnten?

Hopp: Stand der Dinge ist, dass Julian noch zwei Jahre bei uns Vertrag hat. Es gibt ja groteske Fälle, in denen sich Trainer mit merkwürdigen Methoden aus dem Vertrag gewunden haben. Aber dafür ist Julian viel zu gescheit. Er weiß, dass wir ihn brauchen. Viele Spieler sind unter ihm besser geworden. Mit seiner Strahlkraft hilft er uns zudem, Spieler zu bekommen, die sonst wohl nicht nach Hoffenheim kämen.

Uli Hoeneß hat kürzlich in einem Interview preisgegeben, dass er Nagelsmann, damals Trainer der U19-Junioren der TSG, im Jahr 2015 zu den Bayern holen wollte. Stimmt es, dass sie das verhindert haben?

Hopp: Das stimmt. Ich habe dem Uli gesagt: 'Tut mir leid, aber den kriegst du nicht. Weil er bei uns die Perspektive hat, eines Tages die erste Mannschaft zu trainieren. Bei euch wird er mittelfristig vielleicht die U23 übernehmen.' Julian und Uli haben das akzeptiert. Ich glaube, dass die Entscheidung für Julian ein Glück war.

Aber im Sommer 2019 ist dann Schluss mit der Ära Nagelsmann bei der TSG?

Hopp: Ich wäre natürlich froh, wenn er weitermacht. Ich habe ihm ja schon einmal einen lebenslänglichen Vertrag angeboten, wir haben dann beide gelacht. Das würde er auch nicht machen. Fakt ist, dass wir Anspruch darauf haben, dass er noch zwei Jahre hier Trainer ist, und daran wird sich nichts ändern. Da können die Bayern, Dortmund oder wer auch immer noch so sehr insistieren.

Es gibt Medien, die Julian Nagelsmann schon als Jahrhunderttalent bezeichnen, einen Trainer, so herausragend gut wie Lionel Messi bei den Spielern. Sie könnten ja hingehen und sagen, wir fordern für ihn eine richtig hohe Summe?

Hopp: Dann sage ich jetzt einfach mal 400 Millionen Euro, das ist so ähnlich wie die Ablöse von Cristiano Ronaldo, oder noch besser: eine Milliarde (lacht). Nein, im Ernst: Julian ist unverkäuflich. Ich glaube, dass er in acht oder zehn Jahren der gefragteste Trainer überhaupt sein wird, wie heute Pep Guardiola, Jürgen Klopp oder José Mourinho. Davon bin ich fest überzeugt.

Die nächste Saison wird sicher nicht einfach. Zwei Nationalspieler verlassen die TSG und gehen zum FC Bayern. Wie wird sich das auswirken?

Hopp: Es ist für uns ein herber Verlust, dass Sebastian Rudy und Niklas Süle wechseln werden. Aber wir sind das gewohnt, denn wir sind ein Verein, der darauf angewiesen ist, Transfereinnahmen zu generieren. Bei Sebastian haben wir leider keine erzielen können, der Vertrag läuft aus, aber immerhin bekommen wir für Niklas eine hohe Ablösesumme. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Abgang der beiden kompensieren können, denn wir werden gute neue Spieler verpflichten, die die Lücken füllen werden.

Glauben sie, dass es auch durch die Doppelbelastung von Bundesliga und Europapokal schwieriger werden kann, weil in vielen Wochen auch wegen der Reisen weniger trainiert werden kann?

Hopp: Das ist eine berechtigte Frage. In der Tat haben wir erlebt, dass Klubs wie Freiburg, Augsburg und Mainz mit der Doppelbelastung, die durch den Europapokal entsteht, in der Liga ins Straucheln geraten sind. Damit uns das nicht passiert, werden wir den Kader verbreitern.

In den Medien wurde vermutet, Sie würden sich für die Champions League noch einmal finanziell engagieren?

Hopp: Nein, das wird nicht geschehen. Ich habe schon immer das Financial-Fairplay-Konzept der UEFA unterstützt. Das würde das Ziel, das ich von Beginn an hatte, infrage stellen. Der Klub kann sich nach der Investitionsphase mit dem Aufbau einer Infrastruktur und einer funktionierenden Verwaltung selbst finanzieren. Hoffenheim wird in Zukunft schwarze Zahlen schreiben. Das ist vielleicht nicht jedes Jahr möglich, aber im Durchschnitt wird es so sein. Die TSG wird und muss nicht mehr von mir alimentiert werden. Der Klub ist nun finanziell unabhängig von meiner Person.

Sie haben das Beispiel der Klubs genannt, die eine Europapokal-Teilnahme mit einer schlechteren Bundesliga-Platzierung bezahlen mussten. Haben sie die Sorge, dass der Europapokal vielleicht sogar eine Eintagsfliege für die TSG sein wird?

Hopp: Wir sind darauf eingestellt, dass es womöglich eine einmalige Geschichte sein wird. Die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb wird für uns nie ein Selbstläufer werden, sondern die Ausnahme. Wir müssen ein Verein sein, der weiterhin die Regeln des Financial Fairplay einhält und klug wirtschaftet. Jetzt kommt erst einmal Europa auf uns zu. Zukunftssorgen mache ich mir deswegen nicht, sondern ich schaue mir das mit unglaublicher Freude an.

Die TSG ist seit zehn Jahren im deutschen Profifußball mit dabei, der Europapokal ist erreicht. Als sehr erfolgreicher Unternehmer haben sie immer weiter nach vorne gedacht, geplant und gehandelt. Welche Perspektive sehen sie nun für die TSG?

Hopp: Die Herausforderung besteht darin, zu wissen und danach zu handeln: Wir haben den Kulminationspunkt erreicht. Wir müssen in die Zukunft denken, wir dürfen nicht übermütig werden, nicht zu viel Geld ausgeben und auch keine Stars einkaufen. Das wäre völlig kontraproduktiv. Wir werden auf dem Weg bleiben, den wir eingeschlagen haben, nämlich Talente auszubilden und junge Spieler in unsere Mannschaft zu integrieren. Wir müssen den Spielern die Gehälter auch dann noch zahlen können, wenn wir wieder auf Platz zehn stehen. Nur die Relegation möchte ich nicht mehr erleben.

Sie haben am 26. April Ihren 77. Geburtstag gefeiert. Sie könnten nun sagen, mit der Europapokal-Teilnahme der TSG habe ich auch mein sportliches Lebensziel erreicht.

Hopp: Also wenn mein Sohn Daniel morgen sagt, dass er bereit ist, zu übernehmen, dann ginge ich sicher darauf ein. Aber lassen Sie mich erst mal 80 Jahre alt werden – und dann schauen wir weiter.

Jetzt Downloaden!
Seite Drucken nach oben