Page 83 - Spielfeld_Januar_2020
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SPIELFELD TSG HOFFENHEIM 83
Im diplomatischen Dienst
Es braucht etwas Geduld und Glück, wenn man Eckhard Krautzun treffen will. Der
Fußball füllt sein Leben, führte ihn schon an die entlegensten Orte der Welt und auch mit 79 Jahren ist die Trainerlegende ständig im Auftrag des Sports unterwegs. Kurz vor Weihnachten war er in der PreZero Arena, als die TSG den BVB besiegte. In der Adventszeit war er zuvor in Wolfsburg gewe- sen und flog dann nach England, um Kumpel Sir Alex Ferguson zu treffen. Kurze Zeit später schaute Krautzun das Spiel Shanghai SIPG gegen Guangzhou Evergrande, chinesische „Super League“, wie er auf dem Weg in sein Heppenheimer Stammcafé erzählt.
Mehr als 30 Stationen in elf Län- dern sollen es gewesen sein. „Könnte hinkommen“, sagt er und schon klingelt sein Handy. Ein befreundeter Trainer fragt, ob er heute Abend nicht mit ihm zum Heimspiel der TSG gehen möchte. Hoffenheim war 1999 eine der Stationen. Ein Freund fragte ihn, ob er Dietmar Hopp und dem Verein mit seiner inter- nationalen Erfahrung nicht helfen wolle. „Dietmar Hopp kannte ich bis dahin nur durch sein soziales Engagement und das imponierte mir sehr.“ Krautzun machte Spiel- und Traineranalysen und half bei
Experten unter sich: Sir Alex Ferguson (l.) und Eckhard Krautzun fachsimpeln 2015 beim Champions-League-Spiel Wolfsburg gegen Manchester United.
der Trainersuche. „Damals spielte die TSG noch in der Regionalliga. An die Bundesliga dachte da niemand.“
Nach etwa einem Jahr zog er weiter zum SV Darmstadt 98, den er vom drohenden Abstieg retten sollte. Den Weggang von der TSG bezeichnet er heute als Fehler: „Hätte ich gewusst, wie sich die Dinge dort ent- wickeln, wäre ich natürlich geblieben. Zumal ich mit Ralf
Rangnick bis heute sehr gut kann.“ Geblieben sind Freundschaften und die Vereinsmitgliedschaft. Der Workaholic verfolgt das fußballerische Ge- schehen im Kraichgau genau, oft im Stadion. Vor der Saison sei er etwas skeptisch gewesen: Den Weggang von Nagelsmann, Demirbay, Joelinton, Schulz und Amiri müsse man erst mal verkraften. Der Verlauf der aktuellen Saison habe ihn dann aber positiv überrascht. „Der neue Trainer und die Spieler müssen sich aneinander gewöhnen, bis jetzt ist es ein Auf und Ab, aber die Europa League ist drin.“
Krautzun kennt den Sport noch aus Zeiten, als der Ball eine Schweinsblase war. 1941 wurde er in Essen geboren, später zog er mit der Familie auf den Hof der Großeltern in Borgloh, ein kleines Dorf im Teutoburger Wald. „Wenn die Metzger zum Schlachten kamen, haben wir uns die Schweinsblasen geholt, sie aufgeblasen und getrocknet. Das war unser Ball.“ Als Tor mussten zwei Tornister oder das Kellerfenster herhalten. „Dieser Straßenfußball, der uns damals so gut tat, ist heute verschwunden“, sagt er.
Mehr als 30 Stationen in elf Ländern: Eckhard Krautzun trainierte Größen wie Diego Maradona, Gerd Müller oder Jürgen Klopp. Auch mit 79 Jahren will der Weltenbummler von Ruhestand nichts wissen. Ein Gespräch über Jugendarbeit, Alex Ferguson, Abenteuerlust und die TSG.
 „Dieser Straßenfußball, der uns damals so gut tat, ist heute verschwunden.“























































































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