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U23
27.01.2023

Christian Mollocher: Talentförderer auf steinigem Weg

Seit Beginn der aktuellen Saison zählt Christian Mollocher als Assistenzcoach zum Trainerteam der Hoffenheimer U23. In der TSG-Akademie arbeitet er seit Oktober 2021. Mollocher hat sich im Rheinland und Ruhrgebiet im höherklassigen Jugendfußball einen Namen gemacht, musste aber auch Rückschläge wegstecken. Hier ist sein Porträt.

Titelgewinne, die Entwicklung eines aktuellen deutschen A-Nationalspielers und eine Station an der Seitenlinie eines Zweitligisten auf der einen Seite. Harte Ausbildungsjahre, Arbeitslosigkeit sowie eine Achillessehnenverletzung auf der anderen. Wer sich mit Christian Mollocher über dessen Werdegang als Fußballtrainer unterhält, nimmt in einer Biografie-Achterbahn Platz. „Augen auf bei der Berufswahl“, sagt der 41-Jährige selbst nüchtern zu seiner fußballerischen Reise als Coach. Mollocher weiß, dass er sich für ein Berufsfeld entschieden hat, das keine Garantien und unbefristeten Arbeitsverträge kennt. „Es ist ein steiniger Weg. Aber den Spaß und die Leidenschaft, die ich als Fußballtrainer erlebe, kann ich mir für mich persönlich in keinem anderen Beruf vorstellen.“

Seit Oktober 2021 arbeitet Christian Mollocher in der TSG-Akademie – zunächst als Co-Trainer der U19, in der aktuellen Spielzeit als Assistenzcoach in der U23. Es läuft gut für ihn mit „Hoffe zwo“: Der Hoffenheimer Profi-Unterbau schielt in der Regionalliga Südwest nach oben, steht aktuell auf Rang sechs. Zudem klopfen mehrere Spieler an der Tür zum Profikader. Einige haben den Sprung bereits geschafft.

Die Talente fördern, sie fit machen für höhere Aufgaben: Das ist eine der Aufgaben des U23-Co-Trainers. Dass Mollocher das kann, hat er in den vergangenen Jahren oft unter Beweis gestellt.

Start in Frankfurt: Spieler kommen mit Daunenjacken zum Training

Angefangen hat alles in Frankfurt, genauer gesagt in Sachsenhausen, beim VfL Germania 1894. Mollocher verbrachte fast seine komplette Zeit als Jugendspieler bei der Germania, deren Vereinsname einer gewissen Ironie nicht entbehrte – zumindest bezogen auf den Jahrgang, in dem der gebürtige Frankfurter aktiv war. „Ich war der einzige Deutsche in der Mannschaft. Hätte es den Begriff schon gegeben, wäre ich der ,Alman‘ gewesen. Das Vereinsleben hat mich aber geprägt, und ebenso der Spaß, den wir hatten. Es war der ideale Ausgleich zur Schule.“

Dass Mollocher heute die Sprache der Spieler spricht, hat er auch dieser Zeit zu verdanken. Die Passion für die Arbeit als Trainer wurde ebenso beim VfL Germania geweckt – wenngleich er erst mal überredet werden musste. „Ich war noch in der U19 aktiv, als der Vereinsvorsitzende eines Abends in unsere Kabine kam und fragte, ob jemand von uns Lust hat, die D2-Junioren als Trainer zu übernehmen. Von diesem Moment an hat mein bester Freund an meinem Shirt gezupft und mich bearbeitet, dass das doch etwas für uns wäre. Ich wollte eigentlich nur weiterkicken, habe mich aber breitschlagen lassen. Die D2 war dann eine klassische D2 – nicht der jüngere Jahrgang, sondern der weniger gute. Manche Spieler kamen in Daunenjacken oder ohne Fußballschuhe zum Training. Wir haben aber schnell festgestellt, dass sich die Spieler gut weiterentwickeln, wenn sie eine gewisse Ordnung und Leidenschaft vorgelebt bekommen. Und das ist dann auch im Verein aufgefallen.“

Bereits nach einem halben Jahr übernahm Mollocher mit seinem Freund die D1-Junioren, wiederum eine Saison darauf wechselten beide zum stärkeren Verein in Frankfurt-Sachsenhausen, der SpVgg Oberrad 05. Sie stiegen als Trainer bis in die C-Junioren-Regionalliga auf. „Ab diesem Zeitpunkt habe ich gemerkt, dass ich es, verglichen mit meiner Spielerlaufbahn, als Trainer weiterbringen kann.“

Studium in Köln, Wechsel von den „Geißböcken“ zu den „Zebras“

Wie aber sollten die nächsten Schritte ausschauen? Mollocher hatte Abitur gemacht und ein Sport- und BWL-Studium in Frankfurt begonnen – entschied sich aber nach einem Semester für den Wechsel an die Deutsche Sporthochschule in Köln (DSHS). Der Frankfurter baute sich am Rhein ein Jugendfußball-Netzwerk auf. Seine Basis lag in der Taxofit-Fußballschule. „Die ist wie ein NLZ aufgebaut“, erläutert Mollocher, „die Teams nehmen am Spielbetrieb teil, die größten Talente wechseln oft zum 1.FC Köln.“ Ein Weg, den auch Mollocher einschlug. Nach einigen Jahren in der Fußballschule übernahm er – noch als Student – eine Doppelrolle: Er coachte die U11 in der Fußballschule und die U12 des 1.FC Köln, die er zwei Jahre trainierte. Parallel erwarb Mollocher an der DSHS bis einschließlich zur A-Lizenz alle Fußball-Trainerscheine und schloss das Studium ab. Die Lehrjahre waren damit allerdings noch lange nicht beendet.

„Ich habe in Köln angefragt, ob es die Möglichkeit gibt, hauptamtlich als Jugendtrainer einzusteigen. Die Kölner haben mir sehr gute Arbeit bescheinigt, konnten mir aber keine Perspektive aufzeigen.“ Mollocher nahm das Angebot des MSV Duisburg an, die U16 zu übernehmen. „Finanziell war das für mich ein krasses Minusgeschäft. Ich habe gekellnert und in einer Hausverwaltung gearbeitet, um etwas dazu zu verdienen. Als das auch nicht gereicht hat, habe ich das Angebot angenommen, halbtags an der Eliteschule des Fußballs in Düsseldorf als Sportlehrer zu arbeiten. Dadurch war ich finanziell abgesichert, meine Tage sahen aber so aus: Aufstehen um 6 Uhr in Köln, ab in die Schule, nach dem Unterricht von Düsseldorf zurück nach Köln, Spieler abholen, mit dem Auto nach Duisburg, Training, zurück nach Köln, die Spieler nach Hause oder an einen Bahnhof bringen. Um 22 Uhr war ich selbst zu Hause, um 6 Uhr hat dann der Wecker wieder geklingelt.“

Die hohe Belastung machte sich allerdings bezahlt – nicht nur auf dem Fußballplatz. Als sein Arbeitsvertrag in der Schule auslief, starteten Schüler eine Unterschriftenaktion – sie wollten, dass Herr Mollocher bleibt. Aber: So sehr er die Arbeit an der Schule auch schätzte – Herr Mollocher wollte als Fußballtrainer vorankommen. Dabei halfen ihm die guten Ergebnisse, die er in Duisburg erst mit der U16 und dann ab der Saison 2012/13 mit der U17 in der Bundesliga West erzielte. Mollocher erhielt im März 2014 das Angebot, als Co-Trainer zum 1.FC Saarbrücken in die 3. Liga zu wechseln. Er war im bezahlten Fußball angekommen.

Co-Trainer bei den Profis in Saarbrücken und Bochum

Vom Schulstress und langen Fahrten zum Training mit den MSV-Junioren hin zum eigenen Dienstwagen sowie zu Übernachtungen in schicken Hotels bei Auswärtsspielen: „Das war erst mal eine andere Welt“, erinnert sich der 41-Jährige – allerdings auch eine, in der die Schnelllebigkeit des Geschäfts ein steter Begleiter bleibt. Mollocher und Chefcoach Fuat Kılıç schafften es nicht, den FCS noch zum Klassenerhalt zu führen. Das Duo blieb nach dem Abstieg in der Regionalliga Südwest für die Saarländer verantwortlich, verbunden mit dem Auftrag, den Wiederaufstieg zu meistern. Als Tabellenzweiter qualifizierte sich der FCS für die Aufstiegsspiele gegen die Würzburger Kickers im Jahr 2015. Nach einem 0:1 zu Hause im Hinspiel gelang in Würzburg ein 1:0. Das Elfmeterschießen brachte die Entscheidung – Würzburg gewann es. Mollocher: „Statt als Drittliga-Co-Trainer mit einer Gehaltserhöhung und einer Aufstiegsprämie weiter in Saarbrücken zu arbeiten, war ich arbeitslos.“

Etwa ein halbes Jahr musste er sich gedulden, ehe sich die Möglichkeit ergab, erneut als Teil des Trainerteams von Fuat Kılıç beim Regionalligisten Alemannia Aachen einzusteigen, wiederum als Assistenzcoach. Bei den „Kartoffelkäfern“ schlug Mollocher später noch einmal auf – dazwischen lag seine zweite Station an der Seitenlinie eines Profiklubs. In geteilter Funktion wurde er im Jahr 2017 U17-Trainer des VfL Bochum und zugleich Co-Trainer in der 2. Liga.

Beim VfL herrschte eine hohe Fluktuation, was zur Folge hatte, dass Mollocher in anderthalb Jahren mit fünf Profi-Cheftrainern zusammenarbeitete: Gertjan Verbeek, Ismail Atalan, dem heutigen TSG-Akademie-Leiter Jens Rasiejewski, Heiko Butscher und Robin Dutt. „Es ist einiges wert, so viele verschiedene Trainer kennenzulernen“, betont Mollocher, der indes als Chefcoach mit der Bochumer U17 Westfalenpokalsieger wurde, nach einem 4:2-Erfolg im Finale gegen Borussia Dortmund um Youssoufa Moukoko. Dem Shootingstar gegenüber stand mit Armel Bella-Kotchap ein Akteur, der während Mollochers Zeit in Bochum aus Duisburg zum VfL gewechselt war und heute deutscher A-Nationalspieler und Profi in der Premier League beim Southampton FC ist. Gleichwohl: Als Mollocher den Westfalenpokal in den Händen hielt, wusste er bereits, dass seine Zeit in Bochum zu Ende geht. Der VfL hatte dem Trainer mitgeteilt, den Vertrag nicht zu verlängern. „Man konnte mir das nicht richtig erklären. Es gab viele Wechsel, auch in der Sportlichen Führung. Es wurde anders geplant.“

Die Konsequenz für den Trainer: erneute Arbeitslosigkeit. Es folgte die Rückkehr nach Aachen als U19-Coach – allerdings in einer Zeit, in der die Alemannia während ihres zweiten Insolvenzverfahrens kaum Mittel zur Verfügung hatte. „Ich hatte auch die Möglichkeit, als Scout zu einem Bundesligisten zu wechseln. Das wäre lukrativ gewesen. Ich wollte aber unbedingt auf dem Platz arbeiten. In Aachen haben wir teilweise mit drei Flaschen Wasser trainiert. Um nur ein Beispiel zu nennen.“ Trotz aller Widrigkeiten schafften es die Aachener, in der Bundesliga West den Abstieg zu vermeiden. „Mit diesen Umständen war das vielleicht mein bisher größter Erfolg als Trainer.“

Das Angebot aus Hoffenheim erreichte ihn in Leipzig

Mollocher wurde in Aachen im Sommer 2019 erneut Co-Trainer der Männermannschaft in der Regionalliga West unter Fuat Kılıç und fasste die Ausbildung zum Fußballlehrer ins Auge. Anfang März 2020 absolvierte er in Köln den Eignungstest, der für ihn schmerzhaft endete: Bei der Praxisübung riss seine Achillessehne. „Ich wollte meinen Gegenspieler anlaufen. Eine unglückliche Bewegung, dann hat es einen Knall gemacht, wie bei einem Peitschenhieb.“ Immerhin hatte Mollocher noch Glück im Unglück: Eine Woche, ehe die Corona-Pandemie Deutschland mit dem Lockdown Mitte März 2020 endgültig erreichte, konnte er in Köln gerade noch einen OP-Termin wahrnehmen. Eine lange Zwangspause stand ihm dennoch bevor. Die Aachener ließen derweil seinen Vertrag im Sommer 2020 auslaufen. „Ich konnte mich dann während Corona auf meine Reha konzentrieren, es war aber eine belastende Zeit für mich und unsere Familie“, bekennt der 41-Jährige, dessen Frau mit dem gemeinsamen Sohn aktuell weiterhin in Köln wohnt. Christian Mollocher selbst hat für seinen Wechsel nach Hoffenheim zusätzlich eine Wohnung in Sinsheim bezogen.

Eben jenen Wechsel vollzog der Coach im Oktober 2021. „Nach meiner Verletzung war ich voller Tatendrang und wollte nicht nur zu Hause rumsitzen und warten, bis vielleicht jemand anruft.“ Die Kontaktaufnahme erreichte ihn in einer sächsischen Metropole: Er absolvierte ein Praktikum bei RB Leipzig, als bei den TSG-A-Junioren gerade ein zusätzlicher Co-Trainer gesucht wurde. Jens Rasiejewski fragte bei Mollocher an. Er machte sich schnell auf den Weg in die TSG-Akademie.

Mit der U19 feierte Mollocher in der vergangenen Saison an der Seite des damaligen Chefcoachs Marc Kienle den Verbandspokalsieg. Seine Arbeit setzt er nun in der U23 fort. „Aus dem U19-Kader wurden viele Spieler in die U23 übernommen. Es ist eine spannende Aufgabe, diese Spieler zu begleiten. Wenn dann Jungs wie Umut Tohumcu oder Justin Che nach einem halben Jahr bei uns im Profitrainingslager überzeugen und hochgezogen werden, macht mich das auch ein bisschen stolz.“

Christian Mollocher hat in den vergangenen Jahren viel gesehen im höherklassigen Nachwuchsfußball. „Das Talentniveau in Hoffenheim liegt verglichen mit meinen vorigen Stationen noch mal auf einer anderen Ebene. Ich bin jeden Tag dankbar, mit Spielern auf diesem Niveau zusammenzuarbeiten.“ Nach vielen Aufs und Abs ist der 41-Jährige aktuell sportlich angekommen. Er sagt: „Ich möchte in Hoffenheim sehr gerne meine weiteren Schritte als Trainer gehen.“

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