'72, '80, '96, 2012?
30. Juni 1996, 20.50 Uhr – ganz Fußball-Europa blickt auf das spannende Europameisterschaftsfinale zwischen Deutschland und Tschechien im Londoner Wembley-Stadion. Es steht 1:1 und es läuft bereits die Verlängerung. Ein weiterer Treffer und die Partie wäre dank des neu eingeführten „Golden Goals“ beendet. Oliver Bierhoff, der schon in der regulären Spielzeit nach seiner Einwechslung den wichtigen 1:1-Ausgleichstreffer schoss, bekommt fünf Minuten nach Wiederbeginn den Ball im Strafraum mit dem Rücken zum Tor. Eine Drehung, ein Schuss, ein Tor - es steht 2:1. Deutschland ist nach 1972 und 1980 zum dritten Mal Europameister.
Unvergessene EM 1996
16 Jahre sind seitdem vergangen. Eine lange Zeit für eine stolze Fußballnation. Markus Babbel war an jenem denkwürdigen Tag in London mit dabei. Aufgrund einer Verletzung Jürgen Kohlers im ersten Spiel der EM rutschte der damals 23-Jährige in die Stammelf und verteidigte seinen Startplatz bis zum Ende. Ein bis heute besonderes Spiel für Babbel war allerdings das Halbfinalspiel gegen England, das die DFB-Auswahl in einem dramatischen Elfmeterkrimi gewann und ins Finale einzog. Das Duell mit Mittelstürmer Alan Shearer, der in der 3. Minute das zwischenzeitliche 1:0 für die Engländer erzielte, ist ihm noch in guter Erinnerung geblieben. „Sein Trikot habe ich heute noch zuhause“, erzählt der Trainer der TSG.
Die EM-Helden heute
Genau wie Babbel blieben die meisten seiner damaligen Kollegen dem (Profi-)Fußball treu. Neben Oliver Bierhoff (Manager), Matthias Sammer (Sportdirektor), Andreas Köpke (Torwart-Trainer), Christian Ziege (U18-Trainer) und Steffen Freund (U16-Trainer), die im Dienste des DFB stehen, bekleiden Stefan Kuntz (1. FC Kaiserslautern) sowie Fredi Bobic (VfB Stuttgart) wichtige Positionen in ihren jeweiligen Klubs. Auch Jürgen Klinsmann, der die DFB-Elf als Nationaltrainer bei der WM 2006 zu einem 3. Platz führte, und derzeit die Nationalmannschaft der USA trainiert, ist heute noch eines der bekanntesten Gesichter der Euro '96. Wie auch Thomas Strunz, Thomas Helmer, Mehmet Scholl und Oliver Kahn, die unter anderem als TV-Experten tätig sind.
Verjüngter Kader
Vergleicht man den damaligen EM-Kader mit dem heutigen, wird vor allem der Altersunterschied schnell deutlich. Lag 1996 der Altersdurchschnitt noch bei 27,9 Jahren, beträgt er derzeit gerade einmal 24,4 Jahre. So hatten damals noch zahlreiche Spieler wie Andreas Köpke (34), Thomas Helmer (31), Jürgen Kohler (30) oder Dieter Eilts (31) die 30 bereits erreicht bzw. überschritten, wohingegen bei der diesjährigen EM einzig Miroslav Klose (33, feiert am Samstag seinen 34. Geburtstag) und Tim Wiese (30) die magische Grenze überschritten haben. Jüngster Spieler des DFB ist Mario Götze mit erst 20 Jahren, dicht gefolgt von André Schürrle (21) und Toni Kroos (22). Babbel, der mit 23 Jahren nach René Schneider 1996 der Jüngste im Kader war, wäre heute neben Mats Hummels, Holger Badstuber, Jerome Boateng (alle 23) nur noch im breiten Mittelfeld.
Vogts glaubt an Titel
Trotz des jungen Durchschnittsalters der DFB-Elf, die bereits bei der WM 2010 den drittjüngsten und bei der kommenden EM sogar den jüngsten Kader stellt, gilt das Team neben Spanien und den Niederlanden laut zahlreicher Experten als Favorit auf den Titel. Auch Berti Vogts ist von der Qualität der Mannschaft überzeugt. „Ich kenne keine Mannschaft, die mit so einem Tempo und so aggressiv nach vorne spielt wie wir. Unser Dreieck im Mittelfeld mit Mesut Özil, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger ist das Beste der Welt (…). Wenn wir defensiv stabil stehen, sind wir nicht zu schlagen. Nicht bei der EM, nicht bei der WM 2014“, so der ehemalige Bundestrainer, der das Team 1996 zum Titel führte.
Ob sich nach 16 Jahren der Traum des erneuten Pokalgewinns erfüllt, wird sich in den nächsten drei Wochen zeigen. Bereits am kommenden Samstag, 20.45 Uhr, trifft die deutsche Mannschaft in Lwiw (Ukraine) im ersten Gruppenspiel auf Portugal. Von da an heißt es: Daumen drücken für unsere Elf!