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MÄNNER
23.02.2010

Inside 1899: „Man muss mit seinem Ehrgeiz umgehen können!“

Mit Tempo rasen die Bälle in Richtung Tor, so mancher Ball mit über 100 Stundenkilometern. Zsolt Petry und César Thier verlangen ihren Torhütern alles ab. Mal kommen die Bälle hoch, mal flach, mal schnell und mal langsam. „Gut gemacht“, ruft Thier Daniel Haas zu, während Timo Hildebrand bereits den nächsten Ball von Petry aus der Ecke fischt.

Das Verhältnis zwischen Trainerteam und Torhütern ist harmonisch, man setzt auf Kommunikation, spricht Fehler direkt und unverhohlen an. Zsolt Petry und César Thier - das Torwart-Trainer-Duo von 1899 Hoffenheim. Seit Saisonbeginn arbeiten sie zusammen. „Wir verstehen uns sehr gut, sind oft einer Meinung. Ich habe im letzten halben Jahr sehr viel von Zsolts Erfahrung profitiert", erzählt Thier. Doch auch César Thier hatte in seiner langen Karriere so manche Situation zu meistern. Anfang der Neunziger wagte er den Sprung vom brasilianischen Erstligisten FC Santa Cruz nach Deutschland. Die Anfangszeit war jedoch von Enttäuschungen geprägt. „Es war nicht leicht, als Ausländer einen Platz in der Bundesliga oder 2. Liga zu bekommen", erinnert sich Thier. „Ich kam erst im September nach Deutschland, die Clubs hatten ihre Planungen schon abgeschlossen und wenn sie überhaupt noch einen ausländischen Spieler verpflichteten, dann einen Feldspieler - keinen Torwart." Aufgrund der Ausländerregelung fand der heute 42-Jährige keinen Profiverein, kehrte wieder zurück nach Brasilien, bevor er in der Winterpause einen neuerlichen Angriff startete. Doch nicht etwa bei einem renommierten Erst- oder Zweitligisten, Borussia Fulda war Thiers erste Station in Deutschland.

Aus der Profiliga Brasiliens in die Niederungen des deutschen Fußballs. Ein Schritt, den César Thier bis heute nicht bereute. Denn in den nächsten Monaten verbrachte er auffallend viel Zeit beim Mannschaftsarzt der Borussia, doch nicht etwa um sich nach einer schweren Verletzung behandeln zu lassen. Seine heutige Ehefrau Ulrike arbeitete als Arzthelferin in der Praxis, die Besuche des Brasilianers häuften sich. „Ich war sehr oft dort", grinst César, „aber nur, um mich mit meiner jetzigen Frau zu unterhalten." Heute lebt César mit seiner Frau Ulrike in der Nähe von Sinsheim, gemeinsam haben sie Sohn Carlos Luiz und Töchterchen Luana Elisa. Im Juli 2008 wechselte Thier schließlich von Kickers Offenbach in den Trainerstab von Ralf Rangnick. Kontakte bestanden schon aus Rangnicks Zeit beim VfB Stuttgart. „Ralf hätte mich damals gerne als Ersatzmann hinter Timo Hildebrand verpflichtet." Der Wechsel von Offenbach in die Schwabenmetropole scheiterte, weil Thier die deutsche Staatsbürgerschaft verwehrt wurde. Jahre später klappte es nun doch mit einer Zusammenarbeit, nicht als Ersatzmann für Hildebrand, sondern als dessen Torwart-Trainer.

Seit Saisonbeginn hat sich das Aufgabengebiet des Brasilianers verändert. Er kümmert sich nun vorrangig um das Wohl seiner Landsleute Carlos Eduardo, Luiz Gustavo und Maicosuel, übersetzt Rangnicks taktische Anweisungen oder fungiert als Ansprechpartner. Zusätzlich unterstützt er Zsolt Petry bei der täglichen Arbeit. Der Ungar zählt seit Juli 2009 zum Trainerstab. In seiner aktiven Laufbahn als Spieler und später als Torwart-Trainer hat Petry zahlreiche Stationen durchlaufen. Nach einigen Stationen in Ungarn wagte Petry den Wechsel ins Ausland - in die belgische Liga zum KAA Gent, wo er sogleich mit den Gepflogenheiten in Belgien konfrontiert wurde. „In der ersten Woche musste ich gleich umgerechnet 50 Euro in die Mannschaftskasse bezahlen, weil ich nach einem Trainingsspiel in Vereinskleidung eine Bratwurst gegessen habe", lacht Zsolt. Petry erntete viel Anerkennung in den vier Jahren in Gent, wurde zweimal zum ausländischen Torwart des Jahres gewählt. Doch der ehrgeizige Ungar wollte mehr, sich bei einem größeren Club beweisen. „Ich war sehr ungeduldig, wollte zu schnell nach oben. Es wäre besser gewesen, noch ein oder zwei Jahre in Belgien zu bleiben", gibt sich Petry selbstkritisch. Letztlich glückte der Wechsel zu Feyenoord Rotterdam in die holländische Eredivise, der große Durchbruch wie er damals glaubte. Doch es wurde die erste große Enttäuschung seiner Karriere. Hinter dem Polen Jerzy Dudek musste er sich mit der Reservebank begnügen und wechselte nach nur einem Jahr nach Deutschland zu Eintracht Frankfurt, wo ihn das gleiche Schicksal ereilte.

Weitere Stationen in Ungarn und Finnland folgten, ehe Petry nach Deutschland zurückkehrte. Als Spieler zunächst nach Paderborn und Babelsberg. Seine erste Anstellung als Torwart-Trainer bekam er in Paderborn, wo der Kontakt zu Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser zustande kam. 38 Länderspiele absolvierte der 43-Jährige für sein Heimatland, seit rund einem halben Jahr übt er das Amt des Torwart-Trainers in Ungarns Nationalmannschaft aus. „Hoffenheim und die Nationalmannschaft lassen sich gut miteinander vereinbaren. Wenn ich jedoch merke, dass die Torhüter darunter leiden, werde ich das Engagement in Ungarn sofort beenden und mich nur noch auf 1899 konzentrieren", so Petry, der sich mit seiner Frau Ildiko und den Töchtern Szonja und Viktoria sichtlich wohl im Kraichgau fühlt. Auf eine zweifellos bewegte Karriere mit vielen Höhen und Tiefen kann Zsolt Petry zurückblicken. Er feierte Erfolge und erlitt Enttäuschungen. Erfahrungen, die den 43-Jährigen entscheidend geprägt haben. „Ich habe leider außerhalb des Platzes die ein oder andere falsche Entscheidungen getroffen. Um es ganz nach oben zu schaffen, muss man in seiner Karriere viele seiner Entscheidungen richtig treffen. Ich bin zwar stolz auf das, was ich erreicht habe, doch es wäre noch mehr möglich gewesen", erzählt Petry und fügt an: „Viele Weltklasse-Torhüter können mit ihrem Ehrgeiz umgehen. Dies unterscheidet einen guten von einem Weltklasse-Torhüter." Wichtige Erkenntnisse, die er nun an seine Torhüter-Schützlinge weitergeben kann.

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