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U23
18.11.2022

Umut Tohumcu: Junger Anführer mit sozialer Ader

Er war noch 17 Jahre jung, als er im Mai dieses Jahres für die TSG Hoffenheim in der Fußball-Bundesliga debütierte. Aktuell ist Umut Tohumcu als eines der herausragenden Talente seines Jahrgangs (2004) Stammspieler in der U23. Das Fußballer-Gen hat er von seinem Vater vererbt bekommen, die soziale Ader verbindet ihn mit seinen in Pflegeberufen tätigen Schwestern. Wenn es aber auf den Platz geht, gibt es für Tohumcu nur ein Ziel: Er will für sich und sein Team das Maximum herausholen. Unser Porträt. 

Jede Fußballerlaufbahn wird geprägt von persönlichen Meilensteinen, von Momenten, die besonders in Erinnerung bleiben. Umut Tohumcu erlebte so eine Situation am Nachmittag des 12. Mai 2022.

Es war ein Donnerstag, und Tohumcu wollte sich vor der anstehenden Sommerpause gerade von seinen Teamkollegen aus der U19 verabschieden. Er hatte die Tage zuvor bei den Profis mittrainiert, geplant war für den Abend eine Fahrt nach Hause zu seiner Familie in Offenburg, als plötzlich sein Smartphone klingelte. „Der Co-Trainer der Profis war dran“, erinnert sich Tohumcu zurück. „Er hat mir ganz knapp mitgeteilt, dass ich für das Spiel in Mönchengladbach im Kader stehe.“ Zwei, drei Sätze später war das Telefonat beendet – und der 17-Jährige fortan nur noch „im Tunnel“, wie er es selbst mit ein paar Monaten Abstand mit funkelnden Augen schildert: „Ich wusste gar nicht, wohin mit mir, habe dann aber erst mal meinen Vater angerufen, der mich später auch in Hoffenheim abgeholt hat. Das Gefühl war einfach unbeschreiblich.“

Das Bundesliga-Debüt vor der U23-Premiere

Den Traum vom Bundesliga-Debüt durfte Tohumcu, damals wohlgemerkt noch dem jungen A-Junioren-Jahrgang angehörig, zwei Tage später dann tatsächlich leben. Am 34. Spieltag wechselte der damalige Hoffenheimer Profitrainer Sebastian Hoeneß den Mittelfeldspieler in der 86. Minute ein. Borussia Mönchengladbach führte zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich, die Partie war entschieden, doch für Tohumcu spielte das in diesem Moment nur eine Nebenrolle: „Ich wollte meine Aufgabe erfüllen, und vor allen Dingen wollte ich keine Fehler machen.“ An den ersten Pass, den er zugespielt bekam, erinnert er sich noch genau. „,Jetzt bloß nichts Falsches machen‘, habe ich mir gesagt. Ich war richtig erleichtert, als mir der Ball nicht versprungen ist“, sagt er und lacht. „Ramy Bensebaini hat mich danach gefoult, es gab Freistoß. Zwei oder drei Ballkontakte hatte ich noch, dann war das Spiel vorbei.“ Und Tohumcu der insgesamt 63. Akteur, der es aus der TSG-Akademie in die Fußball-Bundesliga (oder eine vergleichbare ausländische Liga) geschafft hatte.  

Tohumcu gelang zugleich etwas, das nicht vielen TSG-Talenten glückt: Er absolvierte seinen ersten Bundesligaeinsatz noch vor seiner Premiere in der U23. Eigentlich könnte der mittlerweile 18-Jährige auch in dieser Saison noch in der U19 auflaufen, die Verantwortlichen der TSG-Akademie entschieden jedoch, dass der nächste Schritt im Hoffenheimer Profi-Unterbau in der Regionalliga Südwest vorgezogen werden soll und für Tohumcus weitere Entwicklung einen größeren Mehrwert darstellt. Die Bilanz des Mittelfeldallrounders, der zwischen den Sechzehnmeterräumen alle Positionen bekleiden kann und derzeit auf der „Acht“ gesetzt ist, spricht Bände und belegt, dass Tohumcu definitiv bereit war für den dauerhaften Schritt in den Erwachsenenfußball: In den bisherigen 16 Spielen stand der beidfüßige gebürtige Offenburger stets in der Startelf. Meistens spielte er durch, erzielte dabei drei Treffer und legte fünf Mal für Kollegen auf. Zudem führte Tohumcu sein Team bereits zwei Mal als Kapitän aufs Feld – mit, man muss es an dieser Stelle noch einmal wiederholen, erst 18 Jahren.

Aktiventraining als Kind in der Heimat

Bemerkenswert ist, wie Tohumcu selbst die Saison bisher sieht – seine Analyse spiegelt seine Einstellung wider. Trotz der persönlichen Topwerte, trotz des starken vierten Tabellenplatzes nach 16 Partien für die U23 sagt er: „Ich bin eigentlich nicht so zufrieden. Wir hatten viele Spiele, die wir zusätzlich hätten gewinnen müssen. Es gibt definitiv noch viele Punkte, in denen wir uns weiter verbessern müssen.“ Sein Anspruch ist hoch – dass sich „Hoffe zwo“ erstmals seit einigen Jahren wieder im einstelligen Tabellenbereich festgesetzt hat, wird ihn definitiv nicht dazu verleiten, nun im Zweifelsfall einen Schritt weniger zu gehen, im Gegenteil: Vollgas-Fußball soll auch weiterhin auf der Agenda stehen.

Woher rührt dieser unbändige Einsatz bei Umut Tohumcu? Wer hat ihn geprägt auf seinem Weg in den Leistungsfußball? „Ich habe die Leidenschaft für den Fußball von meinem Vater“, sagt er. Fikret Tohumcu machte sich in Offenburg einen Namen im Amateurfußball, war etwa Spielertrainer bei Ata-Spor Offenburg – und der kleine Umut immer mit dabei, wenn der Papa in der Heimat samstags oder sonntags auf dem Platz stand. Und nicht nur das: Als er sich selbst beim SC Offenburg und Offenburger FV als Junior erste Sporen verdiente, trainierte Umut parallel dazu immer wieder bei den Aktiven von Ata Spor mit, wenn seine eigentlichen Einheiten bereits beendet waren. Seine damals schon starke Technik und Schnelligkeit ließen ihn mit den Erwachsenen mithalten. „Die haben aber wahrscheinlich auch etwas langsamer gemacht, wenn ich mit auf dem Platz dabei war“, erinnert sich Tohumcu und grinst.

Argumente für den Wechsel nach Hoffenheim

Sein Talent blieb nicht unverborgen, im Jahr 2016 wechselte Tohumcu zum SC Freiburg, entschied sich aber ein Jahr später für den Schritt in die TSG-Akademie. Hierbei ging es ihm vordergründig darum, seinen eigenen Weg zu gehen und auch eine Möglichkeit zu finden, sowohl die Belastungen des Leistungsfußballs als auch die schulischen Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. „Als ich beim SC Freiburg gespielt habe, war es immer sehr anstrengend, nach den Einheiten noch nach Hause zu fahren und sich dann auch noch um die Schule zu kümmern. Zwischen Offenburg und Freiburg liegen knapp 50 Minuten Fahrtstrecke – einfach. In Hoffenheim hatte ich alles an einem Ort. Es war wichtig für mich und meine Entwicklung, den Schritt aus dem gewohnten Umfeld rauszugehen.“ An den ersten Kontakt zur TSG-Akademie kann er sich noch gut erinnern. „Ich bin bei einem Turnier als bester Spieler ausgezeichnet worden. Danach hat mich Emin Birinci (Mitarbeiter in der Kaderplanung der TSG-Akademie, Anm. d. Red.) angeschrieben, mir gratuliert und mir gesagt, dass ich meinen Weg weitergehen soll. Das hat mich gefreut.“ Der Kontakt zur TSG blieb danach bestehen, der Wechsel kam wenig später zustande.

Kaum in Hoffenheim angekommen (als U14-Spieler), stand Tohumcu bereits in den Schlagzeilen – wegen eines Einsatzes als Balljunge beim Spiel der TSG-Profis gegen den FC Bayern. Tohumcu schaltete in dieser Partie bei einem Hoffenheimer Einwurf schnell, gab den Ball an Andrej Kramarić weiter, die Hoffenheimer gingen wenige Sekunden später durch Mark Uth in Führung – und Tohumcu stand bundesweit im medialen Fokus. Wenn er heute auf die Geschichte angesprochen wird, freut ihn das immer noch, „auch wenn ich sie jetzt doch schon sehr oft erzählt habe“. Ob er denn danach noch mal als Balljunge im Einsatz war? „Es wurden immer komplette Mannschaften eingeteilt, nach dem Bayern-Spiel war unser Team aber erst mal längere Zeit nicht mehr an der Reihe. Ich war etwa ein Jahr später noch mal als Balljunge bei einem Spiel dabei, hatte also insgesamt zwei Einsätze. Ich hatte das Ziel, noch mal einen Assist zu schaffen, aber zu einer ähnlichen Situation ist es leider nicht mehr gekommen. Eine Vorlage in zwei Partien ist aber auch in Ordnung.“

Hilfe beim familiären Hausbau

Tohumcus Laufbahn in der TSG-Akademie verlief ansonsten sehr geradlinig, trotz der Corona-bedingten Zwangspausen in den Jahren 2020 und 2021 entfaltete er sein großes Talent. „Meine Highlights als Jugendspieler waren meine Trainer“, betont er. Insbesondere von Wolfgang Heller, Danny Galm (mittlerweile U19-Coach beim FC Bayern) und Marcel Rapp (nun Trainer von Holstein Kiel in der 2. Liga) habe er sehr viel mitgenommen.

Dass der Spielbetrieb in den harten Corona-Lockdown-Phasen ruhte, traf Tohumcu zwar wie sämtliche ambitionierten Jugendfußballer ebenfalls hart, allerdings fand er in dieser Zeit auch Zerstreuung in der Heimat. „Meine Familie hatte in Offenburg ein Haus gebaut. Es war also genug Zeit, mitzuhelfen und den Hausbau zu unterstützen. In normalen Zeiten hätte ich sicherlich nicht so oft zu Hause sein können, so hatte ich die Möglichkeit, diesen Prozess auch bewusst mitzubekommen. Es war also in gewisser Weise auch eine schöne Zeit“, blickt Tohumcu zurück.

Mittlere Reife mit Schwerpunkt auf Gesundheitsthemen

Parallel zum Fußball schaffte er im vergangenen Frühjahr an der Albert-Schweitzer-Schule in Sinsheim die Mittlere Reife, wobei der Fokus auf dem Fach Biologie mit dem Schwerpunkt Gesundheitspflege lag. Ein Themenbereich, der Tohumcu von Haus aus interessiert: Zwei seiner insgesamt vier Schwestern arbeiten in der Altenpflege. „Ich sehe, was sie in ihrem Beruf leisten und habe einen riesigen Respekt davor. Auch deswegen habe ich diesen Schwerpunkt in der Schule gelegt.“

Freilich ist er froh, dass er sich aktuell komplett auf den Fußball konzentrieren kann. Dazu gehören neben den Einsätzen in der Hoffenheimer U23 auch die Spiele mit der deutschen U19-Nationalmannschaft. In Trainer Guido Streichsbier hat er dort einen Förderer mit Hoffenheimer Vergangenheit (als Spieler und Jugendtrainer), der ihn zum Kapitän des von ihm betreuten DFB-Jahrgangs gemacht hat. „Der Coach hat mir gesagt, dass er auf mich setzt, dass ich sein Leader bin. Normalerweise wechselt der Kapitän immer mal durch, aber ich habe die Spielführerbinde jetzt schon einige Mal tragen dürfen. Es ist für mich immer eine Ehre, aber auch eine Verantwortung, die Nationalmannschaft auf den Platz zu führen.“

Momente, die ebenso wie das Bundesligadebüt in Erinnerung bleiben werden – und denen in der Zukunft noch viele weitere folgen sollen.

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