Page 14 - Spielfeld_Mai_2016
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                 „EINE STORY WIE IN HOLLYWOOD“
Er kam, sah und traf: Seit seinem Wechsel im Winter von Leicester City zur
TSG 1899 Hoffenheim überzeugt Stürmer Andrej Kramarić und wurde zum Hoffnungsträger im Abstiegskampf. Im Interview spricht der 24-jährige Kroate über seinen neuen Club, Trainer Julian Nagelsmann, Mannschaftstouren in England und seine Aussichten auf die EM-Teilnahme.
Ein bekanntes Bibelzitat lautet: Die Letzten werden die Ersten sein. War das Dein Ratgeber für Club- wechsel, oder wie kam es, dass Du im Winter 2015
zum englischen Schlusslicht Leicester und 2016 zum damaligen Tabellenletzten TSG gewechselt bist?
„Das ist natürlich eine lustige Parallele. Vor allem, weil es mit beiden Mannschaften dann in der Tabelle bergauf ging. Es waren meine bewussten Entscheidungen, ich war auch nicht böse auf meinen Berater und habe gesagt: ‚Warum muss ich immer zum Schlusslicht?‘ (lacht) Ich habe es jeweils als Chance gesehen, in eine große Liga zu wechseln, mehr zu spielen und den nächsten Schritt in meiner Karriere zu machen.“
Wusstest Du, dass Hoffenheim ein spezieller Club aus einem Dorf ist?
„Ich kannte den Verein, da ich die Bundesliga verfolge. Und natürlich auch durch Spieler wie Roberto Firmino und Kevin Volland. Zudem hat vor einigen Jahren ja Josip Simunic hier gespielt, ein großer kroatischer Spieler. Aber was mich genau erwartet, wusste ich nicht.“
Wie war das Gefühl, als Du Hoffenheim und all die an- deren Dörfer das erste Mal gesehen hast?
„Mir gefiel es sofort. Ich habe viele Jahre in Zagreb gelebt; eine Großstadt, die ich sehr liebe. Aber meine Kindheit habe ich in der Region Hrvatsko Zagorje in Bednja verbracht. Meine Eltern kommen eigentlich vom Land. Und zwar aus einem Teil Kroatiens, der dieser Region hier sehr ähnelt. Darum hatte ich ein Lächeln im Gesicht, als ich das erste Mal durch die Dörfer gefahren bin und aus dem Fenster geguckt habe. Diese Hügel, die ich auch vom Trainingsplatz sehe, die Bäume, die Landschaften und die Weinberge – all das gibt es in meiner Heimat auch. Das entspannt mich und ich fühle mich heimischer als in England.“
Bislang fallen Deine sportliche und persönliche Bilanz also positiv aus.
„Mich freut die Entwicklung und ich genieße es hier. Aber wirklich glücklich und zufrieden werde ich erst sein, wenn wir den Klassenverbleib gesichert haben. Als ich kam, war der Club in einer sehr schlechten Lage. Aber nach mehreren Monaten
bei der TSG muss ich wirklich sagen: Dieser Verein darf nicht absteigen. Es ist ein schönes Gefühl, bei diesem Club zu sein. Für mich ist er einer der Top-Vereine der Bundesliga. Man hat alles, was die Spieler brauchen. Es wäre eine riesige Freude, am Ende der Saison sagen zu können: Ich habe geholfen, dass die TSG in der Bundesliga geblieben ist. Und ich glaube daran: Die Stimmung in der Mannschaft ist super und die Qualität der Spieler extrem hoch.“
Helfen die Erfahrungen aus Leicester aus dem vergan- genen Jahr in dieser Situation?
„Ich muss natürlich oft daran denken: Wir waren auch abge- schlagen und niemand glaubte mehr an uns, selbst die Wettan- bieter nahmen keine Wetten mehr auf unseren Abstieg an. Wir waren abgeschrieben und haben uns zurückgekämpft – so wie nun in Hoffenheim. Wir hatten hier auch schon sieben Punkte Rückstand auf Platz 15. Aber wir dürfen jetzt nicht nachlassen: Jedes Spiel zählt im Kampf ums Überleben.“
Hast Du Deinen Mannschaftskameraden in der schwie- rigen Phase von Deinen Erfahrungen erzählt, Leicester ist ja momentan die unglaublichste Geschichte des europäischen Fußballs ...
„Ich habe mich nicht auf einen Stuhl gestellt und eine Rede vor der Mannschaft gehalten (lacht). Aber in Gesprächen mit den Spielern habe ich natürlich von Leicester erzählt und dem Abstiegskampf im vergangenen Jahr, in dem wir acht der letzten zehn Spiele gewannen und uns so noch retteten. Ich habe ihnen die Geschichte erzählt und damit auch, wie man zusammen eine schwierige Situation meistern kann.“
Was ist denn das Erfolgsgeheimnis dieser Mannschaft, die in England nun sogar vor dem Titelgewinn steht? „Die Atmosphäre im Team ist außergewöhnlich, einfach fan- tastisch: zwischen den Spielern, dem Betreuerteam und allen Mitarbeitern im Club. Diese positive Energie und die gleichzei- tige Ruhe, weil niemand abgehoben ist, sind entscheidend. Es ist unglaublich, was die Kollegen in Leicester leisten. Sie sind fokussiert. In jedem Moment, in jedem Zweikampf. Das ist es, was mich fasziniert und das ist ein Vorbild für uns bei der TSG:
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