Page 27 - Spielfeld_November_2015
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  SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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Als der Vater die Zuversicht verlor, war Jonathan Schmid gerade aus den B-Junioren seines Heimatvereins Racing Straßburg gef logen und hatte sich nach einem Jahr beim SC Schiltigheim den Senioren des CS Mars 1905 Bischheim an- geschlossen. Während andere Talente in Fußballinternaten geschliffen wurden, hieß Schmids Realität im Sommer 2007: 17 Jahre alt. Verbandsliga. Umringt von Amateurfußballern.
Die Umstände sorgten dafür, dass vor allem die Erlebnisse abseits des Sports in Erinnerung blieben. Der Seniorenfußball war das Tor in eine neue, schräge Welt. „Jeden Donnerstag spielten die Jungs aus der Mannschaft Poker. Ich war der ein- zige 17-Jährige und der Rest so um die 30. Sie nahmen mich auch immer mit in die Clubs, da wäre ich ohne sie damals niemals reingekommen. Das war lustig“, sagt er – und sein Gesichtsausdruck lässt keine Zweifel daran.
Die wilden Zeiten aber sind lange vorbei. Denn ein halbes Jahr später veränderte der Fußball sein Leben schon wieder – und dieses Mal im Sinne der Karriere. Ein früherer Mitspie- ler organisierte ihm ein Probetraining beim deutschen Klub Offenburger BV. Schmid überzeugte und spielte plötzlich in der A-Junioren-Bundesliga. Ein Tor gegen Freiburg führte zu einem Anruf, der den Elsässer nach oben katapultieren sollte: Christian Streich, damals Trainer der Freiburger U19, lotste ihn in den Breisgau. Über die zweite Mannschaft schaffte er es zu den Profis, wo der Offensivspieler in 131 Spielen 56 Scorerpunkte sammelte und mit dem SC in die Europa League stürmte. Schmid ist Klub und Trainer dankbar: „Christian Streich hat mich entdeckt. Er war schon in der A-Jugend etwas verrückt und sehr aktiv an der Linie. Ich mochte das, er hat einen immer aufgeweckt.“
Zum Friseur nach Straßburg
Schmid verinnerlichte in seiner Zeit in Freiburg jene Anforde- rungen, die nun auch das Hoffenheimer Spiel an ihn stellt – Gegenpressing, Disziplin und ein Herz für die Defensivarbeit. Auf dem Platz liegt ihm Eitelkeit fern, mit Allüren kann er nichts anfangen. „Ich mag den deutschen Fußball, Ausbildung und Mentalität sind besser als in Frankreich. Dort gibt es viele arrogante Spieler, die nicht mit nach hinten arbeiten wollen. Aber hier ist jedem klar: Jeder Stürmer ist auch Verteidiger.“
Obwohl Schmid sechs Jahre beim SC spielte, wohnte er nur die letzten sieben Monate in Freiburg. Die Verbindung zu seiner Heimatstadt Straßburg ist stark. Sein 16-jähriger Bruder, der in der Freiburger Jugend spielt, und seine Eltern wohnen noch immer in Neuhof. An trainingsfreien Tagen fährt Schmid mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn regelmäßig dorthin, von seinem neuen Wohnort Rauenberg benötigt er mit dem Auto „bloß eine gute Stunde“. Neben der Familie führt ihn eine zweite Leidenschaft nach Straßburg: seine Haare. Schmids Stammfriseur erhält wöchentlich Besuch vom innerlich gereiften, äußerlich aber noch immer auffälligen
Profis


























































































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