Philipp Klingmann: Der Dienstälteste
Der 23-Jährige ist nicht nur ein Kind der Region, sondern auch der dienstälteste Spieler bei 1899 Hoffenheim. Seit Sommer 2001, also seit über zehn Jahren, ist der gebürtige Heidelberger Teil des Projekts. Als er als C-Jugendlicher ins Förderzentrum nach Zuzenhausen wechselte, lagen die heutigen Förderzentrum-Talente zum Großteil noch in den Windeln. Das Fußball-ABC erlernte Klingmann in seinem Heimatort beim SC Germania Mönchzell, den es heute gar nicht mehr gibt. Als Fünfjähriger verdiente er sich seine Sporen als zentraler Mittelfeldspieler, rückte später auf die rechte Seite und mit der Zeit einen Mannschaftsteil nach hinten.
„Ich habe alle Jugendteams bis zur D-Jugend durchlaufen und bin dann nach Hoffenheim gegangen, weil ein guter Bekannter aus Mauer damals die C-Junioren trainierte“, erinnert er sich. Damals war die Situation noch etwas überschaubarer, der Verein gerade von der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegen. Eine Junioren-Bundesliga gab es auch noch nicht, so dass „Klinge“ unter verschiedenen Trainern in den Landes-, Verbands- und Oberligen spielte und den Weg für die Nachfolge-Jahrgänge bereitete. Nebenbei kickte er auch noch seit der C-Jugend für die Badische Auswahl, mit der er zwei süddeutsche Meisterschaften gewann. „Heute ist der Jugendbereich viel professioneller strukturiert, aber es war trotzdem eine schöne und lehrreiche Zeit.“
Meniskuseinriss übersehen
Der Wechsel von der A-Jugend in die U23, damals unter Trainer Rainer Scharinger, verlief nahtlos. „In meinem ersten Spiel gegen die Stuttgarter Kickers habe ich noch als A-Jugendlicher gleich zwei Tore erzielt“, erinnert er sich. Vor seiner zweiten Saison im Seniorenbetrieb unterschrieb er einen Lizenzspielervertrag. „Das lag natürlich in erster Linie an der Local-Player-Regelung“, weiß Klingmann, wie er dieses Privileg einzuordnen hat.
Aber immerhin hat er schon hin und wieder bei den Profis mittrainiert und auch einige Testspieleinsätze bestritten, wobei ihm einer zum Verhängnis wurde: Bei einem Vorbereitungsmatch im Januar 2009 im Dietmar-Hopp-Stadion gegen den FC Zuzenhausen (4:1) zog er sich eine Verletzung zu, die sich später als Meniskuseinriss entpuppte und bei der ersten Kernspintomografie übersehen wurde.
„Deshalb bin ich auch ins Trainingslager der Profis nachgeflogen.“ Unter Schmerzen spielte er die Saison zu Ende und ließ sich erst im Sommer operieren, weswegen er die ersten drei Monate 2009/10 unter Neu-Trainer Markus Gisdol zum Zuschauen verdammt war. Doch seit seiner Rückkehr Mitte Oktober 2009 ist „Klinge“, der die darauffolgende Oberliga-Meisterschaft und den Regionalliga-Aufstieg als bislang größten Erfolg bezeichnet, nicht mehr aus der Startformation der U23 wegzudenken.
BWL-Bachelor-Studium in Heidelberg
Auch neben dem Platz bringt der Student seine Leistung. Noch zwei Klausuren fehlen ihm zum Ende seines BWL-Bachelor-Studiums an der FH in Heidelberg, die Abschlussarbeit mit dem Thema „Idealtypischer Ansatz zur Bewertung von Nachwuchsfußballern“ hat er bereits eingereicht. Darin hat er aus Spielersicht ein eigenes Konzept zur Talentsichtung entwickelt. Derzeit hält Klingmann nach einer Halbtagsstelle Ausschau, setzt aber weiterhin auf die Karte „Profi-Fußball“. „Die Hoffnung habe ich noch“, sagt er, bleibt aber realistisch: „Ob es in Hoffenheim dazu reicht, weiß ich nicht, schließlich bin ich schon lange dabei und die Verantwortlichen haben sich längst ihr Bild von mir gemacht.“
Dennoch fühlt sich „Klinge“ in Hoffenheim wohl, denn die guten Voraussetzungen weiß er durchaus zu schätzen. „So etwas gibt es kein zweites Mal“, kann er sich vorstellen, als Leitwolf in der U23 noch ein paar Jahre dranzuhängen, zumal er immer noch bei seinen Eltern in Mönchzell wohnt. Mehr als Regionalliga traut er sich aber auf alle Fälle zu. „Das muss mein Ziel sein, dafür habe ich seit der C-Jugend ja auch einen entsprechenden Aufwand betrieben, auch wenn es damals so Sachen wie zum Beispiel Eliteschule-Training nicht gab. Wir kamen um halb neun nach Hause und mussten dann noch Hausaufgaben machen…“ Seine Zukunft will er sich also noch offen halten, aber das Studium sei zumindest eine sehr gute Grundlage.
Vorbild Dani Alves
In der ersten Regionalliga-Saison traf „Klinge“ in 31 Spielen vier Mal, vor der morgigen Partie gegen den SV Waldhof Mannheim hat er bei 13 Einsätzen bereits dieselbe Quote erreicht – nicht schlecht für einen Abwehrspieler. „Klar könnte ich mich nicht so oft in die Offensive einschalten, wenn mich nicht jemand hinten absichern und ich meine Seite entblößen würde“, sagt er. „Wenn ich es übertreibe, pfeift mich der Trainer schon zurück.“ Dass er bei seinen ständigen „Nadelstichen“ eine höhere Laufbereitschaft mitbringen muss, merkt man ihm nicht an. Er läuft, und läuft … und trifft. Denn über einen strammen Schuss verfügt er obendrein. Und von vornherein etwas offensiver aufgestellt werden? „Nein“, sagt Klingmann. „Ich liebe das Überraschungsmoment.“ In der Beziehung ist der Brasilianer Dani Alves, der sich beim FC Sevilla und beim FC Barcelona mit seinen Vorstößen auf der rechten Seite in die Weltelite gespielt hat, so eine Art Vorbild.
Innerhalb des Teams versteht sich „Klinge“ mit allen gut, wobei „verstehen“ ein gutes Stichwort ist. Der in Kamerun geborene Abwehrkollege Tabe Nyenty hat ihm ein paar Sätze in seiner Heimatsprache („Eine Mischung aus Englisch und einer Regionalsprache“) beigebracht. „Dabei handelt es sich um einfache Sachen wie ‚Hallo‘ oder ‚Wie geht's‘, aber das ist ganz unterhaltsam.“
Bruder Andreas hat auf der Playstation das Nachsehen
Wenn neben Training und Studium noch Zeit ist, misst sich Klingmann gerne mit seinem jüngeren Bruder Andreas (18), der beim FC Zuzenhausen spielt, an der Playstation und gibt ihm „öfters das Nachsehen“. Ansonsten, wie könnte es anders sein, schaut er zum Leidwesen seiner Freundin Anne, mit der er seit sieben Jahren zusammen ist und schon gemeinsam auf die Schule ging, viel Fußball im Fernsehen. Spanische, Englische, Italienische Liga, das übliche eben. „Natürlich versucht man auch, sich etwas abzugucken, aber ich verfolge die Spiele in erster Linie aus Interesse.“
Über die aktuelle Regionalliga-Saison der U23 sagt „Klinge“, dass sich er und seine Mitspieler nach zwei Jahren Markus Gisdol erst mal an die Philosophie von Trainer Frank Kramer gewöhnen mussten. „Er hat viele Einzelgespräche geführt und uns in kürzester Zeit sehr gut kennengelernt. Wir haben viel an unseren Stärken und Schwächen gearbeitet und für mich selbst kann ich sagen, nie so hart trainiert zu haben. Solange die Mannschaft gewinnt, passt alles.“
Nach einem kleinen Zwischentief gab es zuletzt einen 3:0-Erfolg beim Karlsruher SC II, der Klingmann und Co. vor dem Derby gegen den SVW auf Rang drei beförderte. In Mannheim werden sie auf die Flankenläufe des dienstältesten Hoffenheimers vorbereitet sein. Ob sie sie verhindern können, wird sich zeigen.