Page 13 - Spielfeld_Oktober_2015
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  sie nichts. Sie sagt immer, das Schlimmste war, dass ja auch Windeln gefehlt haben. Sie musste dann immer die benutzten Windeln auswaschen oder an Bäumen ausreiben und trocknen. Und im Zweifel wurde mir ein T­Shirt umgebunden. Es war menschenunwürdig und erniedrigend.“
Schließlich aber seid Ihr in Österreich angekommen.
„Ab dem Tag hatten wir das Schlimmste irgendwie hinter uns. Dort warteten Hilfsorganisationen auf uns und wir wurden in Hallen aufgenommen. Ich kann mich noch gut an die Tische und Bierbänke erinnern. Da konnten wir auch übernachten und es wurde warmes Essen ausgegeben. Schließlich fanden wir bei entfernten Bekannten dann eine Zeit lang Unterschlupf.“
Und habt dort auf Deinen Vater gewartet?
„Ja, jeden Tag. Die Väter mussten ja an der Front bleiben, nur Frauen und Kinder durften raus. Das sind die Momente, wo du nicht weißt, was schlimmer ist: selbst im Krieg zu sein, oder einfach nur warten, ob der Vater, die gesamte Familie überlebt. Es war die Hölle. Ständig kommen Nachrichten über Massaker und Tote. Noch mehr Tote – und du wartest auf deinen Vater.“
Er kam dann zum Glück tatsächlich.
„Ja, er tauchte wirklich eines Tages bei uns auf. Die Hilfsor­ ganisation hat uns damals wieder zusammen geführt. Es war ein wahnsinnig intensiver Moment.“
Und Ihr seid weiter gezogen – nach Deutschland.
„Über Bekannte von uns sind wir nach Neckarsulm gekommen. Die Eltern mussten gucken, dass Geld reinkommt, und das ging – das muss man ganz klar so sagen – erst einmal nur durch Schwarzarbeit. Man hat alles angenommen. In Mock­ mühl hat mein Vater dann später bei einer Heizungsfirma eine Arbeit bekommen. Er war Lehrer und plötzlich reparierte er Heizungen. Damit musst du auch erst mal klarkommen.“
Und wo habt Ihr gewohnt?
„Wir bekamen vom Chef die Möglichkeit, auf dem Firmenge­ lände zu bleiben, wohnten in einem kleinen Container mit Doppelbett und einem kleinen Waschbecken.
DER BOSNIEN-KRIEG
Der Bosnien-Krieg wütete von 1992 bis 1995. Mitten in Europa gab es 100.000 Tote. Nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien wuchsen dort die Spannungen – zunächst zwischen Kroatien und Serbien, den beiden größeren Ländern der Region. Damit nahmen auch die Konflikte in Bosnien und Herzegowina zu. Neben der Volkszugehörigkeit spielten die in der Region verbreiteten Religionen (katholische Christen, orthodoxe Christen, Mus- lime) eine Rolle.
In Jugoslawien war Bosnien und Herzegowina mit der Hauptstadt Sarajevo ein funktionierender Schmelztiegel. Nach 1992 spitzten sich gerade dort, geschürt vom Fanatismus entstandener nationalistischer Gruppen und dem Streben nach Unabhängigkeit, die religiösen und kulturellen Unter- schiede extrem zu. Nachbarn wurden zu Feinden. Die Spannungen eskalierten, als Bosnien-Herze- gowina ein eigener Staat werden sollte und eine bosnisch-serbische Republik ausgerufen wurde. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den drei großen Volksgruppen, die in so genannten ethnischen Säuberungen gipfelten, wurden immer härter geführt. Beim Massaker von Srebrenica wurden im Juli 1995 mehr als 8.000 bosnische Jungen und Männer umgebracht.
Die Kriegsgräuel führten zu immer stärkeren inter- nationalen Druck auf die beteiligten Gruppierungen, den Krieg zu beenden. Ende 1995 wurde in Day- ton ein Friedensvertrag geschlossen.
Profis
   SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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