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SPIELFELD
18.04.2016

Alfred Schreuder - Blind Date im Kraichgau

Alfred Schreuder kam als Assistent von Huub Stevens zur TSG. Nach dessen Abschied blieb der Niederländer im Kraichgau und ist nun Teil eines ungewöhnlichen Trainer-Trios. Hoffenheim ist für den Ex-Profi von Feyenoord Rotterdam die erste Station im Ausland – doch trotz der Distanz zu seiner Familie genießt er die Arbeit und den Blick auf hügelige Landschaften.

Als das Abenteuer begann, wusste Alfred Schreuder nicht, wo es stattfindet. Wenige Wochen, nachdem sein Engagement als Cheftrainer des niederländischen Clubs Twente Enschede im Oktober 2015 ein abruptes Ende genommen hatte, unterbrach ein Anruf die ungewohnte Ruhe im heimischen Wohnzimmer. Huub Stevens meldete sich am anderen Ende der Leitung – wortkarg und mit einem nebulösen Angebot. "Wirst Du mein Assistent, wenn ich morgen einen Bundesligisten übernehme?" Schreuder sagte nach einigem Zögern zu – und suchte in der Tabelle nach Auskünften über seinen künftigen Arbeitgeber. Allerdings führte ihn das Klassement auf eine falsche Spur: "Ich dachte, er geht schon wieder zum VfB Stuttgart."

Einen Tag später, die Koffer bereits gepackt, löste Stevens das Rätsel. TSG 1899 Hoffenheim. Kraichgau. Absolutes Neuland für den 43-Jährigen – der nach der Ankunft bei der TSG aber schnell beeindruckt war. "Die Anlage in Zuzenhausen ist unglaublich. Und landschaftlich ist es hier wunderschön. Wenn ich vom Trainingsplatz die Hügel in der Umgebung sehe, halte ich manchmal kurz inne. So etwas gibt es in den Niederlanden ja kaum. Dazu kommt, dass Heidelberg traumhaft ist. Aber auch kleinere Städte wie Wiesloch sind wirklich schön. Ich fühle mich hier sehr wohl." Daran ändert auch nichts, dass Schreuder seit seiner Ankunft im Hotel wohnt und seine Familie nur einmal in der Woche sieht, wenn er die 480 Kilometer nach Hause fährt oder Besuch aus der Heimat erhält.

Gehen? Wäre schwach gewesen

Trotz der Distanz ist er froh, auch nach dem Abschied von Stevens im Kraichgau geblieben zu sein und weiterhin die Trainingseinheiten in einer Mischung aus Englisch und Deutsch plus hübschem niederländischen Akzent zu leiten. Dabei war sein erster Impuls ein anderer. Aus Verbundenheit zu Stevens, der ihn und seinen Bruder Jan-Dirk "Dick" einst als Teenager in die Jugend-Akademie des PSV Eindhoven geholt hatte: "Huub hatte mir ermöglicht, in der Bundesliga zu arbeiten. Mein erster Gedanke war: Ich bin hier, weil er hier ist. Und wenn er aufhört, höre ich auch auf." Aber Aufgeben war für Schreuder zuvor nie eine Option gewesen: "Ik bin geen wegloper", sagte er dem niederländischen Magazin 'Voetbal totaal' im Februar – und erinnerte sich an seine Mission: "Ich bin hier hingekommen, um den Abstieg zu verhindern. Dafür möchte ich jeden Tag 100 Prozent geben. Die TSG war sehr gut zu mir, da wäre es schwach gewesen, einfach zu gehen."

Es folgten Gespräche mit Alexander Rosen und Trainer Julian Nagelsmann. Schreuder fühlte die Wertschätzung des Clubs und das Potenzial des neuen Trainerteams. "Huub konnte wegen seiner Gesundheit nicht mehr 100 Prozent geben, ich aber schon. Ich bin sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Das zeigt aber auch, wie wohl ich mich hier nach kurzer Zeit fühle." Dabei ist Hoffenheim in der langen Karriere Schreuders die erste Station im Ausland. Als Profi lief der frühere Junioren-Nationalspieler in 338 Spielen in der Ehrendivision auf. Seine größte Zeit erlebte er als defensiver Mittelfeldspieler bei Feyenoord, wo er unter anderem von Erwin Koeman und Bert van Maarwijk trainiert wurde – und mit späteren Stars wie Robin van Persie und Dirk Kuyt zusammenspielte.

"Es ist noch immer schwer"

Nach Jahren, in denen es sportlich und privat nur bergauf ging, begann dann aber schlagartig ein prägendes, tieftrauriges Kapitel in Schreuders Leben. Das Schicksal traf ihn und seine Familie hart, als bei seiner Tochter Anouk im Jahr 2004 ein Gehirntumor diagnostiziert wurde. Im März 2006 starb sie im Alter von sechs Jahren. "Das war die schwerste Zeit in meinem Leben. Und es ist noch immer schwer", sagt er zehn Jahre danach. Im Fußball fand er in dieser Zeit keine Ablenkung. Während der Erkrankung seiner Tochter machte er kein Spiel, da er dreimal erfolglos an der verletzten Achillessehne operiert wird. Erst nach einer weiteren Operation kehrte er nach knapp zweijähriger Pause auf den Rasen zurück.

Doch nichts war mehr wie vorher. Nicht im Kopf und nicht in den Beinen. „Ich wurde nie wieder so fit wie zuvor. Auch mental hatten mich die zwei Jahre viel Kraft gekostet.“ Sich komplett zurückzuziehen kam für den Kämpfer aber nicht in Frage. Schon zu seiner aktiven Zeit hatte er Jugendmannschaften bei seinem Heimatclub SDV Barneveld gecoacht und hatte die ersten Trainerscheine gemacht. Bei seinem letzten Verein Arnheim wurde er im Januar 2009 Co-Trainer und wechselte von dort im Sommer zu Twente, wo er dem früheren englischen Nationaltrainer Steve McClaren assistierte und gleich in der ersten Saison den Titel holte.

"Ein absoluter Perfektionist"

Nach dem Abschied des Engländers wurde er Assistent des einstigen belgischen Top-Torwarts Michel Preud’homme, 2013 dann Interimstrainer und schließlich 2014 erstmals Chefcoach. Dank Stevens kam er nun in den Kraichgau. Trotz der Entfernung zu seiner Frau und den drei Kindern genießt er die Arbeit im neuen Trainerteam um den 28-jährigen Chefcoach Julian Nagelsmann und dessen Assistenten Armin Reutershahn. Der junge Chef mit seinen deutlich älteren Assistenten bildet ein recht ungleiches Trio, das sich schnell finden musste – und die ersten Prüfungen mit Bravour bestand. "Man muss sich als Assistent auch immer ein wenig nach dem Cheftrainer ausrichten. Armin und ich machen viel zusammen, jeder hat aber auch seine Kernbereiche", sagt Schreuder.

Dass der Verein mit der Beförderung von Nagelsmann eine richtige Entscheidung getroffen hat, war Schreuder schnell klar. "Er ist jung vom Alter, aber nicht vom Kopf. Das merkt man als Trainer schnell, er hat Erfahrung auf dieser Position und ist absoluter Perfektionist. Ich konnte sofort verstehen, warum ihm der Verein vertraut." Mit Nagelsmann gelang es Schreuder und Reutershahn auf Anhieb, die dritte Phase des geplanten Umbruchs einzuläuten, nachdem Stevens sich zuvor auf die Verbesserung der Fitness und die Stabilisierung der Defensive konzentriert hatte.

Die entscheidenden Impulse für das Offensivspiel brachte Nagelsmann mit. „Er ist sehr gut im Feintuning und hat das Spiel nach vorn etwas schneller vorangetrieben“, sagt Schreuder. Ob das Trainer-Trio gemeinsam in die neue Saison geht, ist noch offen. Sportdirektor Alexander Rosen würde Schreuder aber gern längerfristig binden, die Gespräche laufen: "Wir sind mit seiner Arbeit mehr als zufrieden. Fachlich und als Typ passt er wunderbar zu uns", sagt Rosen. Auch der Zuspruch von Huub Stevens ist Schreuder bei der Zukunftsplanung sicher: "Ich war sehr traurig, dass er seine großartige Karriere beenden musste. Aber er hat noch einmal betont, dass es die richtige Entscheidung war. Huub hat so viel in einem schwierigen Job gearbeitet. Er muss das Leben jetzt mal ein bisschen genießen. Ich bin stolz, mit ihm gearbeitet zu haben." Und wenn alles nach Plan läuft, kann er im Mai auch stolz darauf sein, als Teil des Trainertrios die Mission Klassenerhalt erfüllt zu haben.

 

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