Page 16 - Spielfeld_Mai_2016
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                                   So feiert man bei englischen Fußballclubs: Andrej Kramarić mit Teamkollegen von Leicester City beim Mannschaftsausflug in Kopenhagen.
War es schwer, den Club als Tabellenführer zu verlassen?
„Es war eine schwere Entscheidung und ich habe lange drü- ber nachgedacht. Aber ich wollte mehr spielen. Im Sommer ist die EM, es war die einzige Chance, mich noch dafür zu qualifizieren. Und ich möchte unbedingt mit der kroatischen Nationalmannschaft ein großes Turnier erleben. Ich habe mich in Leicester stark genug gefühlt, aber das Team hat gewonnen. Der Trainer wollte dann nichts ändern, was ich total verstehe. Die Mannschaft schreibt gerade Geschichte. Eine Story, wie es sie sonst nur in Hollywood gibt.“
Dazu gehörte auch der ziemlich ungewöhnliche Mann- schaftsausflug im Herbst nach Kopenhagen, als die Spieler verkleidet im Zentrum feierten. Wie kam es dazu? „Wir hatten diese drei, vier Tage Freizeit und haben halt in Kopenhagen gefeiert. Die Trainer haben uns die Freiheit gelas- sen, alles zu tun, was wir möchten. Mein Kostüm war Bowser von Mario Kart. Jeder hatte als Kostüm seine Cartoon-Figur oder einen Superhelden genommen. Am Anfang war ich noch ein bisschen unsicher, als ich aber feststellte, dass mich niemand erkennt, war es unglaublich lustig.“
Wie war das Gefühl, als der Trainer sagte: Macht einen Ausflug, lasst es krachen.
„Das ist der englische Stil. Man kann trinken, wo und wieviel man will. Als wir mit Leicester Letzter waren und niemand mehr an uns geglaubt hat, haben wir auch schon mal ein paar Tage frei bekommen und jeder ist zum Strand gefahren oder hat Partys gefeiert. Danach haben wir unsere Siegesserie gestartet und den Klassenerhalt doch noch geschafft. Ich kann natürlich jeden verstehen, der sagt, das hat im Profi-Fußball nichts zu suchen. Aber ich muss sagen: In England hat es funktioniert.“ (lacht)
In Hoffenheim fand die TSG durch andere Mittel zurück zum Erfolg. Einen großen Anteil daran hat Trainer Julian Nagelsmann. Was hast Du gedacht, als Du gehört hast, dass Dein neuer Coach erst 28 Jahre alt ist?
„Im ersten Moment war ich verwirrt. Es war eine seltsame Si- tuation. Ich hatte noch nie einen so jungen Trainer und wuss- te nicht, was mich da erwartet. Aber jetzt bin ich natürlich glücklich. Er hat meine Stärken erkannt und mir Chancen gegeben. Ich fühle sein Vertrauen und habe Tore gemacht und vorbereitet.
FLUCHENDE FREUNDE
Nach Andrej Kramarićs Ankunft in Hoffenheim kümmerte sich vor allem Ermin Bičakčić um die Integration des kroati- schen Neuzugangs. Der Bosnier war froh über einen neuen Kollegen mit „ähnlicher Mentalität und Sprache“. Denn schließlich unterscheiden sich „Bosnisch und Kroatisch nur bei einigen Wörtern, ähnlich wie zwei Dialekte“, erklärt Bičakčić, der nur lobende Worte für den Teamkollegen findet. „Andrej ist ein offener und lockerer Typ. Ich habe ihm ein paar Dinge gezeigt und ein wenig geholfen, aber eigentlich gab es kaum Anpassungsschwierigkeiten. Das sieht man ja auch auf dem Platz.“ In der Mannschaft verständigt sich Kramarić auf Englisch, in Trainings-Zweikämpfen mit seinem bosnischen Gegenspieler aber auch mal in der Heimatsprache. „Mit seiner wendigen Spielweise und den abgehackten Bewegungen ist er schwer zu verteidigen. Da fliegen im Training schon mal die Fetzen, auch verbal. Da ist es ganz gut, wenn man sich untereinander auch mal in der Muttersprache attackieren kann und es keiner versteht“, sagt Bičakčić augenzwinkernd.
Kramarić lernt aber zweimal die Woche Deutsch – auch mit indirekter Hilfe von Steven Zuber. Der Schweizer hat eine serbische Freundin. Entsprechend geben sich die beiden Mannschaftskameraden in der Freizeit gegenseitig Sprach- unterricht. „Deutsch ist aber sehr schwierig, ich hatte in der Schule nur Englisch“, sagt Kramarić, der nach eigener Aussage ein guter Schüler war: „Ich war auf einer der bes- ten Gymnasien Kroatiens und habe an der ökonomischen Fakultät studiert. Als der Fußball mein Leben wurde, habe ich aber aufgehört“, so der Kroate. „Das war für meine Eltern dann auch in Ordnung.“
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