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AKADEMIE
29.03.2017

Hendrik Hilpert - Von der Akademie zum College-Boy

Gestern spielten sie noch für die TSG, heute sind sie in den USA am Ball und verknüpfen Leistungssport mit Studium. An den Universitäten in den Vereinigten Staaten lebt der Traum von der Profi-Karriere weiter, es eröffnen sich aber auch neue Möglichkeiten. Achtzehn99.de porträtiert in einer Serie drei junge Fußballer, die einst in der achtzehn99 AKADEMIE am Ball waren und nun ihr Glück an einer US-Universität suchen. Heute: Hendrik Hilpert.

Hendrik Hilpert, Jahrgang 1995, stieß im Sommer 2009 zur U15 der TSG. Der Keeper stand damals in der C-Junioren-Oberliga Baden-Württemberg zwischen den Pfosten und gemeinsam mit Niklas Süle und Davie Selke (heute Leipzig) auf dem Platz. Nach der B-Jugend wechselte der heute 21-Jährige in die U19 von Eintracht Braunschweig und entschied sich im Sommer 2015 für den Sprung über den großen Teich, um sich an der Universität Syracuse (Bundesstaat New York) für den Studiengang „Finance & Economics“ einzuschreiben.

In seiner ersten Saison erkämpfte sich der ehrgeizige Schlussmann gleich einen Stammplatz und feierte mit den „Syracuse Orange“ die Meisterschaft in der „Atlantic Coast Conference“ (ACC), die als eine der stärksten Ligen im US-amerikanischen College-Sport gilt. Im nationalen Titelrennen schaffte es Syracuse ins Final Four, scheiterte aber im Elfmeterschießen an Clemson.

Im zweiten Spieljahr, das jeweils im August beginnt und im Dezember endet, stand Hilpert von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz – und spielte sich in die Geschichtsbücher der Uni. Obwohl er noch zwei Jahre vor sich hat, taucht er bereits in den Top Ten einiger Bestenlisten auf, zum Beispiel in den Kategorien „Zu-Null-Spiele“ oder „Siege“. Mit einer Gegentorquote von 0,545 pro Partie belegte er USA-weit Rang sechs. Für das gute Zusammenspiel seiner sportlichen mit den akademischen Leistungen erhielt der gebürtige Hesse den Whitman School of Management Freshman of the Year Award.

 

Hendrik, blicken wir zunächst auf Deine Hoffenheimer Zeit von 2009 bis 2012 zurück! Was ist hängen geblieben?

Hendrik Hilpert: Michael Rechner war mein Mentor in der Akademie. Von ihm habe ich nicht nur eine professionelle Torwartausbildung bekommen, sondern auch strukturiertes Arbeiten gelernt. Darüber hinaus war es für mich als Jugendlicher unglaublich motivierend, zu sehen, wie hart er an seinen Zielen und Träumen gearbeitet hat. In seinem Büro brannte regelmäßig auch noch nach 22 Uhr Licht. Das war eine unglaubliche Motivation für einen jungen Spieler und hat ihn zu meinem ersten Ansprechpartner werden lassen. Gerne denke ich auch an die Zeiten im Internat zurück, das damals neu eröffnet wurde. Rüdiger Becker (Sozialpädagoge, Anm. d. Red.) hat damals einen hervorragenden Job gemacht, um den Spielern ein Zuhause zu geben. Er wurde ebenfalls zu einer wichtigen Bezugsperson, und wir hatten viele gute Gespräche.

Du hast also einiges mitgenommen?

Hilpert: Viele junge College-Athleten müssen sich zuerst in ihrer neuen Rolle zurechtfinden, bevor sie durchstarten können. Durch meine vielen positiven Erfahrungen bei der TSG Hoffenheim war das für mich kein Problem.

Wie kam es denn zu der Entscheidung, in die USA zu gehen?

Hilpert: Nach meinem Abitur habe ich für Eintracht Braunschweig gespielt und einige Universitäten kontaktiert, um Fußball und Studium in Deutschland zu kombinieren. Die Beratungsstellen haben meine Motivation zwar geschätzt, mir aber sehr geringen Erfolg in Aussicht gestellt, da es sich bei Fußball und Studium natürlich um Vollzeitbeschäftigungen handeln sollte. Genau das kann ich hier in einem besonderen Zeitplan koordinieren.

Wie hast Du Dich in Syracuse eingelebt?

Hilpert: Die Kombination aus Studium und Sport ist ein weltweit einzigartiges Konzept, das mir viele neue Wege und Perspektiven eröffnet hat, was in Deutschland nicht möglich gewesen wäre. Der Campus ist mittlerweile zu einer zweiten Heimat geworden. Ich schätze an den US-Universitäten, dass sie nicht nur Institutionen zum Studieren sind, sondern auch eine sehr lebendige Community um den Campus herum aufbauen und dadurch eine Identifikation über die reguläre Studienzeit hinaus schaffen. So habe ich Kontakt zu vielen Menschen aufgebaut, die den Übergang in den Job erfolgreich gemeistert haben und mich auf diesem Weg nun unterstützen.

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Du befindest Dich im dritten Jahr. Berichte uns von Deinen Erfahrungen!

Hilpert: Das Leben in den USA unterscheidet sich vom Leben in Deutschland. Die generelle Einstellung, dass man alles erreichen kann, wenn man hart genug dafür arbeitet, habe ich schnell von Professoren und Trainern übernommen. Ein interessanter Unterschied in Bezug auf den Sport ist, dass Menschen und Unternehmen in den USA zurecht viele sehr positive Eigenschaften in Athleten sehen. Dieser Unterschied ist mir im Kontakt mit anderen Menschen, mit Professoren und auch Unternehmen deutlich geworden. Während man in Deutschland als Sportler teilweise negativ stereotypisiert wird, wird Leistungssport in den USA als eine Bescheinigung für Arbeitsmoral, Wettbewerbsfähigkeit, gutes Zeitmanagement und Teamfähigkeit anerkannt. Wenn man parallel zum Sport gute Noten in der Uni bekommt, ist das ein sicherer Einstieg in jeden Job, von dem man einst geträumt hat.

Syracuse hat vor allem eine großartige Basketballtradition. Die Heimspielstätte, der Carrier Dome, ist die zweitgrößte Basketball-Arena der Welt. Bist Du manchmal bei den Spielen dabei?

Hilpert: Unter den Athleten kennt man sich. Wir haben einen ähnlichen Alltag und sehen uns nicht nur im Trainingskomplex, sondern auch in der Uni. Ich persönlich finde Football wesentlich interessanter als Basketball. Leider habe ich es aber noch zu keinem einzigen Spiel des Teams geschafft, da die Football-Saison im gleichen Semester wie die Fußball-Saison ist. Unser Basketballteam hat im letzten Jahr das Halbfinale der US-Meisterschaften erreicht. Der Erfolg hilft der gesamten Universität und auch unserem Team.

Aber der Fußball hinkt im Vergleich zu den traditionellen US-Sportarten deutlich hinterher…

Hilpert: Aber er entwickelt sich sehr schnell. In Syracuse haben wir das Glück, dass unsere Basketball- und Footballteams national sehr erfolgreich sind. Dadurch können wir als Fußballteam hochprofessionelle Trainingsbedingungen genießen, obwohl wir für die Universität noch kein Geld verdienen. Gleichwohl steht der Fußball im Wettbewerb mit diesen Sportarten und muss sich behaupten. Wir hatten in der vergangenen Saison oft 2.000 Zuschauer bei den Heimspielen. Zum Football kommen jedoch regelmäßig 70.000 Fans. Die Arbeit der Major League Soccer, der Universitäten und Nachwuchsmannschaften zahlt sich aber immer mehr aus. Kinder spielen in den USA eher Fußball als Football, weil es letztendlich einfacher ist, einen Ball alleine gegen eine Wand zu schießen, als eine Gruppe von 80 Leuten zum Football spielen zu motivieren. Fußball ist darüber hinaus zugänglicher als Football. Wir suchen nach Spielen oft den Kontakt mit Zuschauern, was bei den anderen Sportarten weniger der Fall ist.

Wie ist das Training im Vergleich zu Deutschland?

Hilpert: Im Trainingsalltag orientiert sich der Fußball noch zu stark an anderen Sportarten. So hat das Athletiktraining – meiner Ansicht nach – einen zu hohen Stellenwert. Das Training in den USA ist wesentlich härter, und wir verbringen wesentlich mehr Zeit im Kraftraum. Das ist natürlich wichtig, beinhaltet aber den Verzicht auf eine gute Einheit auf dem Platz.

Stichwort Alltag: Wie müssen wir uns Deinen vorstellen?

Hilpert: Im Moment sind wir in der „Off Season“. Wir trainieren um 6:30 Uhr für 90 Minuten. Danach stehen noch Einzeltraining, Arbeit mit dem Physiotherapeuten und Besprechungen an, bevor wir uns komplett auf die Uni konzentrieren können. Die Bedingungen sind hochprofessionell. Mein Torwart-Trainer Jukka Masalin hat selbst als Profi in Deutschland gespielt und gestaltet unser Training sehr europäisch und professionell. Für weitere Aktivitäten bleibt allerdings kaum Zeit. Wer sich für den Weg des „Student-Athlete“ entscheidet, muss damit rechnen, dass Freizeit nicht unbedingt regelmäßig auf dem Plan steht – vorausgesetzt natürlich, man möchte im Studium und im Sport so erfolgreich wie möglich sein.

Syracuse Orange gehört seit 2013 zur ACC, einer der renommiertesten College-Ligen. Was ist das für ein Gefühl, in North Carolina, Duke und anderen bekannten Unis zu spielen?

Hilpert: Wenn man die Finalisten des US-College-Cups der letzten Jahre betrachtet, wird sehr deutlich, dass die ACC die beste Liga des Landes ist. Das bringt den Wettbewerb innerhalb der Liga auf ein besonderes Niveau und macht jedes Spiel zu einem besonderen Spiel. Einige davon werden sogar im nationalen TV-Sender ESPN übertragen. Meine Familie und Freunde schauen sich die Partien oft online an. Wenn wir während der Saison nach Clemson fliegen oder gegen North Carolina antreten, ist die Vorfreude vergleichbar mit der Vorfreude, die wir mit der U17 der TSG vor Duellen mit dem VfB Stuttgart hatten. Man kennt sich untereinander und ist deswegen besonders motiviert.

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Wie sieht Dein weiterer Karriereplan aus?

Hilpert: Ich habe das Konzept des „Student-Athlete“ lieben gelernt und werde bis zu meinem Abschluss noch zwei Jahre in Syracuse bleiben. Obwohl die Major League Soccer für viele meiner Mitspieler eine Alternative ist, wird mein Weg ein anderer sein. Ich denke, dass unsere Fußballmannschaft bis zu meinem Abschluss noch einen weiteren Titel gewinnen kann. Der Fußball wird danach für mich ein Türöffner sein. Ohne den Fußball hätte ich wahrscheinlich nie in den USA studieren können – das weiß ich zu schätzen. Im Moment bereite ich mich auf ein Praktikum vor. Ich stehe mit verschiedenen Unternehmen in Kontakt und habe Kommilitonen, die mich beim Übergang vom Studium in den Job unterstützen. Für mich ist in den USA fast alles möglich, das ist meine Motivation.

Ist der Schritt in die NCAA für junge Talente, die nicht sofort den Sprung in den Profifußball schaffen, empfehlenswert?

Hilpert: Es gibt zwei Gründe, weswegen man als deutsches Talent in die USA wechseln kann. Einerseits ist „College Soccer“ der schnellste Weg, um später in der Major League Soccer professionellen Fußball zu spielen. Andererseits öffnet der Fußball die Tür zu Stipendien der Top-Universitäten der USA. Ein Abschluss an diesen Schulen kann neue Perspektiven eröffnen und der Einstieg in ein komplett neues Leben sein. Egal, welchen Grund man hat, um in die NCAA zu wechseln – der Weg in die USA ist zu empfehlen.

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So ist der College-Sport organisiert

Die National Collegiate Athletic Association (NCAA) ist ein Freiwilligenverband, über den viele Colleges und Universitäten der USA ihre Sportprogramme organisieren. Sie umfasst über 1.280 Einrichtungen, Organisationen und Einzelpersonen, die sich den Interessen und der Ausbildung der studentischen Athleten verpflichtet fühlen. Die NCAA hat ihren Sitz in Indianapolis.

Aufgrund der großen Zuschauerbeliebtheit und der entsprechenden Vermarktung durch die Medien nimmt der Universitätssport in den USA einen sehr hohen Stellenwert ein. 1973 führte die NCAA in ihren Mitgliedsanstalten ein Drei-Divisionenmodell mit jeweils einer Division I, II und III ein, wobei nur Colleges der ersten beiden Einstufungen Stipendien für Sportler verleihen können. Im Normalfall gehören größere Universitäten der Division I an, während kleinere Schulen in den Divisionen II und III antreten.

Innerhalb der NCAA sind viele Universitäten in Conferences organisiert, darunter zum Beispiel die für ihre Elite-Unis Harvard, Princeton oder Yale bekannte „Ivy League“. Zu den sportlich erfolgreichsten Conferences gehören zum Beispiel die „Atlantic Coast Conference“ (ACC), die Big Ten Conference (B1G) oder die Southeastern Conference (SEC).

Durch die Vielzahl an Stipendien- und Trainingsmöglichkeiten bieten die Hochschulen der NCAA deutlich mehr guten Sportlerinnen und Sportlern optimale Trainingsmöglichkeiten, als dies in Deutschland der Fall ist. In der Regel wird das Studium und somit die Sportkarriere in vier Jahren (à zwei Semestern) absolviert: 1. Freshman, 2. Sophomore, 3. Junior, 4. Senior. Die besten Sportler werden am Ende einer Saison in die Profi-Ligen gedraftet, das heißt, sie werden von Profi-Teams auserwählt und mit einem Vertrag ausgestattet.

Zu den sportlich erfolgreichsten Universitäten in den zuschauerstärksten Sportarten zählen die Universitäten von UCLA, Kentucky, Duke, Indiana und North Carolina (Basketball) sowie Princeton, Yale, Notre Dame und Alabama (American Football). Aktueller Titelträger im Fußball ist die Stanford University (Kalifornien).

Die Athletik-Sparten der Unis und Colleges verfügen jeweils über Nicknames, also Spitznamen, die vorwiegend aus der Tierwelt (Tigers, Lions, Bears, Wildcats, Cardinals etc.) stammen, aber auch einen historisch-kulturellen (Hoosiers, Irish, Mountaineers etc.) oder religiösen (Devils, Quakers etc.) Bezug haben können.

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DIE COLLEGE-SERIE AUF ACHTZEHN99.DE:

Teil 1: Hendrik Hilpert

Teil 2: Daniel Mühlbauer

Teil 3: Fabian Veit

Teil 4: Paul Ehmann

 

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