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SPIELFELD
07.01.2016

Pirmin Schwegler: "Vom Geist des Teams überzeugt"

Pirmin Schwegler ist seit dieser Saison Kapitän der TSG. Im Interview spricht der Schweizer über das Jahr 2015, die Anforderungen an seine Rolle im Abstiegskampf, Auswirkungen von Trainerwechseln und die Aussichten für die Rückrunde.

Pirmin, wie hast Du 2015 aus sportlicher Sicht erlebt?

Pirmin Schwegler: "Schon die Rückrunde der vergangenen Saison war nicht optimal. Mein erstes Halbjahr hier in Hoffenheim war natürlich überragend, in der Rückrunde war es dann schon etwas schleppend, so dass wir leider nicht die Europa League erreicht haben. Da wir lange oben standen, war das enttäuschend, aber der achte Platz bedeutete für Hoffenheim insgesamt dennoch eine gute Saison. Wir hatten mehr erreicht, als vor der Saison von uns erwartet wurde – obwohl die Rückrunde schwächer war als die Hinserie."

Hattet Ihr am Ende das Gefühl, die Europa-League-Qualifikation hergeschenkt zu haben?

Schwegler: "Es wäre vermessen gewesen, das von uns zu erwarten. Es war auch vor der Saison nicht das Ziel. Aber wir waren lange oben mit dabei, haben die Hürde aber nie wirklich übersprungen. Darum war es natürlich ärgerlich. Es wäre das erste Mal gewesen, dass Hoffenheim international gespielt hätte. In Europa dabei zu sein, wäre für die TSG ein großer Erfolg gewesen."

Wie war dann die Gefühlslage in der Sommerpause? Angriffslustig oder aufgrund der schwachen Rückserie und des vollzogenen personellen Umbruchs eher zurückhaltend?

Schwegler: "Das war ja lange nicht abzusehen. Dann ging es plötzlich Schlag auf Schlag und einige sind gegangen. Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, war aber auch überzeugt von den neuen Kollegen und habe mir große Hoffnungen gemacht. Aber man wusste nicht, wo die Reise hingeht. Ich bin mit viel Mut und Zuversicht in die Runde reingegangen und habe nicht erwartet, dass es so schwer wird."

Wie bewertest Du die momentane Situation?

Schwegler: "Es ist keine einfache, aber auch keine aussichtslose Situation. Deswegen finde ich, dass wir in den letzten Spielen der Hinrunde auch gezeigt haben, dass wir uns damit auseinandersetzen und auch die richtigen Schlüsse ziehen. Das stimmt mich extrem positiv. Ich bin immer noch total von der Mannschaft überzeugt, vor allem auch vom Geist des Teams. Defensiv standen wir zuletzt sehr gut, das ist sicherlich ein Schlüssel."

Die Mannschaft ist sehr jung. Mit 28 Jahren gehörst Du auch noch nicht zu den älteren Bundesliga-Spielern, aber bei der TSG kommt kaum jemand an Deinen Erfahrungsreichtum heran. Hast Du Dich als Kapitän in der schwierigen Phase besonders in der Verantwortung gefühlt und Aufbauarbeit geleistet?

Schwegler: "Ich habe mir viele Gedanken gemacht und es war auch für mich persönlich nicht einfach als Kapitän. Bei mir ist es nach Niederlagen nicht so, dass nach dem Duschen der Frust weggewaschen ist. Und sportlichen Misserfolg führt man immer auch auf die Führungsspieler zurück. Darum habe ich mich auch sehr kritisch mit meiner eigenen Leistung und Rolle auseinandergesetzt. Ich will einfach als Kapitän der Mannschaft mehr Stütze für Stabilität sein. Deshalb habe ich in den vergangenen Wochen versucht, viel auf die jungen Spieler einzuwirken. In Frankfurt habe ich schon Erfahrungen im Abstiegskampf gesammelt und viel durchgemacht. Einmal ist es schiefgelaufen und wir sind abgestiegen. Da habe ich aber viel rausziehen können und versuche, diese Erfahrungen nun weiterzugeben."

Was bedeutet Dir die Rolle des Kapitäns?

Schwegler: "Ich mag sie sehr und versuche, sie bestmöglich auszufüllen, jeder interpretiert sie ja ein Stück weit anders. Ich bin eher der ruhigere Typ und würde nie einen anschreien. Vielmehr versuche ich, auf die Jungs einzugehen und auf diesem Weg die Sachen auf den Weg zu bringen."

Es gab Diskussionen im Umfeld und auch Huub Stevens hat angemerkt, es gebe nicht viele Führungsspieler. Wie gehst Du damit um, beziehst Du das auch auf Dich?

Schwegler: "Wenn der Trainer das so sieht, setzt man sich damit auseinander. Das kann man sicherlich auch so sehen. Ich bin erst seit eineinhalb Jahren hier und rund 15 Spieler kamen noch nach mir. Es waren bei einigen Partien nur noch drei Spieler in der Stammelf, die länger als ich hier sind. Da ist es klar, dass man sich noch suchen und finden muss und dass das Teamgefüge noch nicht so ausgeprägt ist wie bei einer Mannschaft, die über fünf Jahre gewachsen ist. Der Umbruch ist deutlich vorhanden, es sind viele dazugekommen. Aber was drumherum so gesprochen wird, das ist mir wirklich wurscht."

Also ist das Teambuilding noch nicht abgeschlossen?

Schwegler: "Das sehe ich so, es ist ein fortwährender Prozess, der sich auch über Erfolge und Misserfolge definiert. Der Weg der Kaderumstrukturierung ist bei der TSG bewusst gewählt worden und dann ist es klar, dass die Neuen Zeit brauchen. Aber ich denke, es wächst alles zusammen."

Wie hat sich denn der Trainerwechsel von Markus Gisdol zu Huub Stevens auf die im Umbruch befindliche Mannschaft ausgewirkt?

Schwegler: "So ein Abschied ist einerseits schwierig, da man mit dem alten Trainerteam intensiv gearbeitet und einiges erlebt hatte. Aber das Business ist knallhart. Man muss schnell wieder zum Alltag zurückkommen. Danach habe ich es gar nicht so empfunden, dass da zwei verschiedene Trainer-Welten aufeinander gefolgt sind, wie es so oft heißt. Natürlich waren wir unter Gisdol etwas offensiver, aber Stevens ist auch topmodern. Das gilt auch für seine Trainingssteuerung. Das hört sich vielleicht bitter an, aber nach einem Trainerwechsel muss die Arbeit schnellstmöglich weitergehen. Jeder hat seine Philosophie und Überzeugung. Die von Stevens ist defensiver, aber das haben wir an diesem Punkt auch gebraucht. Manchmal ist es halt so, dass es in einer Konstellation nicht mehr so passt."

Du sprichst Englisch, Französisch und ein bisschen Spanisch. Hilft Dir das im Umgang mit den Teamkollegen?

Schwegler: "Ich spreche ja auch noch Schwyzerdütsch, das nützt mir auch in den Gesprächen mit Steven Zuber und Fabian Schär (lacht). Aber klar, das hilft natürlich dabei, die Mannschaft zu verbinden.
Die jungen Spieler kommen auch auf mich zu. Ich hoffe, sie hören dann auch auf mich. Ich kenne das noch von meinen ersten Jahren. Damals bei Bayer Leverkusen habe ich auf Bernd Schneider und Carsten Ramelow gehört und konnte viel von ihnen lernen. Ich hoffe, das jetzt ein Stück weiterzugeben."

Die Namen Schneider und Ramelow stehen für eine vergangene, härtere Welt des Profi-Fußballs. Als junger Spieler trat man damals noch nicht so extrovertiert auf wie es viele heutige Talente tun.

Schwegler: "Man muss mit der Zeit gehen, früher war es schon ein bisschen rauer. Da hat man auch mal einen mitbekommen. Heute ist es eine andere Zeit. Ich könnte heutzutage niemals so auftreten wie die Führungsspieler damals. Das würde nicht mehr angenommen werden. Aber für mich persönlich war das damals sehr lehrreich. Ich hätte es nie gewollt, dass mir alles auf dem Silbertablett serviert wird, wie es vielleicht heutzutage oftmals der Fall ist. Ich musste mich schon durchbeißen. Und als Schweizer hatte ich es damals in Deutschland noch einmal etwas schwieriger. Das hat aber auch einiges bewirkt, ich habe viel daraus gelernt."

Du wirst im März 29 Jahre alt und spielst seit rund zehn Jahren in der Bundesliga. Wie blickst Du auf Deine bisherige Laufbahn zurück?

Schwegler: "Naja, ich hoffe ja zunächst mal, dass ich noch ein paar Jahre habe (lacht)."

Das war natürlich keine Aufforderung zum Rücktritt. Aber vielleicht zu einem Zwischenfazit. Wir gehen ja noch von mindestens fünf Jahren aus.

Schwegler: "Das unterschreibe ich so. Ich kam vor zehn Jahren nach Deutschland. Das war ein Riesenschritt, die Bundesliga steht über der Schweizer Liga und es war immer mein Ziel, in Deutschland zu spielen. Jetzt ist es schon die zehnte Saison hier. Wenn es nochmal fünf werden, wäre das schon eine große Leistung: 15 Jahre in der Bundesliga zu spielen. Da wäre ich schon mächtig stolz drauf."

Du hast 14 Spiele für die Schweizer Nationalmannschaft bestritten, im März 2015 aber Deinen Rücktritt erklärt. Ist das Thema abgeschlossen oder denkst Du noch manchmal daran, zurückzukehren – zumal die Schweiz sich ja für die EM 2016 in Frankreich qualifiziert hat.

Schwegler: "14 Länderspiele sind ein bisschen wenig. Aber ich glaube nicht, dass noch einmal welche dazukommen werden. Die Schweiz ist auf meiner Position sehr gut besetzt, und ich stehe auch zu meinem Entschluss. Ich habe klar gesehen, dass einige vor mir sind. Es gab aber auch Phasen, in denen ich hätte vor anderen Spielern positioniert werden müssen. Das ist nicht passiert und ich erlebte so über eine längere Zeit eine schwierige Phase und habe mich sehr runterziehen lassen. Ich habe mich damals immer wieder damit beschäftigt, warum ich nicht dabei war. Das hat mir nicht gutgetan. Deshalb war für mich klar: Es ist besser, wenn ich von mir aus sage, dass es nicht mehr passt. Jetzt ist es für mich okay und es ist auch keine Wehmut dabei, in Frankreich nicht dabei zu sein. Das Thema ist für mich gegessen."

Welche Ziele setzt Du Dir noch für den Abschnitt der Karriere, in dem die Nati keine Rolle mehr spielt?

Schwegler: "Ganz so weit nach vorn möchte ich eigentlich gar nicht schauen. Ich fühle mich hier in Hoffenheim trotz der momentanen Situation wirklich wohl und finde es spannend, was hier alles passiert. Deshalb hätte ich nichts dagegen, wenn es noch länger so weitergeht und hoffe, dass wir die Liga halten."

Du hast Dich als eher ruhigen Typen bezeichnet. Ist die TSG ein Club, der zu Dir passt?

Schwegler: "Ich glaube schon. Ich habe gern meine Ruhe, arbeite aber auch gern hart und intensiv. Da hat man hier super Möglichkeiten, man kann sich hier extrem gut entwickeln. Ich habe es zwar auch genossen, in Frankfurt zu leben, bin aber eher ein Landmensch als ein Stadtmensch. Ich brauche auch keine Aufmerksamkeit, sehe mich nicht über anderen Menschen und bin einer, der sich gern unbeobachtet bewegt. Außerdem finde ich es super, dass hier so auf die Jugend gesetzt wird. Den spannenden Weg gehe ich gern mit und helfe auch gern dabei."

Auch auf der Trainerbank wird auf die Jugend gesetzt. Im Sommer bekommst Du mit Julian Nagelsmann einen Coach, der vier Monate jünger ist als Du.

Schwegler: "Das wird spannend, älter zu sein als der Trainer (lacht). Sicher ist das ungewöhnlich, aber ich sehe da überhaupt kein Problem. Ich kenne ihn persönlich noch nicht so sehr, aber ich höre nur positive Dinge. Gute Leute sind immer willkommen, sie machen einen besser und stärker. Ich freue mich sehr auf die neue Situation und glaube, dass das sehr gut passt."

Dein älterer Bruder Christian ist bereits 31 Jahre alt und spielt bei RB Salzburg, wo er auch unter Huub Stevens spielte. Ist er auch ein Ratgeber für Dich?

Schwegler: "Wir haben einen sehr intensiven Kontakt und tauschen uns fast täglich aus. Ich schätze das sehr, jemanden zum Austauschen zu haben, der ja auch ähnliche Erfahrungen macht. Gerade in diesem Geschäft ist es sehr wichtig, wirklich eine ehrliche Meinung zu hören. Oft wird einem ja sonst Honig um den Mund geschmiert."

Wie war das sportliche Verhältnis in der Jugend?

Schwegler: "Er ist ja drei Jahre älter und war immer einen Schritt vor mir. Darum habe ich ihm immer nachgeeifert und zu ihm hochgeschaut. Er war mein Vorbild, eigentlich heute noch. Ich glaube jeder, der einen großen Bruder hat, schaut ein bisschen zu ihm hoch. Aber er hat mittlerweile auch mal erwähnt, dass er stolz auf mich ist (lacht). Wir sind beide extrem dankbar, dass wir unserem Hobby beruflich nachgehen können. Ich genieße das extrem und weiß auch, was ich für ein Glück habe.“

Hast Du Sorge vor der Zeit danach?

Schwegler: "Überhaupt nicht. Ich weiß, dass es irgendwann vorbei ist. Ich habe damals eine Ausbildung zum Bürokaufmann abgeschlossen. Weil es mir immer wichtig war, ein zweites Standbein zu haben. Was ich aber ohne den Fußball dann wirklich gemacht hätte, weiß ich nicht. Wenn ich momentan an die Zeit danach denke, freue ich mich erstmal, mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben. Denn momentan muss
man natürlich schon ein paar Dinge hinten anstellen. Was dann genau passiert, weiß ich noch nicht."

Dann kann ja der ältere Bruder vielleicht schon wieder Tipps geben.

Schwegler: "Mal schauen, vielleicht spielt er ja noch, bis er 40 ist (lacht). Er ist manchmal in gewissen Dingen ein bisschen ehrgeiziger als ich. Vielleicht zieht es mich in die Schweiz zurück. Allerdings sehe ich mich nach zehn Jahren hier auch schon ein Stück weit als Deutscher. Da hat sich enorm viel verändert. Als ich in die Bundesliga kam, hieß es ja noch: Was will denn der kleine Schweizer hier? Aber mittlerweile spielen
28 Schweizer in der Bundesliga. Umgekehrt hatten einige Schweizer auch ein schlechtes Bild von den Deutschen, was ich gar nicht nachvollziehen kann. Ich bin hier wirklich total nett aufgenommen worden und habe viele Freunde gefunden. Diesem Vorurteil kann ich definitiv widersprechen.“

Bleibt zum Abschluss noch die Frage nach den Wünschen für die nahe Zukunft: Was erhoffst Du Dir vom Jahr 2016?

Schwegler: "In erster Linie natürlich Gesundheit. Es hört sich immer so banal an, aber man schätzt es erst, wenn die Gesundheit mal nicht so da war. Von daher steht es seit meiner Kindheit immer über allem. Und für die engsten Freunde und für die Familie wünscht man sich das auch. Das ist das höchste Gut, das man hat und manchmal vergisst man das, wenn es einem gut geht. Alles andere kann man sich erarbeiten. Das betrifft
auch die TSG, wir können uns den Klassenerhalt erarbeiten. Nur mit Wünschen werden wir es nicht schaffen. Aber ich wünsche mir es natürlich trotzdem von Herzen, dass wir die Liga halten.“

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